Faire Altersvorsorge

Die private Altersvorsorge in Deutschland nutzt häufig in erster Linie der Versicherungsbranche. Während diese auf wackeligem Fundament ihren Profit in die Höhe treibt, bleiben Verbraucher*innen oft auf der Strecke. Dabei gibt es gute Alternativen.

29.01.2020
Eine Frau liegt in der Hängematte, um sie steht der Slogan "Faire Altersvorsorge"
  • Die Riester-Rentenreform war und ist gut für Lebensversicherer und andere Finanzdienstleister*innen, hat ansonsten ihre Ziele aber klar verfehlt. Kund*innen profitieren davon in vielen Fällen weniger als gedacht – und oft nur dank staatlicher Zuschüsse.
  • Insbesondere die Versicherungslobby hat es geschafft, ehemals staatliche Aufgaben zu übernehmen und profitiert davon im großen Stil. Die Risiken dieses Geschäftsmodells tragen jedoch immer noch die Versicherten und der Staat. Mit durchschnittlich 1,5 Prozent Eigenkapital sind die Versicherungsgesellschaften keineswegs krisenfest aufgestellt.
  • Private Altersvorsorge kann so gestaltet werden, dass sie Bürger*innen zugute kommt. Der schwedische Bürgerfonds steht exemplarisch für ein solches modernes Vorsorgeangebot.

Die Riester-Rentenreform hat unser Sozialgefüge gewaltig aus den Fugen gehoben. Das Niveau der gesetzlichen Rente wurde gesenkt. Private Vorsorge sollte diese Absenkung ausgleichen.

Faktisch entwickelte sich die private Altersvorsorge in erster Linie zu einem Förderprogramm für Lebensversicherer und Vertriebsorganisationen. Wie so oft hat sich die Regierung von der Versicherungslobby über den Tisch ziehen lassen und die Privatisierung ehemals staatlicher Aufgaben im Rentenbereich beschlossen. Dabei zeigt das Beispiel des schwedischen Bürgerfonds, wie es anders gehen kann.

Die Lebensversicherer haben mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wahrscheinlich die am besten organisierte Lobby in Deutschland. Sie schafft es immer wieder, dass Gesetze im Sinne der Versicherungsgesellschaften formuliert werden. Das Ergebnis: Bürger*innen bleiben dabei auf der Strecke. Die Versicherten werden mittlerweile mit einem Garantiezins nahe Null abgespeist, während die Geschäfte der deutschen Marktführerin Allianz beim Verkauf neuer Lebensversicherungen brummen.

Aktion: GDV ist Deutschlands Top-Lobbyist

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist der finanzstärkste Akteur im Lobbyregister des Bundestags. Dafür haben wir dem Verband symbolisch einen Pokal übergeben - und so auf die Gefahren uneingeschränkter Lobbyarbeit hingewiesen.
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Riester-Rente: Geschenk für Lebensversicherer!

Die Konditionen der Riester-Rente wurden so ausgestaltet, dass sie perfekt auf private Lebensversicherer passen. Eine kleine Rentenversicherung müssen nämlich (fast) alle Riestersparer*innen abschließen – auch wenn sie sich im Ruhestand für einen Auszahlplan ihrer Bank- oder Fondsgesellschaft entscheiden. Unter diesen Voraussetzungen beschäftigt die Versicherungsbranche derzeit knapp 200.000 Versicherungsvermittler*innen. Mit Hilfe dieser Verkäufer*innen versucht die Branche, ihre Produkte unters Volk zu bringen.

Um dieses riesige Heer an Vertreter*innen ernähren zu können, müssen die Kund*innen anfangs häufig hohe Provisionen bezahlen. Die Abschlusskosten von Lebensversicherungen liegen typischerweise bei 4 Prozent aller einzuzahlenden Beiträge. Das ist an sich schon unglaublich viel Geld. Noch schlimmer aber ist, dass so viele Kund*innen schlecht beraten werden und sie daher vor Vertragsende kündigen.

Wenig Rentabilität – und schwindende Sicherheit

Die wichtigsten Gründe, die gegen eine private Altersvorsorge mittels Lebensversicherungen sprechen, sind die hohen Gebühren, häufig schlechte Renditeaussichten und die geringe Flexibilität. Hinzu kommt, dass die Gefahr einer Schieflage von Versicherungsgesellschaften ständig zunimmt.

