Gut vernetzt und ausgestattet: Was das Lobbyregister über die Finanzlobby verrät

03.01.2023
  • Seit einem Jahr gibt es das neue Lobbyregister. Eine Auswertung von Finanzwende zeigt: Die Finanzlobby ist riesig.
  • Sie stellt die Lobbys anderer Branchen in den Schatten, ist der Zivilgesellschaft zahlenmäßig klar überlegen und kann auf umfangreiche Netzwerke zurückgreifen. 
  • Doch ein Großteil der Lobbyarbeit bleibt trotz Lobbyregister immer noch unter dem Radar. Vollständige Transparenz kann es nur mit strengeren Regeln geben.

CumEx, Wirecard, Finanztransaktionsteuer – die Liste der Fälle, bei denen die Finanzlobby ihren Einfluss ausgeübt hat, ließe sich lange fortführen. Und immer wieder musste die Allgemeinheit die Kosten tragen, sei es durch entfallene Steuereinnahmen, teure Bankenrettungen oder tausendfach geprellte Verbraucher*innen und Anleger*innen.

Trotzdem kann die Finanzlobby ihren schädlichen Einfluss noch immer viel zu oft ungestört ausüben. Das Lobbyregister des Deutschen Bundestags sollte dem ein Ende bereiten. Ein Jahr ist es inzwischen alt. Und die darin enthaltenen Informationen machen  sichtbar, mit wie viel Geld und Personal die Finanzbranche ihre Einzelinteressen auf Bundesebene zur Geltung bringt. Dies zeigt eine Auswertung von Finanzwende. Fünf zentrale Erkenntnisse daraus möchten wir Ihnen hier vorstellen.

Durch das Lobbyregister haben wir mehr Informationen über das Agieren der Finanzlobby als je zuvor. Gleichzeitig zeigt die Auswertung auch: In Sachen Transparenz bleibt viel zu tun. Wir brauchen Lobbyregeln und -gesetze, die einen fairen Wettbewerb der Interessen ermöglichen.

Erkenntnis 1: Die Finanzlobby steht an der Spitze

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Nicht die Automobilbranche, nicht die Pharmaindustrie, sondern die Finanzbranche ragt im Lobbyregister heraus. Keine andere Branche ist unter den Top 100 der Lobbyisten mit den größten Budgets präsenter. 

Zusammengerechnet kommen die Top-10-Konzerne und Verbände der Finanzlobby nach eigenen Angaben auf ein Budget von mehr als 42 Millionen Euro. 

Dabei ist anzumerken: Im Register werden nur die Ausgaben für die Interessenvertretung auf Bundesebene erfasst, und selbst dabei fallen Lobbygespräche mit Bundesbehörden wie der Finanzaufsicht BaFin unter den Tisch. Dennoch vermitteln die Daten einen Eindruck davon, wie stark die Finanzlobby ist.

 

Der Spitzenreiter der Finanzlobby

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Niemand anders gibt laut Register mehr für seine Lobbyaktivitäten aus als der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dieser vertritt die Interessen von Versicherungsunternehmen. Über 15 Millionen Euro lässt sich der Verband seine Lobbyarbeit allein auf Bundesebene kosten – ein Vielfaches des Gesamtbudgets von Finanzwende. Zwischen 141 und 150 Lobbyist*innen arbeiten allein im Bund für den GDV. Das sind drei Lobbyist*innen für jedes Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag. 

Erkenntnis 2: Die Finanzlobby ist in der Überzahl

Allein die Finanzsparte von Volkswagen hat ungefähr so viele Lobbyist*innen wie Finanzwende insgesamt (!) Angestellte. Dies wird aus der Liste der 15 Finanzlobby-Gruppen mit den meisten Angestellten im Bereich Interessenvertretung deutlich. VW vertreibt zwar erfolgreich Finanzprodukte – trotzdem bleibt diese Sparte ein Nebengeschäft des Konzerns. Dass trotzdem allein für diesen Geschäftsbereich eine derart große Zahl von Lobbyisti*nnen zum Einsatz kommt, macht klar, auf welche Scharen von Lobbyisten die Finanzlobby zurückgreifen kann, um Politik zu beeinflussen. 

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Die VW-Finanzsparte ist dabei kein Einzelfall: Betrachtet man die Top 5 der Akteure mit den meisten Lobbyist*innen, ergibt sich eine Gesamtsumme von 395 Beschäftigten, die dafür zuständig sind, Einfluss auf die Politik auszuüben.

Akteure der Zivilgesellschaft können da zahlenmäßig nicht mithalten – und haben so in der direkten Auseinandersetzung einen klaren Wettbewerbsnachteil. Die Anliegen der Gesellschaft bleiben so schnell auf der Strecke. Umso wichtiger bleibt es, dass sich viele zusammenschließen, ihre Position deutlich machen und ein Gegengewicht bilden.


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Erkenntnis 3: Die Finanzlobby ist gut vernetzt

Durch das Lobbyregister werden einige interessante Verflechtungen in der Lobbyszene sichtbar.

Finanzlobby: Meisterin im Türen drehen und Klinken polieren

Wichtiger Baustein der Lobbyarbeit in Deutschland sind Seitenwechsler – Politiker*innen, die nach dem Ende der Karriere in Parlament und Regierung nun ihre Beziehungen und Kontakte versilbern. Prominente Fälle wie der des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel sind längst bekannt, andere werden erst dank der Existenz des Lobbyregisters sichtbar. 

