Gesucht: BaFin mit Biss

Die Rolle der BaFin bei illegalen Glücksspielen im Netz

09.07.2020
Michael Findeisen

Michael Findeisen war über viele Jahre als Referatsleiter im Bereich Geldwäsche und Zahlungsverkehr im Bundesministerium der Finanzen (BMF) tätig. Vor 2000 war er in der Bankenaufsicht (BAKred, jetzt BaFin) ebenfalls als Referatsleiter für Grundsatzfragen der Geldwäschebekämpfung zuständig. Er ist ein Experte auf den Gebieten Finanzkriminalität bzw. Organisierte Kriminalität und Finanzmarktregulierung. Warum Michael Findeisen sich als Finanzwende-Fellow engagiert, erfahren Sie in diesem Interview

Felix Hufeld, Chef der BaFin, werden die Augen zugehalten. An einem Spielautomat hängt an einer Leine gewaschenes Geld.
  • Online-Glücksspielplattformen sind sehr anfällig für Geldwäsche und deshalb in Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) verboten; trotzdem floriert das Geschäft.
  • Durch niedrige Steuersätze und günstige Lizenzvergabe ist das EU-Mitglied Malta ein Hotspot für Online-Glücksspielbetreiber.
  • Ein Grund für das Milliarden-Geschäft, das es eigentlich gar nicht geben dürfte, ist das zahnlose Auftreten der Aufsichtsbehörden, allen voran der BaFin: Ihr Nichtstun trägt dazu bei, das Modell Malta zu erhalten.
  • Es braucht vor Ort Sonderprüfungen, klare Vorgaben zu Nachbesserungen der Monitoringsysteme, und konsequentere Sanktionen.

Glücksspiele sind bekanntlich in der Schmuddelecke gefangen. Sie bergen neben der hohen Suchtgefahr auch reichlich Risiken in Sachen Finanzkriminalität und Geldwäsche. Online-Glücksspiele sind in Deutschland - abgesehen von Schleswig-Holstein, das das Online-Glücksspiel ausschließlich für holsteinische Landeskinder z.T. erlaubt – deshalb verboten. Dennoch beläuft sich das Geschäftsvolumen hierzulande nach konservativen Schätzungen aus den Jahren 2016 bis 2018 jährlich auf stolze 5 bis 9,4 Milliarden Euro. 

Ein Grund für das Milliarden-Geschäft, das es eigentlich gar nicht geben dürfte, ist das zahnlose Auftreten der deutschen Aufsichtsbehörden – allen voran der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin), die das Problem schlicht ignoriert. Die Spieleinsätze fließen massenweise über von ihr beaufsichtige Zahlungsdienstleister an Online-Glücksspielbetreiber mit Sitz im Ausland. Eingriffsmöglichkeiten, ja sogar die Pflicht zum Einschreiten hätte die Behörde durchaus nach den deutschen Aufsichtsgesetzen einschließlich des Geldwäschegesetzes. Sie unternimmt aber nichts.

Wie das Geschäft läuft

Alle Glücksspielbetreiber benötigen eine Lizenz, um ihre Spiele anbieten zu können, weil Verbraucher damit nur allzu leicht in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden. Das Angebot ist deshalb – einmal abgesehen von den staatlichen Lotterieprodukten und Sportwetten - hierzulande illegal und strafbar,

  • unabhängig davon, ob der Betreiber in Deutschland sitzt oder in einem anderen Staat,
  • unabhängig davon, ob der Betreiber in einem anderen Staat eine Lizenz hat.  

Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber den Markt regulieren und die übliche Begleitkriminalität wie beispielsweise Geldwäsche eindämmen. Das hat wenig genutzt. Die Glücksspielaufsicht der Länder berichtete im Jahr 2017, dass deutschen Spielern mehr als 730 Online-Glücksspielangebote zur Verfügung stünden. Seitdem hat sich die Zahl noch erhöht, obwohl diese Angebote strafbar sind. 

Tatsächlich hat sich im Netz längst eine Art Schattenwirtschaft für Zocker entwickelt. Das illegale Online-Kasino hat rund um die Uhr geöffnet – 24/7 wie es so schön heißt.  

Die Gründe liegen auf der Hand: Online-Glücksspiel ist für Geschäftemacher jeder Couleur eine lukrative Geldquelle – auch dann, wenn es nicht von kriminellen Organisationen betrieben wird. Denn Glücksspiel ist generell sehr anfällig für Geldwäsche. Kriminelle Organisationen müssen ihre illegalen Profite schließlich irgendwie waschen, das heißt: in den legalen Finanzmarkt schleusen. Online-Glücksspielplattformen eignen sich dafür hervorragend. Das Modell ist denkbar schlicht: Man verbucht einfach höhere Einnahmen als die tatsächlichen und schon gibt es eine legitime Einnahmequelle. 

Hotspot Malta

Einer der bevorzugten Standorte für Online-Betreiber ist das EU-Mitglied Malta. Der Inselstaat hat einen extrem niedrigen Steuersatz für dort registrierte Glücksspielbetreiber - und vergibt obendrein Glücksspiellizenzen zu niedrigen Gebühren. Dadurch wurde Malta zu einem europäischen Eldorado für Online-Glücksspiele. Die Glücksspiel-Industrie trägt zu unglaublichen 12 Prozent der maltesischen Wertschöpfung bei, dass entspricht einem BIP-Anteil der elfmal höher liegt als im EU-Durchschnitt. 

Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Malta profitiert von der Lizenzvergabe und den Steuereinnahmen, auf der anderen Seite nutzen kriminelle Organisationen wie die italienische Mafia die Struktur, um ihr Geld zu waschen. 

Die Verflechtungen reichen längst tief in die Elite Maltas. Eine Schlüsselrolle hat etwa Yorgen Finech, der größte Immobilienunternehmer Maltas, der nun als möglicher Auftragsgeber für die Ermordung der Journalistin Daphne Galizia festgenommen wurde. Er ist gleichzeitig Vorstandschef der Tumas Group, einem der größten Casino- und Online-Glücksspielbetreiber Maltas. Yorgen Finech pflegte beste Kontakte zur maltesischen Regierung und spielt eine Schlüsselrolle in einem Regierungsskandal um Geldwäsche und Korruption.

Und was hat die deutsche BaFin damit zu tun?

Ihr Nichtstun trägt dazu bei, das Modell Malta zu erhalten. Ohne die Geldflüsse über deutsche Banken und Zahlungsdienstleister könnten Online-Glücksspielbetreiber mit Sitz in Malta, darunter viele deutsche Anbieter, erst gar keine Profite aus dem illegalen Deutschlandgeschäft machen und Einfallstore für Geldwäsche nicht nutzen. Dennoch fließen Milliardenbeträge von Spielern unkontrolliert zu illegalen Online-Kasinos und, falls der Spieler gewinnt, auch mal andersherum. Recherchen des NDR und der Süddeutschen zu den Paradise Papers belegen solche Transaktionen über den Zahlungsabwickler Wirecard und andere Kreditinstitute wie PayPal, die DZ-Bank oder die Postbank. 

Und die BaFin? Die deutsche Aufsichtsbehörde schreitet trotz klarer rechtlicher Grundlagen nicht ein - und das, obwohl die von ihr beaufsichtigten Zahlungsdienstleister laufend gegen geltendes Recht verstoßen. 

Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ignorieren Zahlungsdienstleister gleich mehrere Regelungen: Sie verstoßen keineswegs nur etwa gegen das Mitwirkungsverbot des Glückspielstaatsvertrags der Länder, sondern auch gegen Vorschriften im Kreditwesengesetz (KWG), im Zahlungsdiensteaufsichtgesetz (ZAG) und im Geldwäschegesetz (GwG). Vorschriften, für deren Einhaltung die BaFin zuständig ist.

Der Glücksspielsektor wurde vom Bundesfinanzministerium, das die Aufsicht über die BaFin hat, in der ersten Nationalen Risikoanalyse 2019 als „hoch geldwäschebedroht“ eingestuft. Laut Geldwäschegesetz müssen Verpflichtete, in diesem Fall Zahlungsdienstleister, diese definierte Hochrisikokategorie in ihrem Risikomanagement berücksichtigen und solche Transaktionen, was technisch unproblematisch ist, herausfiltern. Die nationale Risikoanalyse des BMF, die für die Finanzdienstleister bindend ist, wird jedoch von der BaFin nicht eingefordert – und vor Ort von ihr nicht geprüft.     

Technische Sicherungssysteme gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität, die der Gesetzgeber vorgeschrieben hat, werden also nicht genutzt, um illegale Zahlungen nach Malta oder andere Staaten, wo illegale Online-Glücksspielbetreiber ihren Sitz haben, zu unterbinden. 

Zahlungsdienstleister und die BaFin kommen hier also ihren Funktionen als Verpflichtete und Aufseher nicht nach. Man überlässt das Problem schlicht der Glücksspielaufsicht, obwohl die Art der Gesetzesverstöße klar in den Aufgabenbereich der BaFin fällt – und auch Zahlungsdienstleister sich primär an diese Regeln halten müssen. 

Verpflichtung der BaFin

Und auch die Instrumente sind da. Die technischen und organisatorischen Maßnahmen für einen Stopp des Zahlungsverkehrs in Bezug auf illegale Online-Glücksspiele sind verpflichtend und sollten bei allen Zahlungsdienstleistern bereits bestehen. Es geht also nicht darum, Neues zu schaffen, sondern Bestehendes konsequent umzusetzen. Die BaFin hat die gesetzlichen Befugnisse einzugreifen und könnte durch einen Verwaltungsakt durchsetzen, dass die betroffenen Unternehmen ihre Systeme an den Risikofaktor Online-Glücksspiel anpassen müssen. Mit einer so genannten Allgemeinverfügung könnte sie sogar gleich gegen mehrere Institute vorgehen. 

Finanzwende erwartet zwei Schritte von der BaFin:

  1. Die BaFin muss ihren aufsichtsrechtlichen und geldwäscherechtlichen Pflichten nachkommen, um diesen Missstand in der deutschen Kreditwirtschaft abzustellen. Konkret heißt das: vor Ort Sonderprüfungen und klare Vorgaben zu Nachbesserungen der Monitoringsysteme.
  2. Finanzdienstleister und Interessenverbände müssen von der BaFin informiert werden, dass Verstöße gegen geltendes Recht konsequent sanktioniert werden.

Nur durch ein starkes Auftreten der Finanzaufsicht BaFin kann dem illegalen Online-Glücksspiel ein Riegel vorgeschoben werden. 

Ausführliche Analyse von Michael Findeisen „Wegschauen als Aufsichtsziel der BaFin“

  • Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und deren Aufsichtsdefizite bei Zahlungsdiensten im illegalen Online-Glücksspiel - hier klicken

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