Der ehrbare Kaufmann zu Hamburg – und seine Inkassopraktiken

EOS und die Otto Gruppe

13.01.2020

Klicken Sie auf das Video um mehr über die Inkassopraktiken zu erfahren

Wir möchten darauf hinweisen, dass nach Aktivierung Daten an YouTube und Google übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Ein prominentes Beispiel für einen Akteur im Bereich Inkasso ist die Firma EOS. Jetzt werden viele sagen: Wer bitte? Klingeln wird es bei vielen erst, wenn man erklärt, dass es sich um einen Teil der Otto Gruppe handelt.

Der Otto-Katalog lag jahrzehntelang in vielen deutschen Haushalten so selbstverständlich wie das Telefonbuch. Bei einem derart prominenten Unternehmen, das sich Werte wie soziale Verantwortung auf die Fahnen schreibt, müsste man denken, dass fragwürdige Geschäftsmodelle eigentlich nicht im Fokus stehen. Zumal die Familie Otto mit einem geschätzten Vermögen von 13,5 Milliarden Euro so etwas eigentlich nicht nötig hätte. Die Familie gehört zu den zehn reichsten Deutschen.[1]

Schaut man sich die Konzerngewinne an, lässt sich jedoch zunächst schnell feststellen: Otto ist seit Jahren eher eine Bank als ein Handelsunternehmen. Nur nimmt davon niemand groß Notiz, das ist wohl auch beabsichtigt. Denn während man im Handel nur bescheidene Margen (Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) von nicht einmal einem Prozent erzielt, wird im Finanzdienstleistungsbereich mit rund 40 Prozent ordentlich abkassiert.[2]

Ohne den Finanzdienstleistungsbereich, bei dem das Aufkaufen und Eintreiben von Schulden beispielsweise durch Inkasso die zentrale Rolle spielen, könnte man sogar fragen: Ist dieser Konzern, bei dem in der Öffentlichkeit EOS oft unbemerkt bleibt, überhaupt langfristig überlebensfähig? Im Restkonzern bestehend aus dem Handel (otto.de, Manufactum, About You etc.) und Services (Paketdienst Hermes etc.) wäre jedenfalls im letzten Geschäftsjahr ein Verlust angefallen.[3]

EOS ist als Konzerntochter der Otto Gruppe – die sich heute neudeutsch Otto Group nennt - ein gutes Beispiel für Probleme im Inkassobereich. Es gehört zu den größten Unternehmen in diesem Geschäftsfeld. Immer wieder wird von Branchenseite sinngemäß gesagt, es gibt ein paar, kleine schwarze Schafe, aber ansonsten sei doch nichts zu beanstanden. Und tatsächlich gibt es Inkassodienstleister die deutlich schlimmer als EOS sind. Probleme machen aus Sicht von Kund*innen allerdings auch die Top-Player der Branche.

Warum? Wenn es um unbezahlte Rechnungen geht, gibt es in Deutschland eigentlich ein gut funktionierendes Mahnwesen. Rund 3 Euro dürfen Schuldner*innen für eine Mahnung normalerweise in Rechnung gestellt werden - also nur die direkten Kosten (keine indirekten Kosten wie für Personal oder IT). Die Krux ist aber: Diese Regelung gilt nur, solange der Gläubiger aktiv ist. Schaltet der jedoch ein Inkassounternehmen ein, kann die Geschäftemacherei beginnen. Dann werden für wenig Aufwand auch mal schnell gut 70 Euro verlangt.

Unternehmen wie Otto nutzen diese Möglichkeit und haben innerhalb ihres Verbundes eine Inkassotochter aufgebaut. So können Händler wie otto.de oder About You ihr Schwesterunternehmen EOS allein zu dem Zweck einschalten, um für sie Forderungen einzuziehen. Statt weniger Euro für Mahnungen dürfen dann plötzlich über 70 Euro angesetzt werden, jedenfalls auf Konzernebene betrachtet. Dieses Verhalten gegenüber den eigenen Kund*innen ist umstritten. Es gibt Fachleute, die halten das sogenannte Konzerninkasso sogar rechtlich für bedenklich.

