Kosten von Riester-Verträgen

Finanzwende Untersuchung von 65 Riester-Rentenversicherungen

Finanzwende hat die Eckdaten von 65 Riester-Versicherungen anhand der vorgeschriebenen Muster-Produktinformationsblätter für Sparer*innen analysiert. Sie gelten für Sparer*innen ohne Kinder, auf deren Vertrag 30 Jahre lang rund 1200 Euro pro Jahr inklusive Zulagen fließen. Für die wichtigsten Kennzahlen in den Produktblättern gibt es Vorgaben der offiziellen Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA). Bei der Datenerhebung hat Finanzwende also auf offizielle Zahlen zurückgegriffen. Auf dieser Basis wurde anschließend der Kostenanteil der Angebote je 100 Euro Beitrag und Zulagen versicherungsmathematisch analysiert. Zu Vergleichszwecken hat Finanzwende außerdem die Kosten von 13 Riester-Fondssparplänen untersucht.

Hier finden Sie alle Ergebnisse der Untersuchung als  zum Download. (Zum Download bitte auf die unterstrichene Fläche klicken)

Der Start der Riester-Rente geht auf das Jahr 2002 zurück.  Damals wurde die private und staatlich geförderte Zusatzvorsorge von ihrem Namensgeber, dem damaligen Arbeitsminister Walter Riester, eingeführt. Erklärtes Ziel: die just abgesenkten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Die neue Rentenlücke sollten rentenversicherungspflichtige Bürger*innen sowie Beamt*innen also durch eine mit Steuergeldern geförderte Zusatzvorsorge privat auffangen. Riester-Verträge werden vom Staat mit direkten Zulagen und indirekt durch eine Steuerstundung gefördert. Der*die Kund*in zahlt bis zum Rentenalter ein – und erhält bei Sparverträgen danach lebenslang eine monatliche Auszahlung. Der mit Abstand größte Anbieter von Riester-Sparverträgen ist die Versicherungswirtschaft, hinzu kommen eine Handvoll Fondsgesellschaften und vereinzelt Banken. Außerdem bieten Bausparkassen einen etwas anders konstruierten Wohnriester.

Prinzipiell alle, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, sowie Beamt*innen. Sie sind im Amtsdeutsch „unmittelbar Zulagenberechtigte“. Für Selbstständige gilt die Riester-Förderung hingegen nicht. Unter bestimmten Umständen können auch Angehörige von Rentenversicherten oder Beamt*innen einen Riestervertrag erhalten. Insgesamt gibt es aktuellen Zahlen zufolge rund 16,4 Millionen Riester-Verträge, die meisten davon bei der Versicherungswirtschaft (10,7 Millionen) und bei Fondsgesellschaften (3,3 Millionen).

Das hat viele Gründe. Zum einen ärgern sich Kund*innen häufig über ihre Verträge, weil durch hohe Kosten weniger auf ihrem Konto ankommt. Einige Internetforen sind voll mit verärgerten Riester-Sparer*innen. Auch ein Finanzwende-Mitglied aus Süddeutschland ist unzufrieden: Auf seiner Jahresinformation für 2019 stellte der Mann fest, dass er seine staatliche Zulage von 175 Euro praktisch an den Versicherer durchreicht - und dieses Geld nicht einmal reicht, um die jährlichen Gebühren von  230 Euro zu decken. Insgesamt summieren sich seine Kostenpositionen nach zwölf Sparjahren auf mehr als 5000 Euro. Zum anderen gibt es seit längerem eine politische Debatte zwischen Anbieter*innen und Verbraucherschützer*innen, ob die Zusatzversorgung via Riester eigentlich ihr Ziel erreicht: eine effiziente Altersvorsorge für die Bürger*innen.

