Wieso wir mehr Transparenz im Finanzlobbyismus brauchen

Finanzwende fordert Gesetzgebungsprozesse wirklich transparent zu machen

09.12.2020
Fensterputzer der an Seil hängt und Fenster putzt und damit für Transparenz sorgt
  • Große Lobbyverbände der Finanzbranche üben über viele einzelne Kanäle maßgeblichen Einfluss auf die Gesetzgebung aus. 
  • Zusammen mit anderen Akteur*innen der Zivilgesellschaft wie Lobbycontrol fordern wir ein Lobbyregister, um transparent zu machen, wer am Verfassen von Gesetzestexten alles mitwirkt. Darin muss aufgeführt sein, welche Personen für welche Organisationen an Gesetzgebungsprozessen teilnehmen.
  • Ein juristischer Fußabdruck würde außerdem für alle nachvollziehbar darstellen, welche Textpassagen von welchen Interessengruppen kommentiert oder verändert wurden. Dadurch würde der politische Einfluss großer Lobbyverbände für alle sichtbar.

Transparenz ist kein Selbstzweck und kein Allheilmittel. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen politische Entscheidungen verstehen. Deswegen fordern wir die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters und eines legislativen Fußabdrucks zum Schutz vor intransparenter, politischer Einflussnahme, die sich gegen die Interessen der Bürger*innen richtet. In Brüssel gibt es ein solches Lobbyregister schon und es trägt zumindest dazu bei, Einfluss und Größe der Interessenvertretung transparent abzubilden. 

Aktivitäten mit einem Lobbyregister transparent machen

Wo der Staat bei der Datenschutzgrundverordnung jeden Handwerksbetrieb in die Pflicht nimmt, misst er bei sich selbst mit zweierlei Maß. Der Weg vom Textentwurf bis zum Gesetz ermöglicht intransparente politische Einflussnahme. Dabei ist es gerade hier besonders wichtig zu sehen, was genau im Hintergrund passiert. Auch hier würde ein sinnvoller Eingriff Bürger*innen durch Transparenz schützen: Ein Lobbyregister, damit wir wissen, wer für Banken, Fonds und Versicherungen mit wie viel Geld arbeitet, um deren Interessen im Gesetzgebungsprozess Gewicht zu verschaffen.

Bis heute gibt es in Deutschland kein verpflichtendes Lobbyregister. Das bedeutet, es herrscht keinerlei Transparenz darüber, wer eigentlich mit wie viel Geld an welchem politischem Thema arbeitet. Dabei wäre es interessant zu wissen, aus welchen Branchen diese Lobbyisten eigentlich stammen. Warum gibt es eigentlich in bestimmten Bereichen Häufungen und wer verfolgt dort welches Interesse?

Wir haben diese Wissenslücke zum Anlass genommen, mit unserem Finanzwende-Report "Ungleiches Terrain" erstmals Größe und Einfluss der deutschen Finanzlobby zu vermessen. Unsere Daten zeigen, dass die Finanzlobby auf mindestens 1500 Mitarbeiter*innen und 200 Millionen Euro jährliches Budget zurückgreifen kann. Da unsere Resultate auf konservativen Schätzungen beruhen dürften die tatsächlichen Zahlen aber deutlich höher liegen. Fest steht: Ein Lobbyregister würde helfen, Licht ins Dunkel zu bringen und das Ausmaß der politischen Einflussnahme für alle erkennbar zu machen.
 

Intransparenz begünstigt Finanzindustrie

Bis heute ist es nicht möglich, in einem Gesetzesentwurf nachzuvollziehen, auf wessen Vorschlag welche Änderungen zu welchem Zeitpunkt in einen Gesetzestext eingeflossen sind. Damit ist jeder Einflussnahme Tür und Tor geöffnet, denn häufig greifen Ministerien bei der Erstellung eines Entwurfes auf Expertise aus der Praxis, sprich von Lobbyist*innen zurück. Das wäre halb so schlimm und ist für eine praxisnahe Ausgestaltung von Gesetzen möglich, wenn dieses Verfahren offen gestaltet werden würde. Leider ist dies jedoch sehr häufig nicht der Fall.

Bei den betrügerischen Finanzgeschäften CumEx gelang es dem Bankenverband seine Position praktisch unverändert ins Gesetzesblatt zu bekommen. Die Gesetzesbegründung entstammt wortgleich aus einem Schreiben des Bankenverbands. So lenkten die Banken den Staat auf eine falsche Fährte und erschwerten die Bekämpfung der Betrüger*innen - mit der Folge von einem Milliardenschaden für uns Steuerzahler*innen. Auch bei Versicherungsgesetzen wurden ganze Passagen wortgleich vom Verband der Versicherungsunternehmen GDV übernommen - zum Schaden der Versicherungskund*innen. Und es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele für schädlichen Finanzlobbyismus.

Ein juristischer Fußabdruck macht politische Arbeit nachvollziehbar

Die aktuelle Praxis bedeutet, dass vor allem jene, die durch wirtschaftliche Macht politischen Einfluss nehmen können, Gesetzestexte ändern, ohne dass dies in irgendeiner Form transparent gemacht wird. Unser Finanzwende-Report "Ungleiches Terrain" belegt dieses Ungleichgewicht. 

Stattdessen sollten mögliche Interessenskonflikte bei der Erstellung eines Textes sichtbar gemacht und entsprechend politisch eingeordnet werden. Mit einem juristischem Fußabdruck könnte man jede Passage eines Gesetzes und ihre Herkunft ersichtlich machen und dementsprechend einordnen – ein Gewinn an Transparenz zum Schutz der Bürger*innen.

Die Forderungen sind klar und liegen auf dem Tisch. Nun ist es Zeit, sie gesetzlich zu verankern. Mit Sachverstand und Ihrer Unterstützung können wir die nötigen Veränderungen erwirken: Denn Transparenz ist ein entscheidender Faktor, um die Finanzwende herbeizuführen – damit die Märkte wieder den Menschen dienen und nicht umgekehrt.