Sachsen LB

Von einer Bank mit öffentlichem Auftrag zum Milliardengrab

09.12.2019

Es war nur wenige Wochen nach der Milliardenrettung der IKB als am 26. August 2007 die Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) notverkauft werden musste. Wie die IKB war auch die Sachsen LB in den Strudel der US-Hypothekenkrise geraten. Sie stand vor der Insolvenz. Die Steuerzahler*innen mussten das Desaster mit bisher 2,3 Milliarden Euro[1] teuer bezahlen. Wie konnte es dazu kommen?

Die Gründung der Sachsen LB erfolgte im Jahr 1991 unter der Zuschreibung folgender Tätigkeiten.[2] Sie soll Aufgaben einer Art Zentralbank für die sächsischen Sparkassen wahrnehmen und als Staats- und Kommunalbank fungieren. Darüber hinaus soll sie als Geschäftsbank insbesondere die Wirtschaft im Freistaat mit Bankdienstleistungen versorgen. Die Sparkassen soll sie unterstützen und dazu beitragen, dass diese im Wettbewerb mit Privat- und Genossenschaftsbanken auch künftig ihren öffentlichen Auftrag erfüllen können. Weitere Aufgaben bestehen im Schuldenmanagement für Kommunen.

Doch das Geschäftsmodell funktionierte nicht. Die Zusammenarbeit mit den Sparkassen entwickelte sich nicht in dem Maße wie gehofft.[3] Gleiches galt für das Geschäft mit dem sächsischen Mittelstand.[4] Hinzu kam der sich abzeichnende rechtliche Wegfall der Gewährträgerhaftung. Damit ist die staatliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Sachsen LB gemeint. Dadurch wäre es für die Sachsen LB teurer geworden, sich am Markt zu refinanzieren, weil der Staat eben nicht mehr für ihre Schulden haftet. Dadurch wäre ein wichtiger Wettbewerbsvorteil abhandengekommen. Insgesamt herrschte in der Sachsen LB und im sächsischen Finanzministerium die Auffassung, dass der öffentliche Auftrag und der damit verbundene Heimatmarkt keine ausreichende Ertragsbasis bieten würde.

Also wurde das Aufgabenspektrum der Landesbank erweitert. So erlaubte eine Satzungsänderung der Sachsen LB ab Juni 1997 das Geschäft mit Finanzinnovationen und -derivaten. Ferner wurde die enge Bindung der Geschäftspolitik an den öffentlichen Auftrag aufgegeben: Die Bank durfte nun auch alle „sonstigen Geschäfte“ betreiben, „die den Zwecken der Bank dienen“.[5]

Der Bankvorstand nutzte den neuen Spielraum für eine strategische Neuausrichtung: 2001 schlug er dem Verwaltungsrat vor, die Sachsen LB zu einer Kapitalmarktbank umzubauen. Dabei wurde allerdings nicht klar, inwiefern das neue Geschäftsmodell mit den Landesinteressen vereinbar sei. Das war höchst problematisch, denn nur dann ist dem Freistaat eigentlich eine unternehmerische Betätigung erlaubt.[6] Allein die Absicht, Gewinne zu erzielen, stellt kein ausreichendes Landesinteresse dar, wie der Landesrechnungshof später festhielt. Auch legte der Vorstand keine zahlenmäßige Planung des Strategiewechsels vor. Doch trotz der gravierenden Mängel und Leerstellen stimmte der Verwaltungsrat, der eigentlich die Ausrichtung der Bank bestimmen und Kontrolle ausüben sollte, der Neuausrichtung zu.

Zur Umsetzung des neuen Geschäftsmodells wurde bereits 1999 eine Tochtergesellschaft in Dublin gegründet, die Sachsen LB Europe plc (SLBE). Der Vorstand der Sachsen LB stattete die SLBE mit einer sogenannten harten Patronatserklärung aus, was sich noch als folgenschwerer Fehler erweisen wird. Damit haftete die Sachsen LB und damit der Freistaat Sachsen für sämtliche Verbindlichkeiten der SLBE.[7]

Die SLBE gründete fortan eine Reihe von außerbilanziellen Zweckgesellschaften (sogenannte Conduits oder Strucured Investment Vehicles – SIV), die sie nach Straßennamen und Plätzen in Dublin benannte. Der wichtigsten Gesellschaft, Ormond Quay, gewährte SLBE und Sachsen LB Garantien in Höhe von maximal 43 Milliarden Euro – nahezu dem dreifachen des sächsischen Staatshaushalts. In Kombination mit der Patronatserklärung trug nun der Freistaat Sachsen das gesamte wirtschaftliche Risiko dieser Zweckgesellschaft.[8]

Das Volumen der irischen Zweckgesellschaften wuchs rasch und stark an – ohne dass die politischen Kontrollgremien dies verhinderten: von rund vier Milliarden Euro Ende 2003 auf rund 26 Milliarden Euro Mitte 2007. In nur dreieinhalb Jahren wurde das außerbilanzielle Geschäft also mehr als versechsfacht.[9]

Wie war das Geschäft in Irland konstruiert? Die Zweckgesellschaften kauften am Kapitalmarkt Verbriefungen. Das sind variabel verzinsliche Wertpapiere mit längerer Laufzeit, die mit Forderungen besichert sind, wie beispielsweise Immobilien-, Auto- oder Studentenkredite. Um den Kauf der Verbriefungen zu finanzieren, emittierten die Zweckgesellschaften insbesondere besicherte kurzlaufende Wertpapiere. Die Differenz aus den Zinssätzen für kurzfristige Refinanzierung und langfristige Verbriefung bestimmte den Ertrag – in den ruhigen Zeiten.[10]

Zwar verfügten die angekauften Verbriefungen über sehr gute Benotungen der Ratingagenturen. Doch trotzdem war ein substantieller Anteil der zugrundeliegenden Immobilienkredite an zahlungsschwache Schuldner*innen vergeben worden („Sub-Prime“). Als die Immobilienblase in den USA zu platzen drohte, wurde es für die irischen Zweckgesellschaften immer schwieriger. Es war kaum noch möglich, Käufer*innen für die Schuldtitel zur kurzfristigen Refinanzierung der Verbriefungen zu finden. Personen mit Geld machten mehr und mehr einen großen Bogen um alles, was irgendwie nach „Sub-Prime“ roch.

Aufgrund der fehlenden Refinanzierungsmittel hätten entweder die langfristigen Verbriefungen unter Wert verkauft werden müssen, was zu viel zu hohen direkten Verlusten geführt hätte. Oder die Sachsen LB hätte aufgrund der Garantien die Papiere auf ihre Bücher genommen. Doch dies schied durch das Volumen der strukturierten Produkte und das geringe Eigenkapital der Sachsen LB von gerade einmal 1,6 Milliarden Euro als Option komplett aus. So führten bereits erste Störungen des Finanzmarkts zum Notverkauf der Bank.[11]

Mit dem Notverkauf waren die Steuerzahler*innen allerdings nicht aus dem Schneider. Die sächsische Staatsregierung musste nämlich eine Garantie für Kreditausfälle bei den Verbriefungen in Höhe von 2,75 Milliarden Euro übernehmen. Das war eine Bedingung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) für die Übernahme der Sachsen LB. Davon wurden bisher rund 1,9 Milliarden Euro in Anspruch genommen[12]. Außerdem lag der Kaufpreis von rund 300 Millionen Euro circa 400 Millionen Euro unter den Mitteln, die der Freistaat insgesamt in die Sachsen LB investiert hatte.[13] Somit kostete das Milliardengrab Sachsen LB bisher insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro, davon mindestens 1,9 Milliarden aufgrund der Finanzkrise.   


[1] Vgl. unten.

[2] Vgl. im Folgenden Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofes (SRH) zur SLB (2009)

[3] Vgl. SRH (2009), a. a. O., S. 25

[4] „Bei einer Bilanzsumme des Sachsen LB-Konzerns zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 60,5 Milliarden Euro sind im Firmenkundengeschäft im Freistaat Sachsen gerade 657 Millionen Euro investiert (1,08 Prozent der Bilanzsumme). Von diesem äußerst geringen Engagement der Sachsen LB mit Firmen sind jedoch nur 248 Millionen Euro an kleine und mittelständische Unternehmen mit Sitz und Betriebsstätte in Sachsen ausgereicht (0,41 Prozent der Bilanzsumme).“ Quelle: Dr. Andreas Schmalfuß (ehemals Landtagsabgeordneter der FDP-Fraktion) in einer aktuellen Debatte des Landtags.

[5] Vgl. SRH (2009), a. a. O., S. 25

[6] Vgl. SRH (2009), a. a. O., S. 26ff

[7] Vgl. SRH (2009), a. a. O., S. 30 ff

[8] Vgl. Bericht SRH (2009), a. a. O, S. 36f.

[9] Vgl. Bericht SRH (2009), a. a. O, S. 35

[10] Vgl. Bericht SRH (2009), a. a. O, S. 35 ff.

[11] Vgl. Bericht SRH (2009), a. a. O, S. 42 ff.

[12] https://www.mdr.de/sachsen/politik/sachsen-lb-102.html 

[13] Vgl. Bericht SRH (2009), a. a. O, S. 9

Mitglieder der Finanzwende Wende verbrennen Spielgeld in einer Feuertonne auf der Nord LB steht.

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