10 Jahre Pleite der Hypo Real Estate 29.09.2018 Udo Philipp Udo bringt nach langjähriger Aktivität im Private Equity Geschäft weitreichende Erfahrung in Finanzmarktthemen mit. Seit mehreren Jahren ist er ausgestiegen, um sich den dringend notwendigen Veränderungen des Finanzsystems zu widmen. Ab dem 1.3.19 wirkt er als Finanzstaatssekretär in Schleswig-Holstein. Insgesamt 21 Milliarden Euro musste der Staat für die Rettung der Hypo Real Estate aufbringen Die Bundesregierung schreckte im Gegensatz zu anderen Ländern vor Verstaatlichung der Krisenbanken zurück und übernahm einseitig die Risiken Das Kernproblem mit zu niedrigen oder künstlich erhöhten Eigenkapitalquoten für Banken besteht bis heute Genau zwei Wochen nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers fordert die Finanzkrise in Deutschland ihr teuerstes Opfer: die kleine und weitgehend unbekannte Hypo Real Estate (HRE) aus München. Mit ihren weniger als 2.000 Mitarbeitern ein Zwerg im Vergleich zu anderen Banken. Mit ihren veranschlagten 21 Milliarden Euro Kosten für die Rettung ein Riese im Staatshaushalt. Wie konnte es so weit kommen? Systemrelevanz schützt vor Verantwortung Vor genau zehn Jahren, am 29. September 2008 verhandelt der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit dem Chef der Bankenaufsicht BaFin, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, der Commerzbank sowie dem Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Banken über einen Umgang mit der strauchelnden HRE. Dass wenig überraschende Resultat: Die Bundesregierung lässt sich von den Banken überzeugen, dass die HRE eine systemisch wichtige Bank ist und daher staatlich gerettet werden muss. Damit ist klar: Am Ende müssen wir Bürgerinnen und Bürger für die Rettung der HRE aufkommen. Insgesamt 21 Milliarden Euro müssen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler berappen, während sich der Vorstandsvorsitzende der Depfa-Bank (einer Tochter der HRE) Gerhard Bruckermann mit 124 Millionen Euro vom Acker macht. Er hat wesentlich zur Krise beigetragen und musste sich bis heute nicht vor einem deutschen Gericht verantworten. Explodierende Kosten der Bankenrettung – der deutsche Fall 21 Milliarden Euro sind knapp ein Drittel der insgesamt 68 Milliarden Euro, die uns die Bankenrettung bislang gekostet hat. Gut 500 Euro pro Haushalt.1 Und es hätte noch viel schlimmer kommen können. Beraten von den Vorstandsvorsitzenden der deutschen Großbanken und ihrem Lobbyverband hat sich die Bundesregierung im Gegensatz zu den USA, England und den vielen anderen Staaten nicht getraut, Krisenbanken einfach zu verstaatlichen. Stattdessen wurden die Risiken der Banken auf die Steuerzahler übertragen, indem die Bundesregierung Garantielinien vergab, sowie den Banken sogenannte Giftpapiere abkaufte (Vermögensgegenstände, für die es keinen Markt mehr gab). So sind wir Steuerzahler während der Krise mit insgesamt fast 400 Milliarden Euro ins Risiko gegangen.2 Deutschland wird daher im internationalen Ranking der teuersten Bankenrettungen nur noch von Irland und Griechenland übertroffen.3 Der Löwenanteil entfällt auch hier auf die HRE: Die staatliche Abwicklungsanstalt FMS-Wertmanagement übernahm Giftpapiere im Wert von 175 Milliarden Euro aus der HRE.4 Die Bundesregierung hat auf diese Art und Weise nicht nur die HRE und alle ihre Gläubiger gerettet, sondern sogar die Aktionäre der künstlich am Leben gehaltenen Pleitebank abgefunden. Und das waren keine Kleinaktionäre. Das waren Hedgefonds aus London, die wahrscheinlich ihr Glück über eine so großzügige Rettung nicht fassen konnten. Arroganz und Unverständnis in der