Durch die namentliche Nennung von Lobbyist*innen zeichnet das Register erstmals ein umfassendes Bild der Lobby-Jobs ehemaliger Politiker*innen und ihrer Ex-Mitarbeiter*innen. Wussten Sie beispielsweise, dass der ehemalige DFB-Präsident und Ex-CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel nun für Agenturen die Türklinke putzt, die für die Bausparkassen oder die Klarna Bank lobbyieren? Dass Daniel Quinten, der ehemalige Abteilungsleiter für Bankenaufsicht bei der Bundesbank, heute im Vorstand des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken sitzt? Dass der ehemalige EU-Kommissionssprecher Reinhard Hönighaus heute für FGS Global arbeitet, zu deren wichtigsten Kunden BlackRock gehört? Oder dass die einstige FDP-Vizechefin Katja Suding heute für die Agentur Rud Pedersen arbeitet, die unter anderem Lobbyarbeit für den Finanzdienstleister-Verband CFD macht?

Spinnenhafte Netzwerke: das Beispiel der Deutschen Bank

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Das Lobbyregister macht auch das dichte Netzwerk großer Konzerne erstmals sichtbar. Wer sich einträgt, muss nämlich Mitgliedschaften in Verbänden angeben – und diese Infos waren in Deutschland bisher so nicht verfügbar.

Wir haben uns das Mitgliedsnetzwerk der Deutschen Bank einmal genauer angesehen. Das Institut ist bei 57 Organisationen dabei, vom naheliegenden Bundesverband deutscher Banken bis hin zum Bundesverband Solarwirtschaft. Zum Lobbynetz der Deutschen Bank gehören jedoch auch Netzwerke wie die Atlantik-Brücke und einflussreiche Thinktanks wie die Stiftung Marktwirtschaft. So verfügt die Deutsche Bank über eine Reihe von Verbündeten, die ihre Interessen weiter in den politischen Prozess tragen können.

Rechnet man die Lobbybudgets aller Organisationen und Co. zusammen, bei denen die Deutsche Bank Mitglied ist, kommt man auf beeindruckende Zahlen: mehr als 25 Millionen Euro und fast 600 Mitarbeitende.

Erkenntnis 4: Die Finanzlobby bleibt unter dem Radar

Ein Teil der Strukturen der Finanzlobby wird durch das Lobbyregister nun endlich transparenter. Gleichzeitig gibt es noch immer viel Lobbyarbeit, die im Verborgenen bleibt. Denn das Register hat wichtige Lücken.

Da sind einmal die Akteure, die aufgrund von Ausnahmeregelungen immer noch nicht im Register erfasst sind und die es Lobbyakteuren ganz offiziell erlauben, weiter im Verborgenen zu arbeiten. Dank derer findet sich die staatliche Förderbank KfW zum Beispiel nicht im Register. In sozialen Netzwerken posten Lobbyist*innen der Bank dennoch Bilder aus Gesprächen mit Ministerinnen und Bundestagsabgeordneten.

Eine weitere Lücke: Lobbyakteure, zum Beispiel Agenturen, die im Auftrag anderer arbeiten, müssen keine detaillierten Angaben machen. Worum genau es bei ihren Aufträgen geht und wie viel Geld sie dafür jeweils kassieren, bleibt deshalb im Dunkeln. Und Anwaltskanzleien tauchen im Lobbyregister bisher kaum auf - und das, obwohl viele von ihnen für ihre Mandant*innen auch Lobbyarbeit betreiben dürften.


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Erkenntnis 5: Die Finanzlobby lässt sich nur mit strengeren Regeln bremsen

Unsere Auswertung zeigt: Das Lobbyregister muss schleunigst nachgeschärft werden. Denn gerade die Finanzlobby profitiert erheblich davon, dass sie ihren Einfluss im Verborgenen ausübt. Zu viele Lücken im Lobbyregister-Gesetz verhindern, dass die Öffentlichkeit nachvollziehen kann, wer genau welche Prozesse mit welchen Ressourcen beeinflusst.

Dazu sollte das Register Lobbyist*innen verpflichten anzugeben, auf welche Akteure und inhaltlichen Aspekte genau ihre Lobbyarbeit zielt. Die vielen Ausnahmen von der Registrierungspflicht gehören abgeschafft. Außerdem sollte es eine Offenlegungspflicht für Lobbytreffen geben. Durch eine legislative Fußspur für Gesetze sollte transparent werden, wer mit welchen Argumenten Einfluss auf Gesetzesentwürfe genommen hat.

Und auch abseits des Registers brauchen wir strengere Regeln: Für hochrangige Seitenwechsler*innen aus der Politik sollten zum Beispiel längere Karenzzeiten gelten, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Statt derzeit 18 Monaten sollte eine Karenzzeit von drei Jahren gelten, in der ein Wechsel in Lobbytätigkeiten gesetzlich verboten ist.

Wir haben eine Petition an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gestartet, um die Finanzlobby endlich in ihre Schranken zu weisen. Über 19.000 Personen haben sich unserem Aufruf angeschlossen und gefordert, dass die Finanzlobby endlich in die Schranken gewiesen wird. Einige zentrale Forderungen finden sich in der Reform des Lobbyregistergesetzes wieder, bei anderen Punkten gibt es weiterhin Handlungsbedarf. 

Abgeschlossene Petition

Petition: Finanzlobby in die Schranken weisen!

Finanzlobby in die Schranken weisen

Die Finanzindustrie ist eine der mächtigsten Lobbygruppen Deutschlands. Finanzwende hat sich für eine wirksame Reform der Lobbyregistergesetzes eingesetzt. Über 19.000 Personen haben sich unserem Aufruf angeschlossen.
Mehr erfahren

Und wer es ganz genau wissen will, kann unsere Auswertung des Lobbyregisters unter dem Titel „Mächtig. Mächtiger. Finanzlobby“ nachlesen.