Bankenregeln: nicht den Finanzlobbyisten auf den Leim gehen!

EU muss letzte Reform nach der Finanzkrise umsetzen, um Finanzstabilität zu erhöhen

09.03.2020
Gerhard Schick

Gerhard ist promovierter Volkswirt, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Mit-Initiator des Vereins und dessen geschäftsführender Vorstand. Er hat sein Bundestagsmandat für die Arbeit in der Nichtregierungsorganisation zum 31.12.2018 niedergelegt. Hier finden Sie seinen Lebenslauf, ein Pressefoto und ein alternatives Pressefoto.

Bankentürme rasen auf den Abgrund zu auf dem eine rote Ampel mit dem Schriftzug "Basel 3" steht.

Politiker und Beamte in Berlin und Brüssel könnten vorgesehene Reformen der Bankenregulierung aufweichen. Damit würde sich der Schutz vor künftigen Krisen verschlechtern.

Viel wird darüber diskutiert, ob 2020 ein Jahr der wirtschaftlichen Rezession sein wird – denn mit weltweit abkühlender Konjunktur, Coronavirus, Brexit und sich zuspitzenden Handelskonflikten stehen viele Zeichen auf Abschwung. Im Jahre 2008 führte eine schlechter laufende Wirtschaft zum Ausbruch der Finanzkrise, zu billionenteuren Bankenrettungen und zu einem Wirtschaftseinbruch von fünf Prozentpunkten im Jahr 2009 in Deutschland.

Könnte sich das 2020 wiederholen? Oder ist der Bankensektor heute deutlich stabiler und besser reguliert als 2008? Die Antwort ist ernüchternd. Und Politiker und Beamte hierzulande und in Brüssel sind dabei, dem Druck der Bankenvertreter nachzugeben und die vorgesehene Bankenregulierung schon wieder aufzuweichen. In Berlin und in Brüssel setzen sich starke Kräfte dafür ein, dass die wichtigen, international abgestimmten Mindeststandards – Basel III Finalisierung genannt –, nur weichgespült in der EU umgesetzt werden.

EU muss letzte Reform nach der Finanzkrise umsetzen, um Finanzstabilität zu erhöhen

Die Basel III Finalisierung setzt den Schlusspunkt der Regulierungsreformen nach der schwersten Finanzkrise der letzten Jahrzehnte. Das Ziel dieses Schlussakts ist, dass Banken mit hohen Risiken künftig über immerhin mehr, aber aus meiner Sicht immer noch zu wenig haftendes Eigenkapital verfügen. Dadurch würde eine erneute Bankenkrise zumindest weniger wahrscheinlich und weniger schwerwiegend werden. Doch bislang handelt es sich nur um eine internationale Vereinbarung, die nicht rechtsverbindlich ist. Die Finanzstabilität erhöhen kann sie nur, wenn die EU sie rechtsverbindlich umsetzt.

Mit verblassender Erinnerung an die Krise gewinnen die Lobbyisten wieder die Oberhand

Doch der Zeitpunkt dafür ist ungünstig. Für viele Menschen wiegen andere Sorgen aktuell schwerer als die nächste Finanzkrise. Damit schlägt die Stunde der Lobbyisten. Die Bankverbände, allen voran die European Banking Federation, bombardieren Politiker und Medien mit übertriebenen Zahlen und versuchen damit unbegründete Ängste zu schüren. Sie warnen vor der Einschränkung der Kreditvergabe und dem Rückgang des Wirtschaftswachstums. Ihr Ziel: die Banken sollen weiterhin mit möglichst viel Fremdkapital agieren können. Hierzu greifen sie vor allem den sogenannten Output Floor an, der eine Untergrenze für Banken angibt, unter die ihr Eigenkapitalanteil nicht fallen darf. In der letzten Krise hatte sich nämlich gezeigt, dass Banken mit komplizierten Eigenberechnungen Stabilität vorgaukelten, die sich aber in der Krise als Luftbuchungen herausstellten. Der Output Floor mit seiner harten Untergrenze soll dem nun einen Riegel vorschieben — und der würde vor allem die mit viel Fremdkapital wirtschaftenden Großbanken hart treffen.

Von strikter Regulierung profitieren alle, von laxen Regeln die Banken

Nun könnte man meinen: Vielleicht ist es sinnvoll, Regulierung etwas weicher zu gestalten, damit die Wirtschaft floriert. Das Problem ist nur: Es gibt keinen seriösen Beleg dafür, dass die Reformen der Volkswirtschaft schaden. Vielmehr zeigen Analysen, die nicht direkt oder indirekt vom Bankensektor stammen, dass die Reformen Deutschland und Europa mehr Wohlstand bringen werden – weil wir so von einem stabileren Wachstum ohne Finanzblasen profitieren. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass europäische Banken die Kreditvergabe einschränken. Vielmehr zeigt die unabhängige Forschung, dass gut kapitalisierte Banken nicht nur stabiler sind, sondern, dass sie sogar mehr Kredite vergeben. Bisher beziehen sich nur 12 bis 15 Prozent der Bilanzsumme europäischer Banken auf Kredite für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Es gibt also viele Ansätze, Geschäft zu reduzieren, bevor man die realwirtschaftliche Kreditvergabe reduzieren muss.

Doch warum gibt es dann so viel Widerstand? Weil vor allem Großbanken und solche mit riskanten Geschäftsmodellen künftig besser vorsorgen müssten. Analysen zur Auswirkung der geplanten Reformen zeigen, dass die Mehrheit der europäischen Banken kaum negativ betroffen sein wird. Bei einem Viertel der Banken würden die Anforderungen sogar sinken – während Banken mit hohen Risiken dafür künftig mehr haftendes Eigenkapital vorhalten müssten. Diese Reform geht damit ein Kernproblem der letzten Krise zumindest teilweise an: es senkt die Gefahr, dass Staaten gezwungen sind, Großbanken in Schieflage auf Steuerkosten zu retten.

Deshalb hat die europäische Bankenaufsichtsbehörde sich eindeutig dafür ausgesprochen, die Basel III Finalisierung ohne Abstriche in der EU umzusetzen. Auch die Bundesbank spricht sich dafür aus, denn sie sagt klipp und klar, dass die Reformen der Volkswirtschaft nutzen und Banken nur dann mit höheren Anforderungen zu rechnen haben, wenn sie für ihre Risiken bislang zu wenig vorsorgen.

Es ist noch nicht zu spät

Nun kommt es auf Politiker und Beamte in Brüssel, Berlin und den anderen europäischen Hauptstädten an. Sie sollten im Interesse der Allgemeinheit entscheiden. Doch leider suchen gerade die nationalen Vertreter eher danach, wie sie im europäischen Gesetzgebungsverfahren noch das Maximum an Spezialinteressen ihres jeweiligen Bankensektors einbringen können.

Es darf nicht sein, dass die Finanzlobbyisten die Gesetze schreiben. Es müssen die Gesetzesvertreter orientiert an den Interessen der Gesamtgesellschaft sein.

Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst am 6.3. als Gastbeitrag in Print-Ausgabe der Börsenzeitung.