Finanztransaktionssteuer

In Deutschland fallen auf die meisten Käufe Steuern an. Bei Finanzprodukten ist das prinzipiell nicht der Fall.

28.03.2024
Finanztransaktionssteuer
  • Seit vielen Jahren wird über die Finanztransaktionssteuer diskutiert. Sie war eine Kernforderung aus der Zivilgesellschaft als Reaktion auf die Finanzkrise.
  • Befürworter*innen sehen in der Steuer ein Mittel, die Banken an den damals verursachten Krisenkosten zu beteiligen und schädliche Ausprägungen des Wertpapierhandels einzudämmen.
  • Gegner*innen befürchten dagegen eine Belastung für Anleger*innen und zweifeln an der Wirkung der Steuer, weil Expert*innen sie umgehen oder den Handel in andere Jurisdiktionen verschieben könnten.

Nach der Finanzkrise 2008 wurde in Europa die Einführung einer Finanztransaktionssteuer diskutiert – auch um den Finanzsektor an den verursachten Kosten für Staaten zu beteiligen. Seit dem ersten Aufschlag der Europäischen Kommission 2011 wurden zahlreiche Vorschläge diskutiert. Viele Akteur*innen, unter anderem die Finanzlobby, setzten sich immer wieder für partikuläre Interessen ein, sodass auch mehr als zehn Jahre später noch kein Gesetz verabschiedet wurde.

Ein essentieller Teil der Diskussionen ist die genaue Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer. Dabei gibt es bisher keinen Vorschlag, der von einer Mehrheit präferiert wird. Je nach Ausgestaltung können unterschiedliche Finanzinstrumente und Transaktionen von der Steuer betroffen sein – mit extrem unterschiedlichen Auswirkungen. Im Folgenden werden zentrale Argumente für und gegen die vielfach diskutierte Steuer aufgeführt.


Finanzwende arbeitet für ein stabiles Finanzsystem.
Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben:


Das primäre Anliegen

Als ein primäres Ziel einer Finanztransaktionssteuer wird in der Regel die Eindämmung des Hochfrequenzhandels gesehen. Hierbei werden innerhalb von Millisekunden (0,001 Sekunden) riesige Summen bewegt, um selbst die geringsten Preisschwankungen und -unterschiede gewinnbringend auszunutzen. 

Aufgrund des extrem unausgeglichenen Verhältnis von Umsatz (hoch) und Gewinn (gering), würde mutmaßlich schon eine Steuer von unter 0,1 Prozent dazu führen, den Hochfrequenzhandel unattraktiv zu machen. Dieser vollautomatisierte Handel wird als problematisch angesehen, weil er beispielsweise Kleinanleger*innen systematisch benachteiligt und zu erhöhter Instabilität an den Finanzmärkten führt, aus der teilweise massive Kurseinbrüche resultieren (ein sogenannter „Flashcrash“).

Eine Steuer gegen Kleinanleger*innen?

Kritiker*innen einer Finanztransaktionssteuer argumentieren, dass diese insbesondere Kleinanleger*innen treffen und die betroffenen Finanzhandelsplattformen die Kosten an die Endverbraucher*innen weiterreichen würden. Eine Finanztransaktionssteuer, die ausschließlich private Kleinanleger*innen belasten würde, hätte in der Tat ihr primäres Ziel verfehlt. 

Befürworter*innen weisen aber darauf hin, dass bei einer geringen Finanztransaktionssteuer für Anleger*innen nur geringe Kosten entstehen würden. Bei einer Steuer von 0,1 Prozent auf Aktienkäufe würde bei einem Investment von 1.000 Euro gerade einmal 1 Euro an zusätzlichen Steuern anfallen. Wiegt man diese Argumente gegeneinander ab, wird deutlich, dass eine Finanztransaktionssteuer weniger schädlich für Kleinanleger*innen wäre, sondern insbesondere den Hochfrequenzhandel eindämmen würde.

Welche Einnahmen wären zu erwarten?

Gerade bei der Frage, wie viele Einnahmen eine Finanztransaktionssteuer bringen würde, kommt es stark auf die letztliche Ausgestaltung an. Die EU-Kommission veröffentlichte 2011 einen vergleichsweise umfassenden Vorschlag, der eine Finanztransaktionssteuer für die damaligen 27 Mitgliedsstaaten prüfte. Die Schätzungen der jährlichen Einnahmen beliefen sich auf eine Höhe von 57 Milliarden Euro, wenn Transaktionen von Aktien mit 0,1 Prozent und von Derivaten mit 0,01 Prozent besteuert würden. Allein für Deutschland als einen der zentralen Finanzplätze wurden Einnahmen von fast 12 Milliarden Euro geschätzt.

Bei der 2019 diskutierten Ausgestaltung unter Federführung von Olaf Scholz wurden lediglich 1,4 Milliarden Mehreinnahmen für den deutschen Staat erwartet, da beispielsweise Derivate, Handel mit Währungen oder Anleihen von der Steuer ausgenommen wären. Damit wurden 90 Prozent der Finanztransaktionen in diesem Modell nicht erfasst.

Alle oder niemand?

Eine weitere Befürchtung von Kritiker*innen ist, dass eine Finanztransaktionssteuer dazu führen würde, dass Finanzinstitute ihren Handel einfach an anderen Orten betreiben. So würden sie die Steuer umgehen, während der bisherige Standort mit Nachteilen wie zum Beispiel Arbeitsplatzverlusten zu rechnen hätte. 

Anhänger*innen der Steuer machen sich deshalb dafür stark, dass möglichst viele Länder die Steuer umsetzen und wollen eine Residenzpflicht einführen. Dadurch könnten Akteur*innen nicht einfach in ein anderes Land abwandern und dennoch ihren Geschäften in den Ländern nachgehen, die eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben.

Mehr als zehn Jahre nach dem ersten Entwurf einer europäischen Transaktionssteuer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch kommen wird, verschwindend gering. Das liegt vor allem daran, dass die Finanzlobby immer wieder ihre eigenen Interessen durchsetzen konnte.