Bankenaufsicht Am problematischsten ist die in Deutschland so weit verbreitete Arroganz und Besserwisserei. Probleme gibt es angeblich immer nur in anderen Ländern. Der Untersuchungsausschuss zur HRE spricht diesbezüglich Bände. Laut BaFin sowie Bundesfinanz¬ministerium war die HRE kerngesund und hätte niemals Probleme bekommen, wenn die Amerikaner nicht Lehman hätten pleitegehen lassen. Unmöglich hätte man eine Pleite der HRE voraussehen können. Wenn eine Bank tatsächlich kerngesund ist und nur kurzfristige Liquiditätsengpässe hat, ergibt es tatsächlich Sinn, ihr staatliche Garantien zur Verfügung zu stellen. Der gängige Maßstab dafür, ob eine Bank noch gesund ist, ist ihr Eigenkapital. Warum Eigenkapital so wichtig ist warum Banken mit so wenig Eigenkapital wirtschaften, und wie sie ihre Eigenkapitalquoten künstlich durch sogenannte Risikogewichtung schön rechnen, haben wir hier erklärt. Eigenkapital ist nicht gleich Eigenkapital Die HRE ist das beste Beispiel, warum die Risikogewichtung eine solche Unsitte ist, dass sie selbst die Bankenaufsicht in die Irre führt. Der damalige für Finanzmarktregulierung und Bankenaufsicht zuständige Staatssekretär im Finanzministerium Asmussen hat im Untersuchungsausschuss zur HRE, nachdem also das ganze Desaster schon längst transparent war, doch tatsächlich behauptet, dass die HRE völlig ausreichend kapitalisiert gewesen sei: ihre Eigenkapitalquote sei sogar höher als die der Deutschen Bank gewesen.5 Asmussen schaute dabei nur auf die risikogewichtete Eigenkapitalquote der HRE, die mit 9,4% leicht über dem gesetzlichen Minimum von 8% lag. Asmussen macht dabei gleich mehrere Fehler auf einmal: er vergleicht die HRE mit der notorisch schwach kapitalisierten Deutschen Bank – also Schlendrian mit Schlendrian. Doch selbst diese hatte 2007 eine höhere Quote als die HRE, nämlich immerhin 11,6%. Das eigentliche Problem der HRE war jedoch die Risikogewichtung, also die Tatsache das Banken bis heute über komplizierte Modellrechnungen eigene Maßstäbe für Eigenkapital festlegen dürfen. Die HRE konnte völlig legal eine risikogewichtete Eigenkapitalquote von 9,4% ausweisen, obwohl ihre ungewichtete Eigenkapitalquote bei lediglich 0,08% lag.6 Und dadurch, dass die Bankenregulierung nur die risikogewichte Eigenkapitalquoten forderte, war dies die einzige Maßzahl, die man anschaute – selbst Fachleute wie Staatssekretär Asmussen. Hätte er einmal auf die ungewichtete Quote geschaut, hätte er sofort gesehen, dass die Bank am Rande des Abgrunds stand. Eine Schuldenbremse für Banken ist notwendig und möglich Daher ist die von uns geforderte Schuldenbremse – eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 10% ¬– so wichtig. Wenn es sie vor der Finanzkrise schon gegeben hätte, hätte die HRE bei einer Bilanzsumme von 400 Milliarden Euro nicht mit lächerlichen 320 Millionen Eigenkapital wirtschaften dürfen. Dann hätte die HRE die 21 Milliarden Euro Verluste gut wegstecken können, die jetzt bei uns Steuerzahlern hängen geblieben sind. Und wer behauptet, dass 10% Eigenkapital unsere Banken hoffnungslos überfordern würde, muss sich nur einmal die Bilanzen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken ansehen. Die sind nämlich hochprofitabel und wirtschaften jetzt schon mit über 8% Eigenkapital. Wenn sie weiter ihre Gewinne einbehalten, haben sie bereits mehr als 10% Eigenkapital. Eine Finanzwende ist also möglich. Mit Sachverstand und Ihrer Unterstützung können wir die nötigen Veränderungen erzwingen. Machen Sie mit und tragen Sie sich jetzt für unseren Newsletter ein: E-Mail Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden