Fragen und Antworten zur Kampagne

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Kampagne „Stabiles Finanzsystem jetzt!“

18.03.2023
FAQ: Petition "Stabiles Finanzsystem jetzt!"

Die außerordentliche Reaktion der Aufsichtsbehörden auf die Pleite der Silicon Valley Bank – einer nur mittelgroßen Bank – zeigt, dass der Krisenmodus an den Finanzmärkten Normalität geworden ist. Statt sich auf solide Finanzmarktregulierung verlassen zu können, müssen Zentralbanken ständig eingreifen. 

Die Finanzmärkte in der EU und in Deutschland sind nicht geschützt vor Entwicklungen, wie sie zuletzt in den USA und der Schweiz aufgetreten sind. Zinsänderungsrisiken, die der Silicon Valley Bank zum Verhängnis wurden, können auch für deutsche Banken ein Problem werden. Das bestätigt die Bundesbank in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht

Nach der globalen Finanzkrise 2008 gab es einen politischen Konsens, unverantwortlich handelnde Banken nicht erneut mit Steuergeld zu retten. Dazu sollte das Finanzsystem grundlegend reformiert und damit stabil aufgestellt werden. Unter anderem im Rahmen eines G20-Gipfels wurden 2009 weitreichende Maßnahmen vereinbart, von denen jedoch viele bis heute nicht umgesetzt sind:

  • Schattenbanken agieren zwar ähnlich wie Banken, unterliegen aber nicht den gleichen Regeln. Ihre Regulierung ist weiterhin unzureichend. Gleichzeitig ist der Sektor rasant angewachsen, wodurch die Risiken insgesamt zugenommen haben.
  • Für die europäische Bankenunion hatten sich die Mitgliedstaaten eigentlich auf eine europäische Einlagensicherung geeinigt. Doch unter anderem Deutschland stellte sich hier quer – wegen Widerstand aus der Bankenlobby. Somit gibt es in Europa nach wie vor keine Institution, die im Krisenfall umfassend und schnell handeln kann. Vorbild sollte bei der Schaffung einer solchen Institution die US-amerikanischen Einlagensicherungs- und Abwicklungsbehörde FDIC sein, die im Fall der Silicon Valley Bank die Einlagen der Bürger*innen sichern konnte. 
  • Ein Trennbankengesetz, mit dem das Investmentgeschäft vom klassischen Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken getrennt wird, wurde von der EU-Kommission erst vorgeschlagen und dann mangels Fortschritt in den Verhandlungen wieder zurückgezogen. Auch hier hat die Finanzlobby zum Scheitern des Gesetzes beigetragen.
  • Eine europaweite Finanztransaktionssteuer würde den Finanzsektor an den Krisenkosten und der Bekämpfung der Armut durch Finanzkrisen beteiligen. Bis heute gibt es jedoch keine europäische Finanztransaktionssteuer – ein Erfolg der Finanzlobby
  • Eine Schuldenbremse für Banken würde diese verpflichten, größere Mengen an Eigenkapital als Verlustpuffer bereitzuhalten und so ihre Robustheit im Krisenfall erhöhen. Dafür wurden kurz nach Ausbruch der Finanzkrise die Basel-III-Standards beschlossen, deren Vorgaben (für Großbanken circa 4 bis 5 Prozent Eigenkapital) allerdings bei weitem nicht streng genug sind. Immerhin: In den USA wurde Basel III zumindest in dieser Form umgesetzt – in der EU wird die Regulierung voraussichtlich erst im Lauf des Jahres beschlossen, und auch dann nur in einer weiter verwässerten Form. Wir fordern, dass Banken mindestens 10 Prozent ihrer Aktivitäten mit Eigenkapital finanzieren müssen.

Die Silicon Valley Bank (SVB) brach am 10. März 2023 zusammen, weil sie einen sogenannten Bank Run, bei dem viele Kund*innen gleichzeitig ihr Geld abziehen wollten, nicht Stand halten konnte. Die Bank hatte viele Einlagen mit einem Wert über der gesicherten Einlagengrenze von 250.000 US-Dollar, die sie vor allem in niedrig verzinste Anleihen steckte. Diese verloren durch die rasche Zinswende an Wert. Dieses Risiko hätte abgesichert werden können, was die Silicon Valley Bank jedoch nicht getan hat.

Daraufhin startete die US-amerikanische Zentralbank Fed am 12. März 2023 ein Sonderprogramm, um die Banken mit Liquidität zu versorgen. Sie hatte offenbar Sorge, dass weitere Banken unter Bank Runs zusammenbrechen könnten. Die Fed nimmt damit die Risiken der Banken auf ihre eigene Bilanz. Letztlich sichert der Staat die riskanten Bankengeschäfte ab. Das Ziel der Maßnahmen ist, größere Panik an den Finanzmärkten zu verhindern.

Die Schweizer Bank Credit Suisse ist eine der größten Banken weltweit und gilt als systemrelevant oder „too big to fail“. Schon länger macht sie jedoch mit Skandalen Schlagzeilen, etwa mit ihren massiven Verlusten im Zuge der Insolvenzen der Greensill Bank und des Archegos Hedgefonds. Zudem offenbarten die sogenannten Swiss-Leaks im Frühjahr 2022 eine ganze Reihe schmutziger Geschäfte mit Kleptokrat*innen und Oligarch*innen.

