Finger weg von Indexpolicen! Warum indexgebundene Lebens- und Rentenversicherungen nur den Versicherern nutzen 24.09.2019 Hartmut Walz Prof. Dr. Hartmut Walz ist Verhaltensökonom und lehrt an der Hochschule Ludwigshafen a.Rh. zu den Themen Finanzkompetenz, Finanzdienstleistungen für Privatanleger*innen sowie Finanzpsychologie. Er engagiert sich für den Verbraucherschutz in den Themen Geldanlage, Versicherungen und Vorsorge. Er ist Autor verschiedener Fachbücher auf diesem Gebiet und betreibt den Hartmut Walz Finanzblog. Warum Hartmut Walz sich als Finanzwende-Fellow engagiert, erfahren Sie in diesem Interview. Indexorientierte Kapitalanlagen wie Indexfonds oder indexnahe ETFs (=börsengehandelte Indexfonds) genießen aufgrund niedriger Kosten und hoher Transparenz zurecht einen guten Ruf. Diesen missbrauchen Versicherer jedoch, indem sie sehr komplexe, intransparente und teure Versicherungspolicen mit Sparcharakter unter der Bezeichnung „Indexpolice“ als Altersvorsorgeprodukte anbieten. Indexpolicen sollen dabei klassische Lebens- und Rentenversicherungen ersetzen. Denn deren Unvorteilhaftigkeit hat sich bei den meisten Verbrauchern herumgesprochen. Einige Versicherer haben sogar das Neugeschäft mit klassischen Lebens- und Rentenversicherungen ganz aufgegeben. Bei näherem Hinsehen erweisen sich Indexpolicen jedoch als Mogelpackungen, von denen Kunden am besten die Finger lassen sollten. Unübersichtliche Konstruktionsweise von Indexpolicen Die Variantenvielfalt von Indexpolicen ist groß. Jedoch sind sie überwiegend so aufgebaut, dass die Sparanteile nach Kosten zunächst in einem niedrigverzinslichen Sicherungsvermögen angelegt werden. Also ganz wie bei den klassischen Policen. Nur ein vergleichsweise geringer Teil, nämlich erzielte Überschüsse, können dagegen marktnah angelegt werden. Mögliche Wertsteigerungen dieses Anteils werden dabei von der Entwicklung eines bestimmten Aktienindex (z. B. DAX oder EURO STOXX 50) abhängig gemacht. Hierdurch entstehen (theoretisch) Chancen auf eine höhere Rendite für die Versicherungsnehmer. Gleichzeitig werden ihre Risiken scheinbar begrenzt, da ihnen der nominelle Kapitalerhalt garantiert wird. Nominelle – statt reale – Kapitalgarantie bedeutet jedoch, dass der Schaden der Inflation über die gesamte Laufzeit durch die Versicherten getragen wird. Unverständliche Details und hohe versteckte Kosten In Detail wird es noch viel komplizierter. So dass selbst Versicherungsmakler die Konstruktionsweise nicht verstehen und sich z. T. offen gegen Indexpolicen aussprechen. Jedoch sieht die Mehrzahl der Vermittler kaum eine Alternative zum Vertrieb dieser Mogelpackungen. Entweder sie fühlen sich „mit Geld gezwungen“, denn der Abschluss von Indexpolicen wird mit hohen Provisionszahlungen belohnt. Mittler, die Einfirmenvertreter sind erhalten sogar verbindliche Vertriebsvorgaben. Das heißt, sie müssen eine bestimmte Anzahl oder vorgegebene Quote von Neuabschlüssen mit Indexpolicen erzielen. Die Versicherer verdienen prächtig an Indexpolicen. Waren schon die klassischen Renten- und Lebensversicherungen nicht preiswert, so sind die Kosten von Indexpolicen im Durchschnitt nochmals 30 % bis 50 % teurer. Natürlich gehen hohe Kosten der Indexpolice zu Lasten der Wertentwicklung. Wie heißt es so schön: Ihr Geld ist nicht wirklich weg – es hat jetzt nur ein anderer. Kunden werden mit manipulativen Aussagen geködert Mit Speck fängt man Mäuse und so verwundert es nicht, dass schlecht informierte VerbraucherInnen durch unzutreffende Werbeaussagen und manipulative Halbwahrheiten zu Abschlüssen bei Indexpolicen gedrängt werden. Werbethese 1: „Indexpolicen kombinieren die Sicherheit einer Garantie mit den Chancen von Aktienanlagen!“ Wahrheit: Sie werden nur mit minimaler Wahrscheinlichkeit über die Vertragslaufzeit eine über der Inflationsrate liegende Gesamtverzinsung auf Ihr bezahltes Geld erhalten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie hingegen eine Gesamtverzinsung erhalten, die Ihren Inflationsschaden nicht ausgleicht. Werbethese 2: „Mit Indexpolicen nehmen Sie risikolos an den Chancen der Aktienmärkte teil!