Zumindest stellt sich die Frage, ob die Tätigkeiten, die EOS an einigen Stellen erbringt, noch unter dem Stichwort „ehrbarer Kaufmann“ zu fassen sind? Dieser Titel wurde dem Otto-Gründer Werner Otto beispielsweise durch den heutigen Finanzminister Olaf Scholz zugeschrieben.[4] Und auch sein Sohn und der heutige Aufsichtsratschef, Michael Otto, ist Mitglied in der „Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“.[5] Wir finden, das Agieren von EOS ist nicht gerade „ehrbar“. Denn mit sozialer Verantwortung haben die Inkassopraktiken an vielen Stellen nichts mehr zu tun.

Im Bereich der Otto-Tochter EOS (die sich in viele Einzelunternehmen unterteilt) wird überdies mit dem Weiterreichen von fremden Forderungen Geschäft gemacht: Eine EOS-Gesellschaft kauft Forderungen von anderen Unternehmen auf. Das nennt man Factoring. Auf diesem Weg geht die Schuld vom Händler auf EOS über und EOS wird neuer Gläubiger. Aber auch EOS dürfte als Gläubiger nun nur die Mahnkosten ansetzen. Die Mahnkosten spielen aber kaum Geld ein. Aus diesem Grund beauftragt man dann, obwohl die Gesellschaft sogar selbst für Inkassodienstleistungen zugelassen und damit vom Fach ist, noch ein drittes Tochterunternehmen (oft EOS DID), um die viel höheren Inkassokosten geltend zu machen.

Es geht hier also nicht um Expertise und Erfahrung mit einer bestimmten Tätigkeit, sondern ganz allein um die Maximierung des Gewinns. Sozial gerecht und nachhaltig ist das nicht.

EOS verlangt auch immer wieder andere sehr hohe Kostensätze, die aus unserer Sicht in keiner Weise gerechtfertigt sind. Setzen sich einzelne Schuldner dagegen zur Wehr, macht das Unternehmen auch teils Rückzieher. Möglicherweise ist sich EOS mit der Milliardärsfamilie Otto im Hintergrund des rechtlichen Risikos bewusst, nicht im Einklang mit dem Gesetz agiert zu haben. Doch leider merken nicht alle Verbraucher*innen, dass sie zu viel zahlen.[6] Juristisch fragwürdig sind auch sehr hohe Einigungsgebühren beispielsweise bei Ratenzahlungsvereinbarungen.

Mitunter macht EOS auch schlichtweg Druck wie im Fall einer Schuldnerin aus Norddeutschland. Diese hatte eine Forderung zunächst wegen Rückversands bestritten. Zudem handelte es sich um einen Fall von Konzerninkasso, bei dem hohe Mahnkosten angesetzt wurden. Doch trotzdem hörte EOS nicht auf, das Geld massiv einzufordern.[7] In diesem Fall hielt die Schuldnerin stand, aber oftmals wird in solchen Fällen gezahlt.

Die Frage ist also mehr als angebracht, ob solche Geschäftspraktiken noch dem Prädikat ehrbarer Kaufmann zustehen? Wir finden: nein.

Finanzwende fordert von Otto deshalb

  • umgehend die Praktik des Konzerninkassos einzustellen,
  • die Geschäftszahlen und Inkassokosten von EOS transparenter darzustellen, damit sich das Unternehmen von dem Vorwurf befreien kann, dass es seinen Konzerngewinn auf anstößigen Praktiken aufbaut,
  • bei EOS die Kostensätze zu reduzieren und mit den Schuldner*innen durchgehend fair umzugehen.

 


[1] www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/top-10-der-reichsten-deutschen-fuehrungswechsel-beim-neuen-ranking-65052748.bild.html

[2] www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/geschaeftsbericht-trotz-steigender-schulden-schuettet-otto-rekordsummen-aus/24378846.html

[3] www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/geschaeftsbericht-trotz-steigender-schulden-schuettet-otto-rekordsummen-aus/24378846.html

[4] www.welt.de/print/welt_kompakt/hamburg/article131924936/Hmaburg-Kompakt.html

[5] www.mopo.de/hamburg/interview-mit-unternehmer-gunter-mengers-gibt-es-noch-ehrbare-kaufleute--26980734