P&R-Skandal

Anlagebetrügereien bei P&R zeigen deutliche Systemfehler

16.10.2018
Grimmig blickende Augen im Comic-Stil. Darunter der Slogan "BaFin aufwachen! Stopp Betrügereien wie P&R"
  • Der Insolvenzverwalter lädt für den 17. und 18. Oktober rund 54.000 P&R-Anleger*innen für Gläubigerversammlungen in die Münchner Olympiahalle.
  • Ein Großteil der rund 3,5 Milliarden Euro Anlegerkapital  wurde beim wohl größten Anlageskandal Deutschlands vernichtet.
  • Die BaFin hat als Finanzaufsicht komplett geschlafen und selbst nach öffentlich geäußerten Warnungen nichts unternommen.

Seit einem halben Jahr müssen vor allem ältere Anleger*innen um Teile ihrer Altersvorsorge bangen. Sie wurden offensichtlich betrogen. Auf Provisionsbasis bezahlte Finanzberater*innen verkauften ihnen Stahlcontainer für die Seefracht, die es überwiegend nicht gibt. Sichere Sachwertanlagen sollten es sein. Stattdessen versickerte ein Großteil der angelegten 3,5 Milliarden Euro in einem internationalen Firmengeflecht um den Gründer und langjährigen Firmenchef Heinz R. unter dem Dach der P&R AG. Er baute das in Grünwald bei München ansässigen Unternehmen für Containerinvestments zu einer der größten Investmentfirmen auf dem grauen Kapitalmarkt auf. Seit dem 13. September 2018 sitzt Heinz R. nun endlich in Untersuchungshaft. Flucht- und Verdunklungsgefahr haben den hinreichenden Tatverdacht des Betruges untermauert und die Staatsanwaltschaft zu diesem Schritt veranlasst.

Sagenhafter Aufstieg

Einen Tag vor Heiligabend im Jahre 1975 wurde die Firma P&R Pfeifer und Roth GmbH gegründet. Ihr Ziel war der Vertrieb und die Verwaltung von Containern. Einige Jahre später folgte die Gründung der P&R Equipment & Finance Corp. in der Schweiz, was das Geschäft dahinter steuerlich optimierte und stark verschleierte. Mit Verschwiegenheit erklärten die Verantwortlichen ihre internationale Intransparenz. Auch in Großbritannien, auf den Bahamas und den Bermudas sind bereits zweifelhafte Verbindungen offengelegt worden. Bis zu 400 Finanzvermittler*innen sowie rund 30 Banken und Sparkassen hinderte das nicht, bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr für P&R einzusammeln. Sie hätten erkennen müssen, dass das Geschäftsmodell nicht dauerhaft funktionieren konnte.

Keine Tragfähigkeit gegeben

Im Jahr 2004 zitierte beispielsweise die Welt den Autor dieses Beitrages kritisch zu Containerinvestments: „Der Markt lebt zum Großteil davon, dass Boxen überteuert an Anleger verkauft werden und danach zu viel Miete an die Investoren gezahlt wird.“ Wenn jemand mehr Miete an Anleger*innen bezahlt, als er selbst am Markt für die Stahlboxen erzielt, dann ist das Ende absehbar. P&R hat außerdem die Rückkaufspreise systematisch zu hoch angesetzt, was nur durch die Quersubventionierung über Gewinne aus überteuerten Neuverkäufen ausgeglichen werden konnte. Nach den Gutachten zur Insolvenzeröffnung der Kanzlei Jaffé war das System schon vor zehn Jahren am Ende, was die Verantwortlichen durch die heimliche Nichtanschaffung bezahlter Container kaschierten. Wie bei einem Schneeballsystem nahmen sie das Geld der Neuanleger*innen, um Mieten und Rückkäufe von Altanleger*innen auszugleichen. Bis heute hat sich die Lücke der Phantomcontainer auf eine Million Stück ausgeweitet. Aneinandergereiht ergibt das eine Strecke von Hamburg nach New York.

Falsches Anreizsystem

Kernthema der Bürgerbewegung Finanzwende ist ein nachhaltiges, transparentes und frei von Interessenskonflikten strukturiertes Finanzsystem. Niemand akzeptiert, dass Ärzt*innen nur von der Pharmaindustrie und Steuerberater*innen nur vom Finanzamt bezahlt werden. Bei Finanzprodukten ist es allerdings üblich, dass die Produktlieferanten die Berater*innen provisionsorientiert vergüten. Die Folge sind überteuerte Finanzprodukte, bei denen die Kosten einen Großteil der Erträge auffressen. Die Folge sind aber auch Skandale wie im Fall P&R oder schon vorher bei Magellan, S&K, Infinus oder der Göttinger Gruppe.

Finanzberater*innen sollten nur die besten und passendsten Produkte für einen Kund*innen auswählen. Unterschiedlich hohe Provisionen schaffen zwangsläufig falsche Anreize. Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert deshalb eine kundenorientierte Finanzberatung. Auch der vom Unternehmen selbst beauftragte Wirtschaftsprüfer testierte über Jahre die Bilanzen von P&R, ohne den Betrug aufzudecken. Für dieses kolossale Versagen haftet er mit maximal einer Million Euro. Bei einem möglichen Schaden von 2,5 Mrd. Euro ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Versagen der Finanzaufsicht

Je komplexer ein Gesellschaftssystem wird, desto wichtiger sind Kontrollen und Regulierungsmechanismen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass uns ein Elektrogerät keinen tödlichen Stromschlag versetzt, Medikamente nur vertretbare Nebenwirkungen haben und sich ein Airbag im Falle eines Crashs öffnet. Welche dramatischen Folgen sich beim Versagen systemrelevanter Banken ergeben, hat uns die Finanzkrise schmerzhaft aufgezeigt. Im Großen müssen wir uns deshalb auf die Finanzaufsicht BaFin verlassen können. Im Kleinen müssen wir darauf vertrauen, dass Betrügereien eines Produktanbieters verhindert werden. Auch dafür ist die BaFin seit 2015 ausdrücklich zuständig.

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz hat sie einen Verbraucherschutzauftrag erhalten. Getan hat sie bei P&R nichts. Die Aufsicht hat nicht einmal kritische Fragen an die Firma gestellt, geschweige denn ein Produktverbot ausgesprochen, obwohl es zahlreiche Hinweise auf Probleme gab. Im Jahr 2017 hat sie sogar mehrere Verkaufsprospekte für Containerinvestments von P&R zum Vertrieb freigegeben. Nicht zum ersten Mal hat die BaFin damit versagt. Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert deshalb BaFin-Präsident Felix Hufeld auf, den Verbraucherschutzauftrag endlich ernst zu nehmen und seine Mitarbeiter*innen dazu anzuhalten. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz muss als oberster Dienstherr der Finanzaufsicht dafür sorgen, dass die BaFin den gesetzlichen Verbraucherschutzauftrag endlich erfüllt.

Die Bürgerbewegung Finanzwende hat im Rahmen ihres Aufrufes "BaFin, aufwachen! Stopp endlich Betrügereien wie bei P&R!" Felix Hufeld, am 28.01.2019 die gesammelten Unterschriften von mehr als 3.000 Unterzeichner*innen übergeben.