Inkasso

Schluss mit der Abzocke

13.01.2020
  • Immer wieder sind Bürger*innen mit überteuertem und unseriösem Inkasso konfrontiert.
  • Fast sechs Millionen Menschen erhielten schon Inkassobriefe.
  • Ein aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung löst das Problem nicht.

Fast sieben Millionen Menschen sind in Deutschland laut dem SchuldnerAtlas 2019 überschuldet.[1] Das bedeutet: Jeder zehnte Erwachsene kann vermutlich über eine längere Zeit seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Es ist zum Teil frappierend, wie es dazu kommen konnte, aber auch welche Geschäftsmodelle mit Überschuldeten mitunter betrieben werden. Eines dieser Modelle ist häufig Inkasso.

Inkasso betrifft nicht nur Überschuldete, aber diese besonders. Denn diese Gruppe muss auf jeden Euro achten. Beim Inkasso werden Forderungen beispielsweise eines Stromanbieters oder eines Supermarktes durch Inkassodienstleister oder -anwält*innen eingetrieben. Natürlich sind Schulden möglichst zu begleichen, keine Diskussion. Es ist auch in Ordnung, dass sich gerade kleine Betriebe Unterstützung holen, wenn jemand die Rechnung nicht zahlt. Aber es muss endlich Schluss sein mit Geschäftspraktiken, die Menschen schikanieren und deutlich über Gebühr belasten.

Nur mal ein Zahlendreher bei einer Überweisung? Oder eine Rechnung verlegt und vergessen?  In solchen Fällen kann eine Firma oft innerhalb weniger Tage die Forderung an ein Inkassounternehmen weitergeben. Unabhängig davon, wie hoch die unbezahlte Rechnung ist - und mögen es nur wenige Euro sein -  verlangen diese Unternehmen dann häufig mehr als 70 Euro für ihre Dienstleistung. Und das zum Teil für ein ganz einfaches Schreiben nach dem Motto: Hallo, wir sind mit der Inkassodienstleistung beauftragt worden. Wir sind jetzt für das Eintreiben der Schuld zuständig. Zahl‘ jetzt, sonst passiert dies und jenes. So etwas kann in Zeiten der Digitalisierung eigentlich gar nicht so aufwendig sein.

Und komischerweise begegnet man immer wieder den gleichen Kostensätzen, wo man doch eigentlich denken müsste, es gibt so etwas wie Mengenrabatt oder unterschiedlich schwierige Fälle. Es gilt ja immer noch die Schadensminderungspflicht, die besagt, dass der Schaden für den Schuldner möglichst gering zu halten ist. Doch beim Inkasso hat man oft den Eindruck, dass Inkasso nicht vorrangig dem Eintreiben der Schulden dient, sondern vor allem der Renditemaximierung.

An der Stelle mag mancher geneigt sein zu denken: Die Inkassodienstleister können verlangen, was sie wollen. Doch die Sache liegt anders: Denn Zahlungspflichtige hatten nie die Chance, mit dem Inkassounternehmen über die Kosten zu verhandeln. Diese werden nur zwischen dem Gläubiger und der Inkassofirma ausgemacht. Deswegen sieht unser Rechtssystem zum Schutz der Verbraucher*innen Regeln vor, allerdings viel zu schwache.

Bei Kosten von 70 Euro kommen außerdem nur wenige Leute auf die Idee, anwaltliche Hilfe einzuschalten oder eine der oftmals unterbesetzten Beratungsstellen aufzusuchen. Angesichts der Scham und des Drucks, den man bei Empfang einer solchen Nachricht empfindet, ist das häufig auch illusorisch. Da wird das Geld lieber schnell überwiesen, gerade wenn man es sich finanziell leisten kann.

Und so kommen Inkassounternehmen in der Regel mit ihren Machenschaften durch, zumal es auch keine funktionierende Aufsicht über den Bereich gibt. Das gesteht sogar der Inkassoverband selbst zu.

Da es beim Inkasso keinen richtigen Markt gibt, ist endlich ein entschiedenes politisches Eingreifen nötig. Das Thema betrifft Millionen Menschen: Fast sechs Millionen waren schon einmal mit Inkasso konfrontiert.[2] Es geht also nicht um eine Erscheinung am Rande, sondern um ein großes Thema, an dem Unternehmen wie Bertelsmann oder Otto mitverdienen. Immer wieder handeln Firmen bei den Kosten und beim Eintreiben der Schulden an der Grenze des Legalen – mitunter gehen sie auch darüber hinaus. Laut Inkasso-Check der Verbraucherzentralen sind 20 Prozent der Inkassoforderungen komplett unberechtigt. Und bei vielen anderen sind die Kosten viel zu hoch.

Schon 2013 hat man von Seiten der Politik versprochen, dass man mit einem Gesetz die übertriebenen Kosten eingrenzt. Was ist tatsächlich geschehen? Die Kosten sind nicht zurückgegangen, wie eine Evaluation für das Verbraucherministerium gezeigt hat[3] - und es bestehen weitere massive Probleme. Das war schon damals bei Verabschiedung des Gesetzes absehbar. Ein Vertreter eines großen Inkassoverbands sagte damals der Zeitung „Die Zeit“: "Da sind wir sehr gut davongekommen, wenn ich ehrlich bin.“[4]

Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der für deutliche Verbesserungen sorgen soll. Die gibt es leider nur an manchen Stellen. An anderen Stellen bleibt der Entwurf dagegen leider deutlich hinter dem Notwendigen zurück. So steht zu befürchten, dass der Plan wie 2013 erneut scheitert. So soll es einen stärkeren Deckel für die Kosten geben, aber dieser Deckel ist für viele Fälle zu hoch und hat große Löcher. Auch unseriöses Inkasso wird man ohne die notwendige Zentralisierung der Aufsicht nicht in den Griff bekommen. Zudem fehlt eine klare Absage an das Konzerninkasso durch Firmen wie Otto.

Die Bundesregierung muss also dringend nachbessern, damit der Finanzmarkt hier nicht weiter ungehindert Verlierer produziert.


[1] https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/ueberschuldung-in-deutschland-etwas-licht-aber-noch-viel-schatten-1

[2] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/verbraucherschutz-gefaelschte-inkassoforderungen-nehmen-zu-gebuehren-sind-hoch/23658658.html

[3] https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/Gutachten_Inkasso_Vorschriften.pdf;jsessionid=E723D574AE9EEE1D5B8181C03DE7446A.1_cid297?__blob=publicationFile&v=1

[4] https://www.zeit.de/2015/39/inkassounternehmen-glaubiger-gebuehren-tricks/komplettansicht