“ Wahrheit: Die Chancenbeteiligung entspricht keineswegs dem Indexverlauf, sondern wird entweder „gedeckelt“ oder durch eine sogenannte Partizipationsquote verwässert. Kurze Erklärung: „Gedeckelt“ bedeutet, dass Versicherte z. B. maximal mit 8 % am Indexwachstum teilnehmen, auch wenn der Index stärker steigt. Eine Partizipationsquote besagt, dass Indexzuwächse nicht voll, sondern z. B. nur zu 80 %, 70 % oder 60 % an die Versicherten weitergegeben werden. Und risikolos ist die Indexpolice eben nur vor Inflation. Bei einem langfristigen Vertrag kann es gut sein, dass Sie real, d. h. in Kaufkraft gerechnet, einen Verlust von 30 % bis über 40 % erleiden. Werbethese 3: „Mit Indexpolicen können Sie eine hohe Rendite erzielen!“ Wahrheit: Diese Aussage ist ganz schön listig. Juristisch gesehen ist sie nicht anfechtbar – schon allein wegen des Wortes „können“. Jedoch ist sie sehr manipulativ. Sie können auch im Lotto gewinnen oder in Ihrem Vorgarten einen Goldfund machen. Aber alle drei vorgenannten „Können-Aussagen“ sind extrem unwahrscheinlich. Die von klugen Mathematikern und Statistikern der Versicherungsunternehmen berechneten „Spielregeln“ sind nämlich so ausgelegt, dass die Verbraucher nur bei sehr seltenen und extremen Szenarien einen wirklichen Mehrwert erhalten werden. Kurzum: eine Mogelpackung, die falsche Erwartungen weckt! Es gibt bessere Alternativen für Sie Fall 1: Sie haben bereits eine Indexpolice abgeschlossen: Hier ist mit höchster Wahrscheinlichkeit eine sofortige Vertragsauflösung das kleinere Übel – auch wenn Sie einen Teil Ihres bereits eingezahlten Geldes verlieren. Dies tut natürlich weh. Aber bedenken Sie: Es macht keinen Sinn, wenn Sie dem bereits verlorenen Geld noch weiteres Geld hinterher werfen. Die in der Vergangenheit eingetretenen Verluste können Sie nicht mehr ungeschehen machen, denn es sind bereits versunkene Kosten. Aber ab heute können Sie es besser machen. Lassen Sie – auch wenn es etwas kostet – Ihren Vertrag unbedingt durch unabhängige Experten prüfen (z. B. Verbraucherzentralen, unabhängiger Honorar-Anlageberater bzw. Honorar-Finanzanlagenberater, Finanzanwalt, Sachverständiger). Eine Nachfrage bei dem Vermittler, bei dem Sie den Vertrag geschlossen haben, wird immer zu dem Ergebnis führen, dass man Ihnen die Mogelpackung schönreden wird. Fall 2: Sie haben noch keine Indexpolice abgeschlossen. Also tun Sie das auch künftig nicht. Entweder sie legen stattdessen diszipliniert in einen kostengünstigen und transparenten ETF-Sparplan an. Preiswerter geht es nicht. Und außerdem bleiben Sie flexibel, d. h. können bei Bedarf jederzeit ohne Einschränkungen oder Nachteile auf Ihr Geld zugreifen. Oder: Falls Sie einen Ansparprozess mit einer Versicherung wünschen, könnten Sie sich nach einer kostengünstigen und leicht verständlichen Netto-Fondspolice (das ist eine Police ohne Abschluss- und Vertriebskosten) umschauen. Dies ist nichts anderes als ein Sparplan mit ETFs oder Indexfonds in einem Versicherungsmantel. Wenn Sie die gesetzlichen Anforderungen (mindestens 12 Jahre Laufzeit, Endalter mindestens 62 Jahre) erfüllen und Ihren Vertrag auch durchhalten, führt diese Variante zu steuerlichen Vorteilen. Jedoch stehen dem Steuervorteil die Kosten des Versicherungsmantels sowie der Flexibilitätsverlust jedes Versicherungssparens entgegen. Fazit: Indexpolicen sind irreführende Mogelpackungen, die Verbrauchern ein zu günstiges Chancen-Risikenverhältnis suggerieren. Vom Neuabschluss einer Indexpolicen ist klar abzuraten. Sofern Sie bestehende Verträge haben, ist die Auflösung wahrscheinlich das kleinere Übel. Trotzdem ist zuvor eine individuelle Prüfung des Einzelfalls durch eine unabhängige Instanz (wie z. B. Verbraucherzentralen) empfehlenswert. Eigenverantwortliche Altersvorsorge ist sinnvoll und nötig. Jedoch nicht mit solch teuren und manipulativen Mogelpackungen wie Indexpolicen. Wenn Sie über eine hohe Spardisziplin verfügen, bieten Ihnen ETF-Sparpläne eine viel kostengünstigere und renditestärkere Ansparmöglichkeit. