So geht grünes Konjunkturpaket

15.05.2020
Henning Peters
Deutschland gießt Geld auf Autos und Flugzeuge. Davor ist ein Stoppschild.

Ob Auto- oder Flugindustrie: Sie alle rufen laut nach Wirtschaftshilfen und weitere fossile Industrien werden folgen. Dabei verbitten sie sich gleichzeitig staatliche Einmischungen in ihr Geschäftsmodell. Andere Länder machen vor, wie Corona-Hilfen an Auflagen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit geknüpft werden können.

Grüne Wirtschaftshilfen sind nicht nur besser fürs Klima, sie schaffen auch mehr Arbeitsplätze, bringen höhere kurzfristige Renditen und sparen langfristig mehr Kosten als traditionelle Wirtschaftshilfen – das haben ForscherInnen der Universität Oxford anhand von Daten aus der Weltfinanzkrise 2008 errechnet. Am schlechtesten schnitten Rettungsprogramme für Fluglinien ab – sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Die bisher beschlossenen Soforthilfen in Deutschland enthalten keinerlei Auflagen für eine „grüne“ Neuausrichtung der Wirtschaft, während ein paar unserer Nachbarländer zumindest zum Teil mit gutem Beispiel vorangehen. Doch ist es absolut fundamental, bereits beschlossene wie auch künftige Wirtschaftshilfen an ökologische Bedingungen zu knüpfen, denn: Die Wirtschaftshilfen haben allein aufgrund ihres Volumens das Zeug dazu, die Weichen hin zu einer sozial gerechten und ökologischen Zukunft oder zurück in die fossile Vergangenheit zu stellen.

Deutschland ist Fossil-Förderer Nr. 1 in der EU

Ein Balkendiagramm zur Umweltfreundlichkeit von Konjunkturhilfen in der EU im Vergleich
Untersucht wurden die bisherigen Wirtschaftshilfen der größten Ökonomien hin zu mehr und weniger Nachhaltigkeit. Stand: 28. April.

Verkehrswende beschleunigen

Eine der ersten Soforthilfen durch die Bundesrepublik Deutschland war ein millionenschwerer Staatskredit für den Ferienflieger Condor – eine Rettungsaktion ohne Umweltauflagen. Frankreich hingegen macht vor, dass es auch anders geht: Zwar fließen auch hier Milliarden an Euro, im Gegenzug aber soll Air France „zur nachhaltigsten Airline der Welt werden“, so der zuständige Minister. Ein Großteil der französischen Inlandsflüge wird eingestellt werden und bis 2030 muss die Fluggesellschaft die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer um 50 Prozent reduzieren. Die österreichische Mobilitäts- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte, Klimaschutz müsse Teil der Gegenleistungen für eine staatliche Rettung der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines sein, während ökologische Bedingungen für die Lufthansa-Rettung seitens der deutschen Bundesregierung bisher nicht anklingen.

Statt zur Belebung der Konjunktur Neuwagen zu subventionieren, sollen die Franzosen zum Fahrradfahren motiviert werden. Dazu erhält jedeR BürgerIn einen Reparatur-Gutschein im Wert von 50 Euro. Zwar ist der Betrag eher symbolisch, doch beinhaltet er ein staatliches Bekenntnis zur Verkehrswende. Von Seiten der Bundesregierung mangelt es bislang an ähnlichen Vorstößen. Im Gegenteil: Gleich mehrere Ministerpräsidenten forderten eine Neuauflage der Abwrackprämie – ein ökologisches Desaster, das unter dem Hashtag #abfckprämie zurecht scharf kritisiert wurde.

Staatshilfen nur unter Auflagen

Während dem Staat in der Regel Mitsprache- und Informationsrechte an der Unternehmensstrategie eingeräumt werden, wenn er Aktienanteile übernimmt, müssen staatlich gewährte Kredite, Garantien und Subventionen mit Auflagen verbunden werden. Die Unternehmen können beispielsweise dazu angehalten werden, einen Klimaplan zu erstellen und einzuhalten – andernfalls müssten Staatshilfen ganz oder teilweise zurückgezahlt werden. Sowohl konkrete Verpflichtungen wie z.B. der Abbau von Kurzstreckenflügen in der Luftfahrt oder das Ende des Verbrennungsmotors in der Automobilindustrie, als auch langfristige Ziele wie Klimaneutralität 2035 sind mögliche Vertragsinhalte. Spanien beispielsweise hat die Kreditvergabe an Großkonzerne mit Bedingungen zum ökologischen Umbau verknüpft.

Selbst US-Präsident Donald Trump verpflichtete gerettete Firmen, mehrere Jahre lang keine Dividenden auszuzahlen und Managerboni zu streichen. Firmen, die in Schweden Dividenden an AktionärInnen zahlen, erhalten ab sofort kein Kurzarbeitergeld mehr vom Staat. In Deutschland sieht das anders aus. Und Polen, Dänemark und Frankreich stellten bereits klar, dass sie Firmen von Rettungen ausschließen wollen, die Profite in Steueroasen verschieben. Auch in Deutschland haben sich Grüne, SPD und die Linke solchen Forderungen angeschlossen. Es besteht dringender Handlungsbedarf: Wie eine Recherche der Süddeutschen Zeitung zeigt, haben alle 30 DAX-Konzerne Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern. Doch hierzulande Steuern zu vermeiden, um anschließend von Staatsgeldern zu profitieren – das ist unanständig und darf von der Regierung nicht akzeptiert werden.

Ausbau der Erneuerbaren

Die Wissenschaft ist sich erstaunlich einig darüber, dass Investitionen in erneuerbare Energien die sinnvollste Krisenmaßnahme überhaupt sind. Da der Bau von Wind- oder Solarfarmen sehr arbeitsintensiv sei, können hier vergleichsweise viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch die energetische Sanierung von Gebäuden und klimafreundliche Mobilität stehen auf der Liste an Maßnahmen, die gleichzeitig die Konjunktur fördern und das Klima schützen.

Jetzt ist die Bundesregierung am Zug: Staatsgelder dürfen nur unter sozialen und ökologischen Kriterien fließen. Die klimafreundlichen Branchen der Zukunft sollten mit den Wirtschaftshilfen einen kräftigen Schubs erhalten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastbeitrag im Finanzwende-Blog. Die jeweiligen Autoren geben nicht zwangsläufig Finanzwende Positionen wieder.