Achtung Kreditfalle! – Studie für die Bürgerbewegung Finanzwende zur Kreditvergabe in Deutschland

14.02.2019

Zur Studie:

Für die Studie wurden deutschlandweit 94 Kreditvergabetests bei den wichtigsten Anbietern im stationären, bankseitigen Ratenkreditvertrieb (Santander, Targo, VR-Banken, Sparkasse, Sparda, Postbank, Commerzbank, Deutsche Bank, Hypovereinsbank) im Mysteryshopping-Format durchgeführt. Daraus entstanden 166 konkrete Vertragsangebote. Die Studie ist damit die wohl umfassendste Veröffentlichung ihrer Art, aber nicht repräsentativ im statistischen Sinne. Die Ergebnisse lagen ZEIT ONLINE und dem ARD-Magazin Panorama exklusiv vor.

Ergebnisse im Detail:

  1. Zinssätze

Banken sprechen in ihrer Werbung gerne von fairen, individuellen und transparenten Angeboten. Doch die von uns beauftragte Studie zeigt anhand mehrerer Fälle, dass man diesen Versprechen nicht flächendeckend Glauben schenken kann:

  • In 53 der erhaltenen Angebote belaufen sich die Zinsen auf mindestens das Doppelte des gängigen Marktzinses unter Berücksichtigung der Restschuldversicherung. In vielen solcher Fälle wäre es wohl sogar noch günstiger gewesen, einfach den Dispo- oder gar Überziehungskredit in Anspruch zu nehmen.
  • Trotz der aktuellen Niedrigzinsphase müssen Menschen in mehreren Fällen über zwanzig Prozent Effektivzinsen zahlen, wenn die Kosten für die Restschuldversicherung einberechnet werden.
  • Die Höchstwerte betragen bei den Effektivzinsen inklusive Restschuldversicherung
    • bei Laufzeiten bis fünf Jahre knapp 23 Prozent,
    • bei Laufzeiten ab fünf Jahre 25 Prozent.
  • In einem Fall hätte eine Person über 7 Jahre praktisch das Doppelte zurückzahlen müssen, was sie am Anfang als Kredit aufgenommen hatte.
  • Bei drei Vertragsangeboten wurde schon ohne Restschuldversicherung mehr als das Doppelte des Marktzinses verlangt, was zumindest als wucherisch bezeichnet werden kann.

2. Probleme im Vertrieb

Bei den Verkaufsgesprächen traten umfassende Probleme zu Tage. Die Bankangestellten erhoben oft nur wenige Eckdaten und verließen sich bei der Analyse der Einnahmen und Ausgaben im Übrigen auf statistische Werte, ohne die tatsächliche finanzielle Situation durch Rückfragen zu klären.

  • Im Durchschnitt erfüllten die Banken die Prüfpunkte im Bereich Ausgaben/Einnahmen nur zu zwei Dritteln
  • Geprüfte Aspekte hinsichtlich der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben wurden von den getesteten Banken zu fast 90 Prozent nicht erfüllt
  • Auch der Vertrieb der oftmals überteuerten Restschuldversicherungen ist intransparent und unzureichend. In der Mehrzahl der Fälle wurde bspw. nicht geprüft, ob es nicht schon bestehende Versicherungen gibt, welche die Risiken abdecken.

3. Vorwürfe gegen Institute

  • Die Santander Bank schneidet nach Ergebnissen unserer Studie beim Vertrieb besonders schlecht ab. In 80 Prozent der Tests, bei denen eine Restschuldversicherung angeboten wurde, wurde laut der Studie bei der Bank Druck oder Zwang zum Abschluss dieser Versicherung ausgeübt. Offensichtliche Risiken (z. B. kostspieliger Pflegefall in der Familie, der Ausfall eines KFZ) die im Beratungsgespräch vom Kunden nachdrücklich eingebracht wurden, wurden laut der Tester nicht berücksichtigt. In 9 von 11 Fällen gab es auch keinerlei Rückfragen zu den Ausgaben.
  • Im Rahmen der Studie stechen die Targobank, Postbank und Volks- und Raiffeisenbanken bei der Höhe der Zinssätze negativ heraus. Hier gab es bei der deutlichen Mehrzahl der Tests Effektivzinsen inklusive der Restschuldversicherung, die mindestens 100% über dem Marktzins lagen und damit als wucherisch bezeichnet werden können.

Statement Gerhard Schick, Vorstand Bürgerbewegung Finanzwende

„Die Ergebnisse unserer Tests sind erschreckend. Wer den Versprechen der Banken von guten Konditionen blind Vertrauen schenkt, kann leicht in der Kreditfalle landen. Angesichts der Niedrigzinsphase sind die in vielen Testfällen extrem hohen Zinssätze unanständig. Denn sie würden die Lage der betroffenen Kunden schamlos ausnutzen. Die unzureichende Kreditprüfung bei fast allen Testkäufen ist ein Indiz dafür, dass immer wieder Banken die finanzielle Überforderung ihrer Kunden in Kauf nehmen, Hauptsache die Rendite stimmt. Offensichtliche Hinweise, dass finanzielle Belastungen der Testkunden bevorstehen könnten, wurden viel zu oft einfach nicht berücksichtigt. Das ist unverantwortlich, weil so Menschen in die Überschuldungsfalle geraten können. Banken sollten ihren Kunden helfen, Finanzprobleme zu lösen, statt sie durch überteuerte Kredite in finanzielle Probleme zu treiben. Die krassesten Fälle bezüglich der Zinskonditionen im Rahmen der Studie fanden wir bei der Targobank, Postbank und Volks- und Raiffeisenbanken. Die Tests zeigen, dass die Santander Bank bei der durchschnittlich bereits schlechten Qualität der Verkaufsgespräche nochmal besonders negativ aufgefallen ist.  Kunden, die einen Kreditabschluss planen, sollten deshalb ihre Angebote sorgfältig prüfen, denn es heißt: Achtung Kreditfalle!“   

Hintergrund:

Anbieter von Konsumentenkrediten werden in Deutschland seit Jahren regelmäßig von Seiten des Verbraucherschutzes hinsichtlich der Beratungsqualität, der Kosten und des Verkaufs unnötiger Zusatzprodukte kritisiert. Insbesondere Menschen mit geringem Einkommen sind von ungeeigneten Kreditangeboten betroffen. Die teilweise daraus resultierende Überschuldung ist über die letzten Jahre nach und nach zu einem Massenphänomen geworden. Im Oktober 2018 waren rund sieben Million Menschen überschuldet.

Die komplette Studie finden Sie unter dem folgenden Link.
Konkrete Fallbeispiele finden Sie unter folgendem Link.

Für Fragen zur Studie oder für die Vereinbarung von Interviewterminen können Sie gerne auf uns zukommen.

Über die Bürgerbewegung Finanzwende:
Die Bürgerbewegung Finanzwende ist ein gemeinnütziger Verein. Wir sind eine unabhängige Interessenvertretung von und für Bürgerinnen und Bürger. Durch Kampagnen, finanzpolitische Bildungsarbeit und kritische Recherchen kämpfen wir für ein gemeinsames Ziel: Die Finanzwende – damit die Finanzwirtschaft den Menschen dient.