Leider nein, so einfach ist es nicht. Die Kosten taugen nicht als entscheidendes Kriterium zur individuellen Vertragsauswahl, weil Kund*innen dabei eine Reihe von Faktoren berücksichtigen müssen. Das fängt schon bei der Frage an, welcher Vertrag eigentlich zu ihrem persönlichen Bedarf passt und wie viel Zulagen sie bekommen. Hinzu kommt: Die allermeisten Riester-Rentenpolicen mit vergleichsweise niedrigen Kosten stehen unserer Studie zufolge nicht gut da, wenn es um die Ertragsaussichten geht. Dieser Faktor ist ebenfalls wichtig: Wenn für Muster-Sparer*innen nach 30 Jahren erwartungsgemäß weniger als 0,5 Prozent Rendite rausspringen, liegt das bei einer Teuerung von 1,8 unterm Strich im Minus. So hoch lag die durchschnittliche Inflationsrate der vergangenen 30 Jahre.

Für jede Form des Vorsorgesparens fallen Kosten an, das ist auch völlig in Ordnung. Für die Sparer*innen kommt es allerdings darauf an, dass sie effiziente Produkte angeboten bekommen – also solche, wo möglichst wenig für Kosten abgezogen wird und möglichst viel im Spartopf landet. Sonst macht die Altersvorsorge für sie keinen Sinn. Bei vielen typischen Riester-Angeboten wie fondsgebundenen Rentenversicherungen müssen Verbraucher*innen jedoch bis zu drei Dienstleistende bezahlen: den*die Vermittler*in, den Versichernden und die Fondsgesellschaft. Das ist teuer.

In Zeiten niedriger Zinsen werden die Kosten immer wichtiger für die Frage, wie gut ein Vorsorgeprodukt ist. Die Versicherer haben – weil sie verkaufen wollen -  bei den Vertriebsprovisionen ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Das sieht wohl auch das Bundesfinanzministerium, dessen Staatssekretär Jörg Kukies schon vor einem Jahr auf „Provisionsauswüchse in der Lebensversicherung“ [1] hingewiesen hat. Aus Sicht von Finanzwende hätte die Branche ihren Kostenapparat schon vor Jahren herunterfahren müssen. Stattdessen legt sie jetzt nahe, ihre Riester-Angebote seien aufgrund von Vorgaben und komplizierter Wahlmöglichkeiten teuer und das sei nur mit staatlicher Hilfe zu lösen.[2]


[1] versicherungswirtschaft-heute.de/politik-und-regulierung/2019-12-02/neue-bafin-zahlen-zur-lv-provisionsauswuechse-von-teilweise-ueber-7-prozent-belegt/

[2] www.gdv.de/de/medien/aktuell/fuenf-punkte-plan-zur-staerkung-der-privaten-altersvorsorge-52648

Eine ganze Reihe. In der Ansparphase schlagen insbesondere die Abschluss- und Vertriebskosten zu Buche, die zum größten Teil in Provisionen für Vertreter*innen und Vermittler*innen fließen. Sie betragen häufig 2,5 Prozent aller Beiträge und Zulagen – und damit in der Kostenstudie je nach Anbieter*in teils 700[1] oder 1000[2] Euro. Hinzu kommen dann noch laufende Verwaltungskosten, beispielsweise für die Kapitalanlage – und, nicht zu vergessen, oft auch noch Ratenzahlungszuschläge, wenn der*die Kund*in seinen Beitrag monatlich zahlt. Diese Position kann sich auch schnell auf 50 Euro[3] im Jahr summieren. Außerdem dürfen die Anbietenden zusätzlich Gebühren für bestimmte Anlässe wie eine Kündigung erheben. In der Auszahlungsphase - also nach Rentenbeginn - fallen dann laufende Verwaltungskosten an, die Finanzwende in der Untersuchung noch gar nicht berücksichtigt hat.


