Drei gute Gründe, der DVAG den Rücken zu kehren

Undurchsichtige Lobbymacht, überteuerte Produkte und sektenähnliche Strukturen im Finanzvertrieb DVAG

29.11.2023
Drei gute Gründe, der DVAG den Rücken zu kehren
  • Finanzwende hat in einem Papier einen der ganz großen Player der deutschen Finanzlobby genau unter die Lupe genommen: die Deutsche Vermögensberatung (DVAG). 
  • Nicht nur die Demokratie, auch die Verbraucher*innen und die Vertriebler*innen leiden unter den Geschäftspraktiken der DVAG. 
  • Die angebotenen Produkte sind überteuert und Aussteiger*innen berichten von ausbeuterischen Strukturen. 

Die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) ist der mit Abstand größte Finanzvertrieb in Deutschland. Jede zwölfte im deutschsprachigen Raum lebende Person besitzt von der DVAG verkaufte Finanzprodukte. Prominente wie der Fußballtrainer Jürgen Klopp werben für den Konzern, Politgrößen fast aller Parteien verleihen ihm Legitimation, Insiderwissen und Kontakte. 

Doch schon seit Jahrzehnten steht das Unternehmen immer wieder in scharfer Kritik. Schaut man es sich genauer an, wird klar: Die DVAG ist eine Geldmaschine mit enormer Lobbymacht. Finanzwende hat basierend auf der langjährigen Arbeit von Journalist*innen, Verbraucherschützer*innen, Anwält*innen und DVAG-Aussteiger*innen drei Gründe zusammengestellt, dem Konzern den Rücken zu kehren.


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Grund 1: Undurchsichtige und schädliche Lobbymacht

Die DVAG unterhält ein enges Netzwerk in die Politik und ist eine der größten Geldgeber*innen der Parteien in Deutschland. Dabei bindet sie amtierende und ehemalige Politiker*innen eng ein. Sozialwissenschaftler*innen halten die Verknüpfung mit der Politik „bei der DVAG gegenüber Unternehmen vergleichbarer Größe bemerkenswert ausgeprägt“.

Dazu gehören frühere und heutige Bundestags- oder Europaabgeordnete, ehemalige Minister*innen und Parteifunktionär*innen, die für die DVAG tätig sind. Auch Politgrößen wie Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und der frühere Finanzminister Theo Waigel (CSU) waren beziehungsweise sind jahrzehntelang Teil des Einflussnetzes der DVAG. Als Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU sowie dem Wirtschaftsforum der SPD genießt die DVAG zudem privilegierten Lobbyzugang zu beiden Parteien.

Parteispenden aus dem Firmen- und Lobbynetz der DVAG

Die Parteien profitieren ihrerseits von satten Spenden. Seit der Offenlegungspflicht für Partei-Großspenden im Jahr 2002 spendete das Firmen- und Lobbynetz der DVAG gut 8,4 Millionen Euro. Davon den Großteil, 64 Prozent aller Spenden, an die CDU, gefolgt von der FDP mit 27 Prozent. Doch auch Grüne und SPD werden zunehmend umgarnt – wie jüngst im Oktober 2023, als sie, wie auch CDU, CSU und FDP, 50.000 Euro von der DVAG bekamen. 

Immer wieder umging die DVAG dabei die Transparenzpflichten für Großspenden, indem sie ihre Spenden in Beträge unter 50.000 Euro stückelte. Solche kleineren Beträge müssen erst bis zu zwei Jahre später veröffentlicht werden. So kommt keine Debatte über die zeitliche Nähe von bestimmten politischen Entscheidungen und DVAG-Spenden auf. 

Gerade vor wichtigen politischen Entscheidungen kam es jedoch öfter zu besonders hohen Spenden wie beim Anlegerschutzgesetz 2010/11. Auch die jüngste Debatte über ein EU-Verbot von Provisionen für Finanzprodukte wurde von Spenden der DVAG begleitet: DVAG-Vorstand Helge Lach überreichte dem CDU-Chef Friedrich Merz bei einem Treffen zum Thema im März 2023 einen Scheck über 100.000 Euro. 

Das gekippte Provisionsverbot: ein Lobbyerfolg

Die ganze Lobbyflotte der DVAG war im Kampf gegen dieses europaweite Provisionsverbot für Finanzprodukte im Einsatz: der Unternehmensverband Vermögensberatung (DUV), gegründet vom mittlerweile verstorbenen DVAG-Gründer Reinfried Pohl, und der Bundesverband deutscher Vermögensberater (BDV), ein weiterer Branchenverband, die beide von DVAG-Mitgliedern dominiert werden. 

