Weltspartag: Finger weg von „grünen“ Zertifikaten von Sparkassen & Co.

31.10.2023
Kauft keine grünen Zertifikate!
  • Die Sparkassen und ihr Zentralinstitut Deka-Bank verkaufen sogenannte „grüne“ Zertifikate, betitelt als „ESG-Strategieprodukte mit Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialthemen“.
  • Doch diese als grün beworbenen Zertifikate bringen oft keinen Mehrwert für Nachhaltigkeit.
  • Finanzwende rät dringend von ihrem Kauf ab und fordert von den Sparkassen, endlich ihrer Verpflichtung zum Gemeinwohl gerecht zu werden und ihren Kund*innen wirklich nachhaltige Geldanlagen anzubieten!

Auf der Website des Weltspartages 2023 werben die Sparkassen mit nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. Kein Wunder, denn die Nachfrage nach grünen Geldanlagen wächst stetig. Deshalb haben sich die Sparkassen gemeinsam mit ein paar anderen Banken eine ganz besondere „grüne“ Produktgruppe ausgedacht: Grüne Zertifikate – vermarktet als „ESG-Strategieprodukte mit Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialthemen“. ESG steht für Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). Das klingt zunächst nach Klima-, Umweltschutz und sozialverträglichen Unternehmen – ist es aber oft nicht. 

Finanzwende Recherche hat herausgefunden: Oft steckt kein bisschen Nachhaltigkeit in diesen Produkten. Dafür aber reichlich Provisionen und Gebühren für die Sparkassen. Obwohl Sparkassen eigentlich dem Gemeinwohl verpflichtet sind, wird hier versucht, umweltbewusste Kund*innen hinters Licht zu führen! Zum Weltspartag sagen wir klar: Kauft keine „grünen“ Zertifikate!


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Was sind Zertifikate?

Zertifikate sind Finanzprodukte, mit denen Kund*innen der Bank Geld leihen („Kreditkomponente“). Zusätzlich ist die Rückzahlung vieler Zertifikate an einen bestimmten Wert am Finanzmarkt gekoppelt, auch Basiswert genannt. Das kann der Kurs einer Aktie oder ein Aktienindex wie der DAX sein. Kund*innen spekulieren mit solchen Zertifikaten auf eine bestimmte Entwicklung dieses Basiswerts („spekulative Komponente“). 

Entwickelt sich der Basiswert wie erwartet, bekommen Kund*innen oft etwas höhere Zinsen als bei einer reinen Spareinlage. Entwickelt er sich jedoch schlecht, drohen Verluste bis zum Totalausfall – auch, weil im Gegensatz zu reinen Spareinlagen keine Einlagensicherung greift. 

Die Sparkassen sind besonders aktiv im Geschäft mit Zertifikaten und vertreiben sie im großen Stil. Aufgelegt werden diese Produkte meist von der DekaBank, dem Sparkassen-Zentralinstitut. Daneben sind aber auch die Genossenschaftsbanken mit ihrem Zentralinstitut DZ Bank stark im Geschäft mit Zertifikaten.

Clever: Banken definieren sich selbst als grün

Damit ein Zertifikat als „grünes“ Finanzprodukt gilt, müssen Kreditkomponente und Basiswert grüne Kriterien erfüllen. Praktisch dabei: Diese Kriterien haben die Banken selbst festgelegt. Als grün gilt ein Zertifikat, wenn die ausgebende Bank und der Basiswert eine Nachhaltigkeitsbewertung von A der ESG-Ratingagentur MSCI erhalten und den UN Global Compact unterzeichnet haben. Beim Basiswert sind bestimmte Branchen wie Tabak oder Rüstung ausgeschlossen.

Diese Schwellenwerte haben die beteiligten Banken genau so gewählt, dass sie selbst als nachhaltig gelten. Ein Nachhaltigkeitsrating von A ist eigentlich nur Durchschnitt (erst die Siegel AA und AAA sind Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit). Der UN Global Compact ist außerdem mehr Absichtserklärung als Verpflichtung. Unternehmen müssen lediglich über Fortschritte oder Probleme bei selbstgesteckten Zielen berichten. Auch Verstöße gegen grundlegende Menschen- oder Arbeitsrechte führten in der Vergangenheit nicht zu Sanktionen oder Ausschluss.

Nur auf dem Papier „grün“

Die DekaBank, die viele Sparkassen-Zertifikate ausgibt, rühmt sich in ihrer Selbstdefinition als „grüne Bank“. Doch in unabhängigen Auswertungen kommt ein anderes Bild zum Vorschein: Im Fair Finance Guide belegt sie beim Thema Nachhaltigkeit zum Beispiel einen der letzten Plätze unter den deutschen Banken. 