[1] Hannoversche > 2,0 von Beiträgen+Zulagen

[2] Generali > 1006 Euro max 2,5 Beiträge und max 6,7 % Zulagen

[3] Vertrag Albers >Ergo Riestergarant

Wie hoch die Kosten eines Riester-Angebotes sind, hängt von vielen Faktoren ab – beispielsweise von der Art der vom Anbietenden gewählten Kostenpositionen, der angenommenen Wertentwicklung, der Laufzeit des Vertrags und natürlich der Geschäftspolitik. Ein Versichernder, der sich viel Neugeschäft wünscht, wird vermutlich höhere Riester-Provisionen für Vermittler*innen ausloben als die Konkurrenz.

Nein, sie gelten immer nur unter der Voraussetzung, dass die Sparer*innen ihren Vorsorgevertrag auch bis zum Rentenbeginn durchhalten. Andernfalls können deutlich höhere Kosten anfallen. Das gilt zum Beispiel bei einer Kündigung oder einem Anbieterwechsel in den ersten Jahren. Das Sparkapital nach zehn Jahren erreicht wegen der hohen Anfangskosten bei Riester-Policen oft noch nicht die Summe aller Einzahlungen. Wenn der Sparende kündigt, gilt das außerdem als sogenannte „schädliche Verwendung“ – und er*sie muss die erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen.

Die Klassifizierung von Riester-Angeboten in Chance-Risiko-Klassen mit einer unterstellten Wertentwicklung übernimmt die Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA). Sie ist vom Bundesfinanzministerium beauftragt.

Um die möglichen Renditeaussichten eines Produktes zu messen, wird mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und bestimmten Kapitalmarktszenarien gearbeitet. Auch die von der PIA unterstellte Renditechance bleibt also letztlich eine Annahme – will sagen: kann eintreffen, muss aber nicht. Auch chancenreiche Riesterverträge mit vertretbaren Kosten können zu Rentenbeginn eine mickrige Rendite von 1 oder 2 Prozent abliefern. Alles schon dagewesen.[1] Bei den Kosten müssen die Anbietenden jedenfalls Obergrenzen angeben. Mehr als sie im Produktinformationsblatt als Maximalwert auflisten, dürfen sie später nicht verlangen.


[1] www.spiegel.de/wirtschaft/service/welche-fehler-sie-bei-der-riester-rente-vermeiden-sollten-a-a493bee5-99a9-4f40-b8cf-23dc0a1c9ba8

Wenn die Altersvorsorge in Deutschland auf eine vernünftige Basis gestellt werden soll, müssen aus Sicht von Finanzwende vor allem die hohen Produktkosten runter. Zur Erinnerung: Bei einer durchschnittlichen Riester-Versicherung in unserer Auswertung geht ein Viertel der eingezahlten Beiträge und Zulagen für Kosten ab, in der Spitze sind es sogar 38 von 100 Euro. Das Kostenproblem der Anbietenden ist also groß und wird sich nicht einfach wegreformieren lassen.

Finanzwende plädiert daher für einen Systemwechsel zu einem kapitalgedeckten und staatlich organisierten Vorsorgeprodukt für alle Bürger*innen, das sich an dem schwedischen Vorsorgefonds orientiert. Er kommt mit einem Bruchteil der Kosten aus, die wir derzeit für Riester-Verträge ausgeben.[1]

 

Das hätte positive Folgen für die Altersvorsorge, denn Kund*innen mit dem schwedischen Vorsorgefonds können mit einer deutlich höheren Altersvorsorge rechnen: Bei einer unterstellten Wertentwicklung von jeweils 5 Prozent haben deutsche Sparer*innen mit einer durchschnittlichen Riester-Versicherung nach 30 Jahren rund 16.600 Euro weniger auf ihrem Vorsorgekonto als jemand aus Schweden. Das ist – so könnte man sagen – der Preis der Riester-Rente.


[1] Annahmen: 5 % Wertentwicklung vor Kosten, 1200 Euro Beitrag, 30 Jahre Laufzeit, durchschnittlichen Effektivkosten für Riester-Policen 1,67 % (laut Studie), Annahme für Schwedenfonds: 0,15 % Effektivkosten bei niedrigen Kapitalerträgen (Aktien= 5% und Renten= 2%)