Libra/Diem: Ein Tsunami rollt an uns vorbei Facebooks Pläne für eine Währung werden verworfen. Zeit, sich auf die nächste Welle vorzubereiten. 03.02.2022 Facebook verwirft seine Pläne für eine eigene Währung mit Diem/Libra. Nach öffentlichem Druck, auch durch Finanzwende, und einigen Problemen ist das ein großer Erfolg. Es gilt wachsam zu bleiben. Insofern wurden die von Finanzwende gesammelten Unterschriften auch als Mahnung übersandt. Vor rund zwei Jahren kündigte Facebook, gemeinsam mit Gründungsmitgliedern wie Mastercard, Paypal oder Spotify mit Libra eine eigene Weltwährung an. Dieses Vorhaben wurde von vielen Expert*innen als potentieller Tsunami für das globale Finanzsystem eingestuft: zu groß, zu intransparent, zu wenig reguliert – und viel zu gefährlich. Eine Einschätzung, die auch Finanzwende teilte. Deshalb organisierten wir in einem Bündnis aus WeMove.eu, FinanceWatch und zehntausenden Unterstützer*innen eine starke zivilgesellschaftliche Stimme gegen das Währungsprojekt. Öffentlicher Widerstand gegen Facebooks Pläne mit 83.000 Stimmen Auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz bezeichnete Facebooks Pläne später zurecht als Wolf im Schafspelz. Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire und die Europäische Zentralbank positionierten sich ebenfalls klar gegen die Währung — aber wieso eigentlich? Wie problematisch sehr große und stark vernetzte Strukturen auf den Finanzmärkten sind, hat uns die letzte Finanzkrise schmerzlich offenbart. Das Libra-Projekt wäre bei über zwei Milliarden Facebook-Nutzer*innen und der Reichweite der weiteren Partner*innen potentiell sehr schnell sehr groß geworden. Gleichzeitig war unklar, welche Regulierung für das supranationale Konzept greifen würde und welche Behörde welche Kontrollfunktion übernehmen könnte. Auch beim Thema Verbraucherschutz stellten sich gewichtige Fragen. Hier kommt zum Beispiel Facebooks problematische Vergangenheit mit Blick auf den Datenschutz ins Spiel. Zudem bestand die Gefahr, dass Libra insbesondere in Ländern des globalen Südens nationale Währungen verdrängen und damit die Souveränität von Staaten untergraben könnte. Unter diesen Voraussetzungen wäre Libra wohl wie ein Tsunami auf den internationalen Finanzmärkten eingeschlagen — ein Szenario, dass auch Finanzwende unbedingt verhindern wollte. Gemeinsam mit WeMove.EU, FinanceWatch und über 83.000 Unterstützer*innen unserer Petition konnten wir eine kritische Öffentlichkeit gegen die Währungspläne miterzeugen. Es ist dieser Druck, der es schaffen kann, selbst Weltkonzerne wie Facebook einzuhegen und abzuwehren. Nach zahlreichen Zugeständnissen und sogar einer Umbenennung der Währung von „Libra“ zu „Diem“ kündigte Facebook zunächst an, den Sitz der Organisation aus Genf in die USA zu verlegen. Zuvor waren bereits zahlreiche Kooperationspartner*innen abgesprungen und auch die Idee der Besicherung von Libra bzw. Diem über einen gemischten Währungskorb gekippt. Statt auf eine Weltwährung, die über Nacht womöglich Milliarden-Reserven an Dollar, Yen, Euro und Pfund in Facebooks schöne neue Finanzwelt gespült hätte, hätten wir uns auf die Einführung einer fest an den Dollar gekoppelten Währung in den USA einstellen müssen. Den zumindest temporären Rückzug von Facebooks Währungsprojekt nahmen wir zum Anlass, die über 83.000 Unterschriften unserer Unterstützer*innen zu überstellen. Die Unterschriften gingen auch als Mahnung an die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, wachsam zu bleiben und Facebooks, aber auch ähnliche Pläne für ein globales Zahlungssystem weiterhin kritisch zu begleiten. Ende Januar 2022 verkündete Facebook (neuerdings Meta) dann sogar, die Pläne für die Einführung der Währung komplett zu verwerfen. Keine Entwarnung, aber Zeit zur Vorbereitung Die Entwicklung zeigt: Widerstand wirkt. Offensichtlich war der politische und regulatorische Widerstand zu groß. Das Diem-Projekt wurde letztlich abgespalten und für 200 Miollionen Dollar an die kalifornische Silvergate Capital, eine Holdinggesellschaft der kalifornischen Silvergate Bank, verkauft - ein Gnadenpreis für ein Projekt, dass das Währungssystem auf den Kopf stellen sollte. Wir können also zunächst durchschnaufen. Die kurzfristige Gefahr ist gebannt. So ganz vorbei ist aber auch für Facebook beziehungsweise Meta das Thema noch nicht - und damit auch für uns nicht: Meta hat kürzlich die digitale Geldbörse und Zahlungsdienst-App „Novi“ gegründet und möchte in Zukunft eine Plattform für Non-Fungible-Tokens (NFTs) bereitstellen. Diese NFTs können auf den unterschiedlichen Apps des Meta-Konzerns (Instagram, Facebook, WhatsApp) durch Nutzer*innen erstellt und gehandelt und in der Novi-Wallet gehalten werden. Denkbar sind zum Beispiel Profilbilder der Nutzer*innen, die als NFTs dann weiterverkauft oder selber behalten werden können. Außerdem können mit Novi virtuelle Währungen, etwa die US-Dollar Stablecoin „PAXDollar“, auch über Landesgrenzen erhalten und versendet werden. Ist Novi jetzt das nächste große Ding? Die Risiken in Hinsicht auf Datenschutz, Geldwäsche und Betrug sind angesichts der wenigen bekannten Details noch unklar. Hochrangige US-Senatoren haben Meta-CEO Mark Zuckerberg aber schon im Oktober letzten Jahres in einem Brief dazu aufgefordert, das Novi- und Diem-Projekt unverzüglich einzustellen. Jetzt ist Diem eingestellt, aber Novi bleibt. Es ist wichtig, dass Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die weitere Entwicklung intensiv verfolgen, denn so einfach werden sich Facebook und Co. nicht geschlagen geben. Wir alle sollten also auf die nächste Welle vorbereitet sein. Wir bedanken uns herzlich bei den zahlreichen Unterstützer*innen, die als Teil der kritischen Zivilgesellschaft einen Beitrag zum Rückzug der Facebook-Währung geleistet haben.