Offener Brief an Friedrich Merz

Letzte Woche hat Friedrich Merz seine Kandidatur um den CDU-Parteivorsitz bekannt gegeben. Dies hat eine Diskussion um die Beteiligung an oder Kenntnis von CumEx- und CumCum-Geschäften ausgelöst. Diese Debatte wollen wir aufgreifen und versachlichen.

07.11.2018

Die CumEx-Geschäfte sind der wohl größte Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen. Es waren viele Kanzleien und Banken auf unterschiedliche Weise beteiligt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt u.a. gegen die Bank HSBC Trinkhaus & Burkhardt. Die Kanzlei Mayer Brown scheint CumEx-Akteure zu beraten. Die Tätigkeit von Friedrich Merz für diesen beiden Unternehmen hat im Zusammenhang mit seiner Kandidatur für den CDU Vorsitz Fragen aufgeworfen.

Aus unserer Sicht wurden diese bislang nur unzureichend beantwortet, sodass sich Bürgerinnen und Bürger bislang kein klares Bild machen konnten. Deswegen haben wir als Bürgerbewegung Finanzwende einen offenen Brief an Friedrich Merz verfasst. Unseren Brief und eine Antwort von Friedrich Merz werden wir auf dieser Seite dokumentieren:

An
BlackRock Investment Management (UK) Limited

German Branch, Frankfurt am Main

Aufsichtsratsvorsitzender
Herrn Friedrich Merz
Bockenheimer Landstrasse 2-4
60306 Frankfurt am Main

Fragenkatalog für Bürgerinnen und Bürger mit Bezug zur aktuellen Debatte um CumEx- und CumCum-Geschäfte

Sehr geehrter Herr Merz,

Anfang letzter Woche haben Sie Ihre Kandidatur um den CDU-Parteivorsitz bekannt gegeben. Dies hat eine Diskussion um Ihre Beteiligung an oder Kenntnis von CumEx- und CumCum-Geschäften ausgelöst. Diese Debatte wollen wir aufgreifen und versachlichen.

Demokratie lebt von Transparenz. Um diese Transparenz in die demokratischen Diskussion zu bringen haben wir, die Bürgerbewegung Finanzwende, einen kritischen Fragenkatalog formuliert:

Zu CumEx und CumCum

Allein in Deutschland haben CumEx- und CumCum-Geschäfte zu einem Steuerausfall von geschätzt 32 Milliarden Euro geführt. Beide Arten von Finanzmarkttransaktionen zeichnen sich – bei allen Unterschieden in der technischen Durchführung und der rechtlichen Bewertung – dadurch aus, dass die Rendite allein durch steuerliche Vorteile zu Lasten der Steuerzahler entsteht. Sie sagten der Süddeutschen Zeitung am 1.11.2018, derartige Geschäfte seien vollkommen unmoralisch, unabhängig von der juristischen Bewertung: „Dieser Meinung war ich schon immer und habe dies auch immer zum Ausdruck gebracht.“

  1. Wann und wo haben Sie vor dem Interview mit der Süddeutschen am 1.11.2018 Ihre moralische Bewertung von CumEx-Geschäften zum Ausdruck gebracht?
  2. Wie ist Ihre juristische Bewertung von CumEx? Hat sich diese im Laufe der Zeit geändert? Wann und wo haben Sie diese geäußert?
  3. Bewerten Sie die CumCum-Geschäfte als
    • legitim und legal
    • wie der damalige Finanzminister Schäuble als „illegitim, aber nicht illegal“ oder
    • als missbräuchliche (und folglich illegale) Steuergestaltung?

Tätigkeit bei Mayer Brown

2005 wurden Sie Partner bei der US-Großkanzlei Mayer Brown. Seit 2014 sind Sie dort Senior Counsel. Die Kanzlei wirbt um Kunden, die in der Vergangenheit CumEx-Geschäfte gemacht haben (z.B. Homepage Mayer Brown mit Webinar „How to defend repayment claims on already refunded withholding taxes”).

  1. Haben Sie Kenntnis von Mandaten von Mayer Brown, bei denen die Kanzlei Mandanten darin unterstützt (hat), ihre CumEx-Gewinne rechtlich durchzusetzen? Wenn ja, in welcher Form waren oder sind Sie an diesen Mandaten beteiligt?
  2. Hat Mayer Brown Mandanten bei der rechtlichen Bewertung, der Vorbereitung oder der Durchführung von CumEx-Geschäften juristisch unterstützt? Wenn ja, in welcher Form waren Sie daran beteiligt?
  3. Wie bewerten Sie es moralisch, wenn eine Kanzlei CumEx-Mandanten darin unterstützt, Ansprüche gegen den Fiskus durchzusetzen, die auf nach Ihrer Ansicht „vollkommen unmoralischen“ Geschäften basieren?

Tätigkeit bei HSBC Trinkhaus

Sie sind seit 2010 Mitglied des Aufsichtsrats von HSBC Trinkhaus, einem Gremium für die Aufsicht und Kontrolle des Vorstands. Sie gelten als Steuerexperte. Gegen die Bank ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf seit 2016 wegen Cum-Ex-Geschäften. Laut Süddeutscher Zeitung befasste sich der Aufsichtsrat seither mehrfach mit dem Thema. Es gehe um einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag. Ein Sprecher der Bank wird zitiert mit der Aussage: „Die Bank hat sich nicht bewusst an solchen Geschäften beteiligt.“

  1. Hatten Sie vor Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Kenntnis von CumEx-Geschäften des Instituts und wenn ja, wann und welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
  2. Haben Sie vor dem Beginn der staatsanwaltlichen Ermittlungen Fragen zu möglichen CumEx-Geschäften von HSBC Trinkaus gestellt oder hausinterne Untersuchungen eingefordert, etwa aus Anlass der Gesetzgebung 2011 oder der Ermittlungen gegen andere Banken oder der verstärkten öffentlichen Berichterstattung ab 2013? Wenn nein, warum nicht?
  3. Manche Institute haben mit den Steuerbehörden kooperiert und die mit CumEx-Geschäften gemachten Gewinne zurückgezahlt (z.B. HSH Nordbank, LBBW, HVB). Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass HSBC Trinkaus das auch tut? Wenn nein, warum nicht?
  4. Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass das Institut rechtlich gegen die an den CumEx-Geschäften Beteiligten vorgeht? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

Tätigkeit bei BlackRock

Seit 2016 sind Sie Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers von BlackRock. Die Firma ist der weltweit größte Vermögensverwalter. Es gibt Hinweise, dass BlackRock an CumCum-Geschäften beteiligt war.

  1. Haben Sie Kenntnis von CumEx- oder CumCum-Transaktionen unter Beteiligung von BlackRock? Wenn ja, wie haben Sie darauf reagiert?
  2. Haben Sie als Vorsitzender des Aufsichtsrats von BlackRock Deutschland Fragen gestellt oder eigene Untersuchungen angestellt zu CumEx- oder CumCum-Transaktionen unter Beteiligung von BlackRock? Falls nein, warum nicht?
  3. Können Sie ausschließen, dass Einheiten von Blackrock in CumEx- oder CumCum-Transaktionen zu Lasten des deutschen Steuerzahlers verwickelt waren oder sind? Wenn ja, auf der Grundlage welcher Informationen?

Um der Diskussion über Interessenkonflikte vorzubeugen und Klarheit in der Sache zu schaffen, können und sollten Sie die Fragen in der Öffentlichkeit für Bürgerinnen und Bürger beantworten. Selbstverständlich werden wir Ihre Antworten auf unserer Webseite dokumentieren, damit sich alle ein Bild machen können.

Mit freundlichen Grüßen,

Gerhard Schick
Vorstand Bürgerbewegung Finanzwende