Das System der Garantiezinsen erfordert, dass das Geld der Kund*innen in konservative, niedrigverzinste Wertpapiere investiert wird und somit einen garantierten Zins abwirft. Nach Abzug der Kosten, die in die Taschen der Versicherungsindustrie wandern, beträgt die Garantieverzinsung bei neuen Verträgen gerade noch über 0 Prozent – und mitunter ist nicht einmal mehr die Rückzahlung der Beiträge gesichert. Die effektiv erzielte Rendite in den letzten Jahrzehnten war daher häufig viel niedriger als erwartet. Auch bei neuen fondsgebundenen Verträgen oder sogenannten Indexpolicen drücken hohe Kosten enorm auf die Renditechancen. 

Während die Lebensversicherungen, die vielen Riester-Kund*innen verkauft werden, also nur wenig rentabel sind, stellt sich noch die Frage der Krisenfestigkeit der Versicherungsgesellschaften. Schließlich weisen die Lebensversicherer im Schnitt nur 1,5 Prozent Eigenkapital auf – das ist sehr wenig, wenn es darum geht, Verluste abzupuffern.

Die Versicherungsunternehmen verweisen bei diesem Thema stets auf ihre  Auffanggesellschaft, die Protektor AG, mit der sie verhindern wollen, dass die Versicherten ihre private Altersvorsorge bei einer Pleite verlieren. Der gesetzliche Sicherungsfonds Protektor funktioniert jedoch nur bei der Schieflage einer kleineren oder mittelgroßen Versicherung. Wenn aber ein sehr großes Unternehmen oder mehrere mittlere aufgefangen werden müssten, wäre die Protektor AG wohl kaum stark genug. Vor allem aber kann laut Gesetz im Fall einer Schieflage die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) die Ansprüche der Versicherten heruntersetzen, bevor die Unternehmen selber richtig zur Kasse gebeten werden.

Damit sind Versicherungskund*innen deutlich schlechter gestellt als Bankkund*innen, was aber im Verkaufsgespräch selten erwähnt wird. Bei den Banken sind 100.000 Euro für jede*n Kund*in gesetzlich garantiert geschützt. Wenn eine Bank also Pleite gehen sollte, ist gesetzlich geregelt, dass zuerst die Aktionär*innen, dann die Gläubiger*innen und dann die Großkund*innen haften, während die Kleinkund*innen (bis 100.000 Euro) auf jeden Fall geschützt sind. Bei den Versicherungsunternehmen gibt es hingegen kaum eine Regelung, wonach Aktionär*innen und Gläubiger*innen zuerst haften müssen, bevor die Versicherten ihre Ersparnisse verlieren.

Die Lebensversicherer betreiben also hochprofitable Geschäfte, die durch die Kürzung der staatlichen Rente und die Einführung der Riester-Rente gefördert wurden, den Kund*innen kaum weiterhelfen und längst auch nicht mehr krisensicher sind.

Schlechte Rentenpolitik ist kein Sachzwang – wir können etwas ändern!

Dass das Ganze auch anders funktionieren kann, zeigt Schweden. Auch dort hat man sich entschlossen, einen kleinen Teil der Altersvorsorge über private Ersparnisse zu organisieren. Doch anstatt damit ein Konjunkturprogramm für die Lebensversicherer aufzulegen, hat der Staat einen Bürgerfonds gegründet, in den Bürger*innen einzahlen können. Dieser Fonds verlangt keinerlei Abschlussprovision und auch die laufenden Verwaltungsgebühren betragen nur einen Bruchteil von denen der deutschen Versicherungsunternehmen.

Bis zum 55. Lebensjahr werden in Schweden üblicherweise 100 Prozent der privaten Altersvorsorge in Aktien angelegt. Während hier in Deutschland die Riester-Rente in der Kritik steht und die Angst vor der Altersarmut grassiert, kann sich der schwedische Bürgerfonds kaum vor Zustrom retten. Kein Wunder, mittel- und langfristig lagen die durchschnittlichen Renditen pro Jahr bisher bei über 5 Prozent, teilweise sogar deutlich darüber.

Auch in Deutschland könnte man die Altersvorsorge vernünftig reformieren. Wir müssen die gesetzliche Rente wieder stärken. Und wir müssen die private Altersvorsorge nach schwedischem Vorbild organisieren. All das geht nur, wenn wir ein Gegengewicht zur Versicherungslobby haben, damit diese nicht mehr die Gesetzgebung nach ihren Interessen gestalten kann. Mit Sachverstand und Ihrer Unterstützung können wir die nötigen Veränderungen erzwingen: eine Finanzwende – damit die Märkte wieder den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Machen Sie mit und tragen Sie sich jetzt für unseren Newsletter ein!

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