5 Fakten zu den Bankenturbulenzen

Was 2023 an 2008 erinnert – und was sich jetzt ändern muss

23.03.2023
Video: Credit Suisse – Die gebrochenen Versprechen der Finanzkrise

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  • Neben der US-amerikanischen Silicon Valley Bank strauchelte auch die Schweizer Credit Suisse. In beiden Fällen griffen Regierungen rettend ein.
  • Oft heißt es, der Finanzsektor sei heute besser gegen Schocks gewappnet und habe aus der Finanzkrise 2008 gelernt.
  • Doch fünf Fakten der jüngsten Entwicklungen zeigen: Viele Probleme aus 2008 sind leider noch da.

Fast 15 Jahre ist die Pleite der Lehman Brothers Bank her. Sie hatte die letzte globale Finanzkrise so richtig losgetreten. Doch im März 2023 häufen sich erneut die Nachrichten von strauchelnden Banken, Rettungsaktionen im Hauruckverfahren und Milliarden an Staatsgarantien. 

Am 10. März 2023 kam die erste Schreckensnachricht: Die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB) brach zusammen. Viele Kund*innen wollten gleichzeitig ihr Geld abziehen – und die Bank konnte diesen sogenannten Bank Run nicht bedienen. Die US-amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC und die Zentralbank Fed sprangen ein, um weiteren Schäden vorzubeugen.

Nur wenige Tage später neue Turbulenzen in der Finanzwelt: Auch die Schweizer Großbank Credit Suisse strauchelte. Ihre Probleme hingen zwar nicht direkt mit der SVB-Pleite zusammen, doch die seit Jahren kriselnde Bank  wurde von der allgemeinen Panik an den Finanzmärkten erfasst. Nachdem die Credit Suisse öffentlich um Hilfe bat, vermittelten die Schweizer Regierung und ihre Zentralbank, die Schweizer Nationalbank, eine Fusion mit der größten Schweizer Bank UBS. Durch diesen Deal entsteht eine neue Riesenbank.

Viele Finanznews für einen kurzen Zeitraum – schwierig, da den Überblick zu behalten. Fünf Erkenntnisse sollten Sie aus den Entwicklungen aber auf jeden Fall mitnehmen – zeigen sie doch eindrücklich, warum im Vergleich zu 2008 kaum etwas wirklich besser geworden ist.


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1 | Viele Banken sind immer noch „too big to fail“.

Die zentrale Erkenntnis aus der globalen Finanzkrise 2008: Banken müssen pleitegehen können, ohne das gesamte Wirtschaftssystem mitzureißen. Ihre riskanten Geschäftspraktiken sollten nicht erneut am Ende mit Steuergeld abgesichert werden wie in den spektakulären Rettungsaktionen damals. 

Doch die Pleite der Silicon Valley Bank zeigt: Wenn sich die Einlagen quasi eines kompletten Sektors – in diesem Fall des Tech-Sektors der USA – in einer Bank konzentrieren, wird sie systemrelevant. Dafür muss sie nicht einmal besonders groß sein. Die Credit Suisse hingegen war laut internationaler Finanzaufsicht eine der 30 systemrelevanten Banken. Beide Banken waren am Ende des Tages „too big to fail“ – zu zentral, um sie abzuwickeln – obwohl es das ja eigentlich nicht mehr geben sollte. Und mit der neuen Riesenbank aus UBS und Credit Suisse (beide Banken waren schon einzeln systemrelevant) entsteht eine noch größere Akteurin, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz.

2 | Bankenrettungen mit Steuergeld sind gebrochene Versprechen.

Die Schweizer Regierung und Nationalbank betonen, die Fusion der Credit Suisse mit der USB sei eine „kommerzielle Transaktion“ und kein Bail-out, also keine staatliche Rettung, wie wir sie aus 2008 kennen. Für Finanzwende und viele andere Finanzexpert*innen ist derweil klar: Was wir sehen, ist eine Bankenrettung. 

Damit die Fusion von UBS und Credit Suisse überhaupt zustande kommen konnte, hat die Schweizer Regierung direkte Hilfe aus Steuermitteln zugesagt und sogar im Eilverfahren Gesetze geändert. Die Steuerzahlenden haften nun mit neun Milliarden Franken für mögliche Verluste aus Geschäften der Credit Suisse. Die verantwortlichen Politiker*innen haben ihre Versprechen gebrochen, für Stabilität zu sorgen.

Eine Verbesserung gegenüber 2008 wollen wir Ihnen aber nicht vorenthalten: Zumindest die Besitzer*innen bestimmter Anleihen der Credit Suisse (sogenannte Nachranganleihen) wurden nicht mit Steuergeld gerettet. 

Aktuelle Petition

3 | Die Zentralbanken sind so zentral wie noch nie.

Das historische Ausmaß der Zentralbankrettungen ist kaum zu unterschätzen. Sowohl bei der Credit-Suisse-Rettung als auch in den USA mussten die Zentralbanken massiv intervenieren, um die Panik der Marktakteur*innen zu beruhigen.  