Das Fass zum Überlaufen brachte im aktuellen Fall aber die Angst, dass die Situation der Banken in den USA nach Europa überschwappen könnte. Obwohl die Krise der Credit Suisse nicht direkt mit der Insolvenz der SVB zusammenhängt, leiden beide Banken gleichermaßen unter der unsicheren Marktsituation. So brach der Aktienkurs der Credit Suisse Mitte März zwischenzeitlich um mehr als 30 Prozent ein. Das bedeutet: Anleger*innen wetteten auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der Bank, obwohl diese alle regulatorischen Standards für Liquidität erfüllte. Ein anhaltend niedriger Aktienkurs und ein Bank Run wie bei der SVB hätte für die Bank jedoch zu ernsthaften Problemen führen können. Daher bat die Credit Suisse die Schweizer Aufsichtsbehörde (Finma) und die Schweizer Nationalbank am 15. März um Unterstützung. Diese Hilfe wurde am selben Tag von beiden öffentlich bestätigt. 

Die US-amerikanische Zentralbank (Fed) versorgte inländische Banken durch ihr Eingreifen schnell mit Liquidität. Allein bis zum 15. März haben sich US-Banken über 160 Milliarden US-Dollar (fast 155 Milliarden Euro) bei der US-Zentralbank beschafft. Diese Summen an Hilfen übersteigen sogar das vorherige Rekordhoch von 2008.

Die Schweizer Nationalbank stellte bereits rund 50 Milliarden Franken (über 50 Milliarden Euro) Kredite zur Bankenrettung zur Verfügung.

Auch wenn diese Gelder vermutlich zurückgezahlt werden, machen diese Summen deutlich, wie angeschlagen das Bankensystem aktuell ist.

Alleine in den vergangenen vier Jahren gab es drei signifikante Finanzmarktkrisen. Die Gemeinsamkeit: Nur durch umfangreiche Interventionen der Notenbanken wurde das globale Finanz- und Wirtschaftssystem mehrfach vor dem Kollaps bewahrt. Erst vor fünf Monaten, im Oktober 2022, musste die Bank of England (BoE) 65 Milliarden Pfund (fast 75 Milliarden Euro) in die Hand nehmen, um eine gefährliche Abwärtsspirale zu verhindern, ausgelöst durch die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte auf die Steuerpolitik der damaligen Regierung. 

Zwei Jahre davor strauchelten am 9. März 2020 die Finanzmärkte weltweit, Anlass war damals die um sich greifende Corona-Pandemie. Staaten und Regierungen sprangen sofort ein: Die US-Notenbank (Fed) setzte ein historisches Notfallprogramm auf und stellte Kredite im Umfang von 2,3 Billionen US-Dollar zur Unterstützung der Wirtschaft bereit. Die EZB musste in einer beispiellosen Aktion ein 750 Milliarden Euro schweres Pandemie-Notfallkaufprogramm aufsetzen, das später sogar auf 1.850 Milliarden Euro ausgebaut wurde. Nur so konnte die Zentralbank einem Auseinander­brechen der Eurozone effektiv entgegenwirken. Und den allerwenigsten bekannt, aber auch nur dreieinhalb Jahre her: In der Nacht auf den 17. September 2019 führte die sogenannte Repo-Krise dazu, dass die Fed gezwungen war, mit mehr als 700 Milliarden US-Dollar einen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems zu verhindern.

Die zentrale Erkenntnis aus der Krise 2008 war, dass die Banken mehr Eigenkapital brauchen, um Verluste selbst abfedern zu können. In dieser Hinsicht sind sie zwar mittlerweile etwas besser aufgestellt, doch von ausreichenden Kapitalpuffern meilenweit entfernt.

Insbesondere Notenbanken haben mehr Erfahrung mit Bankenkrisen und können schneller reagieren. Dass sie ständig Retter*innen in der Not sein müssen, zeigt jedoch: Die nach der Krise 2008 beschlossenen Reformen reichen nicht. Zentrale Vorschläge, die Veränderungen der Geschäftsmodelle erzwungen hätten, wurden von der Finanzlobby ausgebremst.

Noch etwas ist 2023 anders als 2008: die Ausgangslage. Die Notenbanken haben neben den Finanzturbulenzen momentan mit der hohen Inflation zu kämpfen. Um die Preissteigerung zu verlangsamen, erhöhen sie gerade die Zinsen und entziehen den Märkten Geld. Da insbesondere die kriselnden Banken jetzt aber schnelles Geld brauchen, befinden sich die Notenbanken in einem Zielkonflikt. Und auch die finanzielle Lage vieler Staaten und ihre Kreditwürdigkeit ist schlechter als zum Start der Finanzkrise 2007/2008. Insofern sind hier milliardenschwere Rettungsprogramme schwerer vorstellbar.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass dies nicht so ist: In den USA haben die Banken eine höhere ungewichtete Eigenkapitalquote und sind gleichzeitig profitabler. Auch hat sich in den USA eine Einlagensicherung bewährt, die wir für Europa fordern. 

Als Bundesfinanzminister trägt Christian Lindner erhebliche Verantwortung für die Stabilität der Finanzmärkte, deren Institutionen auch über Grenzen hinweg stark miteinander verflochten sind. Wanken einzelne Institute, kann das schnell auf das gesamte System übergreifen.

Dem Bundesfinanzminister untersteht die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin, er ist außerdem zuständig für die Gesetze, die die Finanzmärkte betreffen. Außerdem sitzt der Bundesfinanzminister in Gremien wie dem Europäischen Rat für Wirtschaft und Finanzen auf EU-Ebene (ECOFIN). Hier vertritt er die Bundesregierung zur Koordination mit den anderen EU-Staaten zu Finanzthemen. Aktuell wird in Brüssel zwischen EU-Parlament und Ministerrat über eine Anpassung der Bankenregeln verhandelt. Lindner ist bei den Verhandlungen für die deutsche Position verantwortlich und könnte sich dort für eine stärkere Regulierung einsetzen.

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