Standpunkt: Klimaschutz geht nur mit Finanzwende

04.05.2022
Daniel Mittler

Daniel Mittler ist seit April 2021 Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. Zuvor war er elf Jahre lang der Politische Direktor von Greenpeace International.

Neben Greenwashing droht vor allem ein Zuviel an Finanzmärkten die sozial-ökologische Transformation zu untergraben.

Wir Deutschen haben die uns zustehenden ökologischen Ressourcen für 2022 mit dem heutigen Tag schon aufgebraucht. Damit sich unsere Übernutzung der Natur nicht weiter fortsetzt, müssen die Finanzmärkte fundamental reformiert werden.

Auf den ersten Blick scheint der Finanzsektor neuerdings ein „Partner für Nachhaltigkeit“ zu sein. Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich zum Beispiel das Vermögen von „nachhaltigen“ Fonds in Deutschland fast verdoppelt. Ein näherer Blick aber zeigt: In Wahrheit wird das als „nachhaltig“ deklarierte Geld quasi genauso angelegt wie das „nicht nachhaltige“. Bei einer Untersuchung von 314 Aktienfonds mit einem Volumen von etwa 100 Milliarden Euro kam heraus, dass weder besonders problematische Unternehmen noch schädliche Sektoren bei diesen Fonds oft ausgeschlossen werden.

Unregulierte Finanzmärkte bleiben ein Problem an sich

Dieses Greenwashing ist falsch, aber noch nicht einmal der größte Bremsklotz, den Finanzmärkte der sozial-ökologischen Transformation in den Weg stellen: Denn der Finanzsektor beschäftigt sich immer mehr mit sich selbst. Über 70 Prozent der Aktivitäten europäischer Banken sind gar nicht auf die Kreditvergabe an Haushalte oder die Realwirtschaft ausgerichtet! In anderen Worten: Banken stecken mehr Energie in Derivate, Investmentbanking und Hochfrequenzhandel, als dass sie darüber nachdenken, ob ihr Geld in Wärmepumpen oder Kohle fließt. Die Selbstbeschäftigung des Finanzsektors sorgt für Instabilität und wiederkehrende Krisen und macht den Sektor zu einem unzuverlässigen Partner für die Transformation.

Wir brauchen Ausstiegsoptionen

Die Notwendigkeit, den Finanzsektor neu zu regulieren und damit zu schrumpfen, muss deswegen dringend Teil der Nachhaltigkeitsdiskussion werden. Vorschläge, die eine Schrumpfung und Neuausrichtung des Finanzsektors zur Folge hätten, gibt es zu Genüge: Seien es strengere Kapitalanforderungen an Banken, ein Austrocknen von Schattenfinanzzentren oder ein Vertriebsverbot komplexer Produkte für Kleinanleger*innen. Nichts anderes als ein Ausstieg aus vielen Finanzaktivitäten ist notwendig, um den Finanzsektor zum Dienstleister einer sozial-ökologischen Transformation zu machen.

Ohne umfassende Finanzwende keine Klimagerechtigkeit.

Leider findet sich zur grundlegenden Neuregulierung und Schrumpfung des Finanzsektors nichts in den Plänen der Ampelregierung. Und auch große Teile der Umweltbewegung argumentieren oft so, als ginge es nur darum, Geld von fossilen in erneuerbare Energien umzulenken. Das wird aber für eine sozial-ökologische Transformation nicht reichen. Ohne umfassende Finanzwende keine Klimagerechtigkeit.