In den USA beschloss die Fed ein Sonderprogramm, um die Banken liquide (zahlungsfähig) zu halten. Banken bekommen im Gegenzug für bestimmte Anleihen Zentralbankgeld. In der Regel müssen sie bei solchen Geschäften Abschläge zahlen. Darauf verzichtet die Fed nun – sie nimmt das Kursrisiko auf die eigene Bilanz. 

Auch die Schweizer Nationalbank sagte 200 Milliarden Franken Liquiditätshilfe für die UBS-Credit-Suisse-Fusion zu – ohne Sicherheiten von der neuen Riesenbank zu fordern. Allerdings ist dabei noch unklar, wie viel Geld tatsächlich benötigt wird. 

Zentralbanken sind schon länger zur Krisenfeuerwehr für jegliche Finanzprobleme geworden: Im Herbst 2019 führten, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, Probleme am US-Repo-Markt, im März 2020 ein Kursverfall US-amerikanischer Staatsanleihen und im Oktober 2022 Probleme britischer Pensionsfonds ebenfalls zu Rettungsaktionen von Zentralbanken.

4 | Eine wichtige Kennzahl ist der Anteil ungeschützter Einlagen.

Auch wenn Credit Suisse und Silicon Valley Bank unterschiedliche Probleme hatten, sie hatten offenbar auch eine Gemeinsamkeit: Beide Banken besaßen einen besonders hohen Anteil ungeschützter Einlagen. Schätzungen zufolge waren bei der Silicon Valley Bank 96 Prozent aller Einlagen ungeschützt, bei Credit Suisse 85 Prozent. Das ist sehr ungewöhnlich. Zum Vergleich: Diese Quote liegt bei der Commerzbank bei circa 45 Prozent, bei Sparkassen sogar nur bei 20 Prozent.

Eine hohe Quote ungeschützter Einlagen befeuert Spekulationen um die Stabilität einer Bank. Selbst bei geringen Krisenanzeichen droht der abrupte Abzug vieler Einlagen, da Kund*innen ihr Geld möglichst schnell sichern wollen. Und die Turbulenzen zeigen: Viele ungeschützte Einlagen können Rettungsaktionen noch dringlicher machen. 

Im Fall der Silicon Valley Bank schützte die US-Einlagensicherung FDIC sogar selbst Einlagen jenseits der eigentlichen Grenze von 250.000 US-Dollar – und schuf damit womöglich einen unbequemen Präzedenzfall für die nächste Pleite. Und auch bei der Fusion der Credit Suisse mit UBS war einer der Hauptgründe sicherlich, die vielen ungeschützten Einlagen zu sichern. 

5 | Die gängigen Standards reichen nicht.

Die Credit Suisse ist seit Jahren von Skandal zu Skandal gestolpert: Da sind zum Beispiel ihre massiven Verluste im Zuge der Insolvenzen der Greensill Bank und des Archegos Hedgefonds. Oder die sogenannten Swiss-Leaks, die im Frühjahr 2022 eine ganze Reihe schmutziger Geschäfte mit Kleptokrat*innen und Oligarch*innen offenbarten. Dass die Bank in der angespannten Marktlage strauchelt, ist also nicht überraschend, sondern auch Folge staatlichen Versagens in Aufsicht und Regulierung. 

Skandale der Credit Suisse seit 2020

Eines ist klar: Die gängigen Standards reichen vorne und hinten nicht. Denn die Credit Suisse hatte die regulativen Mindestvorgaben erfüllt – sie hatte 5,4 Prozent Eigenkapital und eine Liquiditätsrate von 150 Prozent. Am Ende sah sich der Staat dennoch gezwungen, einzugreifen, weil der Zusammenbruch der Bank offenbar kurz bevorstand. Die Angst vor einem Vertrauensverlust für den Finanzplatz Schweiz war wohl zu groß, als dass man die geordnete Abwicklung riskieren wollte. Die Bankentestamente, die eigentlich für den Fall einer Schieflage einen Fahrplan vorsehen, wurden im Fall Credit Suisse offenkundig nicht genutzt. 

Das bedeutet: Die Lehren aus 2008 sind immer noch nicht gezogen worden. Und: All das kann auch in Europa und Deutschland passieren. Auch hier reichen die aktuellen Regulierungen nicht aus. Die Versprechen aus 2008 sind größtenteils verpufft. Das muss sich endlich ändern.

Regulierungsansätze über die Jahre

Deshalb fordern wir in einer Petition an Bundesfinanzminister Christian Lindner, wichtige Finanzmarktreformen auf den Weg zu bringen: höhere Kapitalpuffer bei Banken, eine europäische Abwicklungs- und Einlagensicherungsbehörde mit deutlich mehr Befugnissen und eine Trennung von Investment Banking und sonstigem Bankgeschäft, um Notsituationen wie die bei der SVB und der Credit Suisse gar nicht erst entstehen zu lassen.

Aktuelle Petition