Auch die vermeintlich nachhaltigen Unternehmen, die als Basiswerte für Sparkassen-Zertifikate dienen, sind auf den zweiten Blick nicht mehr so grün: Bei der DekaBank können Kund*innen mit einem grünen Zertifikat beispielsweise auf den Erfolg der Deutschen Lufthansa spekulieren.

Wie Zertifikate grün gemogelt werden

Die Krux dieser ganzen Struktur: Die Bank kann mit dem Geld tun, was sie möchte – und finanziert ihr ganz normales Geschäft mit den Zertifikaten. Es gibt keine Verpflichtung, das eingeworbene Geld in nachhaltige Unternehmen zu investieren. Das Zertifikat ist allein deshalb „grün“, weil sich die Bank so nennt – ob sie es wirklich ist, ist eine andere Sache.

Zudem findet die Transaktion allein zwischen Bank und Käufer*in statt. Das bedeutet auch, dass „grüne“ Zertifikate keinerlei nachhaltige Wirkung entfalten können. Nicht einmal das Spekulieren auf einen bestimmten Basiswert kann sich auf das betroffene Unternehmen positiv auswirken, denn es merkt davon gar nichts. 

Ein „grünes“ Finanzprodukt, das de facto nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat, ist absurd. Das ist Greenwashing!

Zinszertifikate – eine noch absurdere Variante

Eine beliebte Gruppe von grünen Zertifikaten hat keinen Basiswert: die sogenannten Zinszertifikate. Sie sind nichts anderes als Anleihen der Bank, also Geld, das sich die Bank von Kund*innen leiht und später wieder zurückzahlt. Ohne Basiswert muss praktischerweise nur die emittierende Bank „grün“ sein, damit das Zertifikat als grün gilt. 

Solche Zertifikate haben die Sparkassen schon lange in großem Umfang im Angebot, ohne grünen Anstrich. Dank der selbst festgelegten Kriterien für grüne Zertifikate kann die Bank ihr gesamtes Angebot an Zinszertifikaten als „nachhaltig“ verkaufen. Sie kann so unbegrenzt vermeintlich nachhaltige Finanzprodukte schaffen – ohne Vorgaben für die Verwendung der Mittel.

Die Alternative: Green Bonds
Eine positive Ausnahme stellen grüne Anleihen (Green Bonds) dar, bei denen die gesammelten Mittel tatsächlich für nachhaltige Finanzierungen verwendet werden müssen. Sie werden von der DekaBank auch bei den grünen Zertifikaten aufgelistet. Diese Produktkategorie ist aber im Vergleich zu den grünen Zertifikaten sehr klein. Man kann als Privatkund*in auf der Deka-Website keine einzige solche Anleihe kaufen (Stand 30.10.2023).

Zertifikate sind alles andere als verbraucherfreundlich

Zertifikate sind aufgrund hoher Provisionen und Gebühren für die Sparkassen ein gutes Geschäft. Da gleichzeitig die Kundennachfrage nach grünen Finanzprodukten groß ist, sind grüne Zertifikate für sie wohl extrem lukrativ. 

Für Kund*innen sind solche Produkte meist riskant, teuer und werfen weniger Rendite ab als andere Sparprodukte, egal ob sie als nachhaltig vermarktet werden oder nicht. Sie sind im Gegensatz zu Spareinlagen auch nicht von der Einlagensicherung abgedeckt. Geht die Bank pleite, ist das Geld weg.

Kauft keine „grünen“ Zertifikate!

Die „grünen“ Zertifikate, die die Sparkassen vertreiben, sind meist gar nicht nachhaltig. Kundengelder fließen ohne Einschränkung in das normale Geschäft der Banken, die sich ihre Standards selbst gesetzt haben. Wer sein Geld nachhaltig verwenden will, sollte auf keinen Fall „grüne“ Zertifikate kaufen. Diese sind in vielen Fällen Greenwashing. 

Statt aus dem Nichts vermeintlich grüne Finanzprodukte zu schaffen, sollten Sparkassen endlich ihrer Rolle beim sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft gerecht werden. Für öffentlich-rechtliche Banken, die sogar per Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet sind, sollte das eigentlich klar sein. Sie könnten zum Beispiel erneuerbare Energien und umweltschonende Produktionsweisen ihrer Unternehmenskund*innen finanzieren und damit wirklich grüne Sparprodukte schaffen. Oder konsequent auf die Finanzierung der Extraktion von Kohle, Öl und Gas oder den Bau neuer fossiler Kraftwerke verzichten. Doch der Verkauf „grüner“ Zertifikate wird der Klimakrise mit Sicherheit nichts entgegensetzen.