Lobbyismus im Rechtsbereich

12.01.2022
Finanlobbyismus und Justiz
  • Finanzwende fordert mehr Transparenz und klarere Verhaltensregeln in Justiz und Rechtswissenschaft, um möglichen Lobbyeinfluss zurückzudrängen.
  • Auch wenn die meisten Richter*innen sauber und unabhängig arbeiten – eine Studie von Finanzwende Recherche zeigt hochproblematische Einzelfälle von Interessenkonflikten und Beeinflussung.
  • Die bisherige Diskussion zu Lobbyismus und härteren Regeln betrifft fast ausschließlich Parlament und Regierung. Das muss sich ändern. Denn auch Justiz und Rechtswissenschaften sind Beeinflussung ausgesetzt.

Natürlich können Banken, Fonds und Versicherungen und ihre Lobbyist*innen unter Umständen versuchen, Einfluss auf solche Entscheidungen nehmen. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass einzelne Richter*innen nicht standhaft sind. Denn hier geht es plötzlich um das eigene Portemonnaie und nicht mehr um das allgemeine Interesse. Und so können im Zweifel Einzelne den Ruf aller gefährden. Das heißt: Es braucht klare Regeln. Denn nur so können legale Einflussversuche von vornherein verhindert und mögliche Zweifel an der Unabhängigkeit von Richter*innen und der Rechtswissenschaft möglichst im Keim erstickt werden.

Wir fordern deshalb unter anderem eine komplette Transparenz der Nebeneinkünfte von Richter*innen und eine Karenzzeit nach Ausscheiden aus dem Richteramt – so wie es das bei Minister*innen schon gibt. Zudem verlangen wir eine Offenlegung von Kooperations- oder Sponsoringverträgen zwischen Hochschulen und Unternehmen oder Verbänden aus der Finanzbranche.

Fällt in unserer Gesellschaft das Stichwort Lobbyismus, denken wohl viele an die Autoindustrie und ihre Abwrackprämie oder Philipp Amthor und seine Aktienoptionen. Etwas ältere Semester denken vielleicht auch an den Rüstungsindustrielobbyisten Karlheinz Schreiber und seinen ominösen Geldkoffer oder die berüchtigte Geburtstagsparty von Josef Ackermann im Kanzleramt. Ganz konkret schädlich wurde Lobbyismus auch bei CumEx: In diesem Fall wurde ein Gesetzentwurf der Bankenlobby teils einfach übernommen, an einigen Stellen bis aufs Komma genau. Der größte Steuerraub der deutschen Geschichte konnte dadurch erst so richtig an Fahrt aufnehmen.

Gemeinhin sprechen wir bei Lobbyismus über Einflussversuche auf Abgeordnete oder Ministerien. Aber wie schaut es eigentlich aus, wenn man auf die dritte Säule unseres Staates schaut, die Judikative?

Über Einflussversuche auf Richter*innen und die Rechtswissenschaft liest man selten. Dabei ist auffällig, dass der Bereich zum großen Teil kaum Regeln hat, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass ein Bundesrichter mit Nebenverdiensten sein Einkommen verdoppelt. Oder dass ein Professor einer öffentlichen Universität ein gut bezahltes Gutachten im Sinn der Bankenlobby schreibt. An vielen Stellen mangelt es aber auch schlicht an der Transparenz, um Probleme überhaupt von außen erkennen zu können. In einer Studie zeigt Finanzwende Recherche nun auf, wie an vielen Stellen Lobbyisten Einflussversuche auf den Rechtsbereich unternehmen können.

Warum wurde hier nicht längst eingeschritten? Das lässt sich kaum sinnvoll beantworten, schließlich geht es an dieser Stelle um mögliche Zweifel an der richterlichen Unabhängigkeit! Ohne die Glaubwürdigkeit dieser Unabhängigkeit wäre es schlecht um unseren Rechtsstaat bestellt. Klar ist: Die ganz große Mehrzahl der Richter*innen, aber auch der Rechtsprofessor*innen ist über jeden Zweifel erhaben. Aber klar ist auch, dass es bei richterlichen Entscheidungen gerade im Finanzbereich immer wieder um Milliardensummen geht. Sei es bei einem Prozess darüber, ob Gebührenerhöhungen von Banken und Sparkassen rechtens waren oder eben ob CumEx illegal ist oder nicht.