Die Macht der Finanzlobby – Im zweiten Jahr des Lobbyregisters

08.01.2024
Die Macht der Finanzlobby – Im zweiten Jahr des Lobbyregisters
  • Seit zwei Jahren gibt es das Lobbyregister. Auch die zweite Auswertung von Finanzwende zeigt: Die Finanzlobby ist riesig.
  • Sie stellt die Lobbys anderer Branchen in den Schatten. Ein genauer Blick auf die einzelnen Personen, die in ihrem Auftrag unterwegs sind, zeigt enge Verflechtungen mit der Politik. 
  • Noch immer bleibt ein Großteil der Lobbyarbeit trotz Lobbyregister unter dem Radar. Dank der Reform des Lobbyregisters, die 2024 in Kraft tritt, werden wir zwar mehr wissen. Aber für vollständige Transparenz muss es noch strengere Regeln geben.


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Seit zwei Jahren zeigt das Lobbyregister von Bundestag und Bundesregierung, wer im politischen Berlin Einfluss nimmt. Über 6.100 Einträge gibt es inzwischen, mehr als 33.200 Personen dürfen laut Register Lobbyarbeit betreiben. Vor Einführung des Lobbyregisters konnten wir über die Größe der Finanzlobby nur spekulieren. 

Doch seit zwei Jahren weiß die Öffentlichkeit, welche Unternehmen und Verbände der Finanzindustrie versuchen, gegenüber Parlament und Regierung in Berlin ihre Interessen durchzusetzen – und wie viele Ressourcen sie dafür zur Verfügung haben. Ende 2023 haben wir die größten Vertreter*innen der Finanzlobby genau unter die Lupe genommenschon zum zweiten Mal.

Video: 2 Jahre Lobbyregister – Wie die Finanzlobby ihre Macht ausbaut

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 2 Jahre Lobbyregister: Wie die Finanzlobby ihre Macht ausbaut

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Untersuchung im Überblick

Update 1: Die Finanzlobby weiter an der Spitze

Die zehn mächtigsten Vertreter*innen der Finanzlobby brachten es 2022 auf 610 Lobbyist*innen und ein Gesamt-Lobbybudget von knapp 43 Millionen Euro. Unter den Top 100 der finanzstärksten Einträge des Lobbyregisters hat keine andere Branche so viel Lobbypower. Die mächtige Autolobby ist zum Beispiel nur mit sechs Einträgen und einem Lobbybudget von knapp 23 Millionen Euro in den Top 100 vertreten, branchenübergreifende Verbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) haben mit ihren neun Einträgen – insgesamt – ein Budget von gut 40 Millionen Euro.

(Auf das Bild klicken, um es in voller Auflösung zu sehen.)

Update 2: Das Who-is-Who der Finanz-Lobbyist*innen ist sichtbar

Die Liste der Top-Finanzlobby-Gruppen zeigt, dass diese nicht nur finanziell und personell stark aufgestellt sind. Ein genauer Blick auf die einzelnen Personen, die im Auftrag der Finanzlobby unterwegs sind, zeigt auch deren enge Verflechtungen mit der Politik. Denn nicht selten wechseln Politiker*innen die Seite und arbeiten dann für die Finanzlobby – und beeinflussen dann genau die Gesetze und Regulierungen, an denen sie kurz vorher noch als Volksverteter*innen gearbeitet haben.

Agentur Beispiele für Seitenwechsler*innen
FGS Global Reinhard Hönighaus, ehemaliger Sprecher der EU-Kommission in Berlin, ist Managing Director
Rud Pedersen Public Affairs Katja Suding, Senior Advisor, ehemalige FDPBundestagsabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende
MSLGROUP Daniel Holefleisch, Partner, früher 13 Jahre lang zuständig für Fundraising und Unternehmenskontakte bei den Grünen und Mann von Außenministerin Annalena Baerbock
Fuchs & Cie Georg Fuchs gründete die Agentur 2014 und war 2005-2013 Mitarbeiter verschiedener Bundestagsabgeordneter, zuletzt als Büroleiter des früheren CSU-Wirtschaftsministers Michael Glos
Brunswick Group Sigmar Gabriel, ehemaliger SPD-Vorsitzender, Vizekanzler und Minister, berät die Agentur
Christ & Company Annekatrin Gebauer, Senior Partner, war 2013-18 Sprecherin der Bundesregierung

Beust & Coll. Beratungs­gesellschaft

Ole von Beust, Gründer der Agentur, Ex-CDU-Bürgermeister von Hamburg
Oettinger Consulting Günter Öttinger, Agentur-Mitbegründer und Leiter, war baden-württembergischer Ministerpräsident (2005-10) und EU-Kommissar (2010-19)

Update 3: Netzwerke sind ein wichtiger Machtfaktor

Erstmals sichtbar werden im Lobbyregister auch die Netzwerke großer Finanzkonzerne und Verbände. Sie müssen angeben, wo sie Mitglied sind – eine Information, die vor Einführung des Registers nicht zu finden war. Die Commerzbank zum Beispiel ist Mitglied in 34 Organisationen mit einem Gesamt-Lobbybudget von etwa 33 Millionen Euro – und vergrößert so ihre Lobbymacht.

(Auf das Bild klicken, um es in voller Auflösung zu sehen.)

Was wir noch nicht wissen

Schon jetzt erlaubt das Lobbyregister des Deutschen Bundestags umfangreiche Einblicke in Macht und Arbeitsweise der Finanzlobby. Künftig werden wir aber noch mehr wissen, denn am 1. März 2024 tritt eine Reform des Registers in Kraft. Darin sind viele Punkte enthalten, für die wir 2022 mit einer Petition gekämpft haben – ein paar wichtige Wünsche sind aber auch noch nicht erfüllt.

Gemeinsam mit anderen wird Finanzwende weiter für mehr Transparenz und eine Begrenzung der Macht finanzkräftiger Interessen streiten – zum Beispiel durch einen legislativen Fußabdruck, eine Offenlegungspflicht für Lobbytreffen und schärfere Regeln für Seitenwechsler*innen. Gleichzeitig wird Finanzwende weiter gesellschaftliche Gegenmacht aufbauen. Denn eine starke Zivilgesellschaft, die kritisch nachfragt und sich einmischt, ist das beste Gegenmittel für die gefährlich große Macht der Finanzlobby