Die Lobbyist*innen haben um die Unterstützung von Entscheidungsträger*innen gegen das Verbot geworben – unter anderem mit persönlichen Briefen von Helge Lach an das Finanzministerium und die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Die Strategie wurde von Erfolg gekrönt: Die EU-Finanzkommissarin Maired McGuinness nahm Abstand von einem generellen Provisionsverbot in der Anlageberatung. Das gekippte Provisionsverbot: ein Paradebeispiel in Sachen Lobbyerfolg.

Grund 2: Verkauf statt Beratung

Provisionen sind der Kern des Geschäftsmodells der DVAG. In Hausbesuchen, am Telefon und per Video-Konferenz verkaufen DVAG-Vermittler*innen Finanzprodukte wie Versicherungen und Fonds. Ihre Belohnung bekommen sie von den Anbieter*innen dieser Produkte: die Provision. Je mehr die DVAG-Leute verkaufen, desto mehr Provisionen bekommen sie und desto reicher wird der Konzern.

Seit Jahren erntet die DVAG Kritik dafür, dass ihre Vermittler*innen den Kund*innen zu teure und unpassende Finanzprodukte andrehen – eben weil sie Provision bringen. Dabei nutzen die Vermittler*innen psychologische Tricks und Manipulationen, darunter gezielte Techniken zur Vertrauensbildung wie Branchenkenner*innen berichten. 

Die angebotenen Produkte kommen ausschließlich von DVAG-Partnerunternehmen, selbst wenn die in Tests bisweilen schlecht abschneiden wie die Generali Rürup-Rente mit ihren hohen Kosten. So schauen die Kund*innen am Ende doof aus der Wäsche.

Grund 3: Ausbeutung und sektenähnliche Strukturen innerhalb der DVAG

Auch die rund 18.000 Menschen, die hauptberuflich für die DVAG Finanzprodukte verkaufen, finden nicht immer das Traumarbeitsumfeld vor, das die DVAG ihnen vorgibt. Diese Vermittler*innen – von der DVAG „Vermögensberater*in” oder „Finanzcoach” genannt – sind nicht angestellt, sondern rechtlich selbständig. Geld verdienen sie nur, wenn sie etwas verkaufen und Provision kassieren und/oder indem sie neue Verkäufer*innen für die DVAG gewinnen. 

Besonders die Rangniedrigsten stehen in diesem Pyramiden-System unter starkem Druck. Gerade für Einsteiger*innen ist das Einkommen knapp, denn sie bekommen nur einen Bruchteil der Provision, die bei Vertragsabschluss an die DVAG geht. Dabei gibt die DVAG Anreize, immer neue Verkäufer*innen in den Konzern zu locken. Das ist für den Finanzvertrieb „unser wichtigstes Kapital”. Kein Wunder: Ohne das Vertrauen, das die Vermittler*innen genießen, ihre Adressbücher und die zehntausenden Verträge, die sie jährlich in den Markt drücken, wäre die DVAG kein Milliarden-Konzern.

Läuft es gut, belohnt die DVAG: mit Sonderprovisionen, Ehrennadeln, der Aufnahme in Elite-Zirkel, exklusiven Aufenthalten in DVAG-eigenen Luxusressorts sowie dem Aufstieg im Konzern und höheren Bezügen. Denen, die aus dieser Maschinerie aussteigen wollen, werden hingegen massive Steine in den Weg gelegt: mit langen Kündigungsfristen und Druck von oben, wie Aussteiger*innen berichten. Ex-DVAGler*innen berichten zudem von „Gehirnwäsche” und davon, dass die DVAG „dieselben Methoden wie eine Sekte” nutze.

DVAG in die Schranken weisen!

Als Bürger*innen dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass die DVAG seit Jahrzehnten damit durchkommt, Kritik an sich abperlen zu lassen. Es wäre schon viel erreicht, wenn mehr geschädigte Verbraucher*innen und Vermittler*innen der DVAG den Rücken kehren würden und namhafte (Ex-)Politiker*innen sich nicht mehr vor den Karren der DVAG spannen ließen. Politisch muss die Finanzlobby endlich in ihre Schranken gewiesen werden. Es braucht, unter anderem, endlich ein Provisionsverbot in der EU und noch strengere Transparenzregeln bei Parteispenden. Finanzwende arbeitet daran. 

Sie wollen noch mehr Details, Erfahrungsberichte von Aussteiger*innen und Kund*innen oder Einordnungen von Expert*innen zur DVAG? Unsere ausführliche Recherche finden Sie hier: