Standpunkt: Abwicklung von Lebensversicherung kostet Vertrauen

15.07.2022
Britta Langenberg

Britta Langenberg ist Versicherungsexpertin bei Finanzwende und betreut den Bereich Verbraucherschutz sowie Versicherungs- und Vorsorgethemen. Sie ist gelernte Wirtschaftsjournalistin und hat lange für renommierte Magazine gearbeitet, etwa für Finanztest (Stiftung Warentest) und Capital. 

Versicherer verspielen mit dem Verkauf von Lebensversicherungen an Dritte viel Kundenvertrauen.

Die Axa kündigt an, rund 900.000 Verträge an den Abwickler Athora weiterzureichen. Vor drei Wochen hatte schon die Zurich - nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit - gut 720.000 Lebensversicherungen an den Abwickler Viridium verkauft. Und die Versicherten? Sollen sehen, wo sie bleiben.

Der Verkauf von großen Versicherungsportfolios will nicht enden. Mit der Axa und der Zurich reichen nun zwei weitere Versicherungsriesen unliebsame klassische Vertragsbestände an eine externe Abwicklungsgesellschaft weiter. Die Finanzaufsicht muss noch zustimmen, doch die Generali hatte so einen Deal 2019 schon vorgemacht.

Die Vorteile für die Verkäuferseite liegen auf der Hand: Sie gewinnt finanziellen Spielraum, weil sie weniger Geld für einst zugesagte Zinsgarantien vorhalten müssen. Für die Versicherten, so wird gern beteuert, ändere sich nichts: Service, Garantien und Verantwortung übernimmt jetzt halt jemand anderes.

Für Versicherte, die sich für Jahrzehnte ein Unternehmen gebunden haben, sind solche Deals ein Schlag ins Gesicht.

Für Versicherte, die sich für Jahrzehnte an ein Unternehmen gebunden haben, sind solche Deals ein Schlag ins Gesicht. Die flotten Sprüche der Versicherungsfirmen („Zukunft beginnt mit Zurich“) müssen ihnen wie Hohn erscheinen.

Und ob die ewigen Versprechungen eintreten, ist fraglich. Man könne auf „die gewohnten Services vertrauen“, heißt es etwa bei der Zurich. Tatsächlich weisen viele Gesellschaften in Abwicklung, auch bei Viridium, die mit Abstand höchsten Kundenbeschwerdequoten bei der Finanzaufsicht BaFin auf.

An Beschwichtigungen mangelt es nicht: Für die Kundschaft sei der Verkauf ihrer Verträge „kein Problem“, trompetet etwa der Versichererverband GDV. Was vermeintliche Chancen angeht, übt man sich aber lieber im Gebrauch des Wortes „kann“. Kann so kommen – oder auch nicht.

Klar, garantierte Summen müssen Abwicklungsgesellschaften bei den Versicherten abliefern. Zum ganzen Bild gehört aber auch, dass kein Mensch allein wegen dieser Garantien abgeschlossen hätte. Langfristig geht es um Überschüsse, die on top kommen – und da tut sich bisher bei Viridium wenig. So liegt die laufende Gutschrift ehemaliger Generali-Kund*innen bis heute wie ein Brett bei kargen 1,25 Prozent.

Was dieses Geschäftsmodell die Versicherten kostet, zeigt sich erst, wenn die Zinsen steigen und es anderswo wieder Überschüsse gibt.

Bisher kann niemand sagen, ob die Ideen der Abwicklungsgesellschaften aufgehen – auch für die Versicherten. Viridium zum Beispiel hat wenig Anreiz, durch pfiffige Kapitalanlage hohe Überschüsse zu erwirtschaften. Dort liegt der Fokus darauf, günstig zu verwalten. Was dieses Geschäftsmodell die Kundschaft kostet, zeigt sich erst, wenn die Zinsen steigen und es anderswo wieder Überschüsse gibt. Der Zinsanstieg wird somit zum Lackmustest.

Vertrauen haben Zurich, Axa und Co. allemal verspielt, auch bei neuen Kund*innen. Wer will sich schon für 30 Jahre an jemanden binden, der sich in schwierigen Zeiten aus der Pflicht stiehlt?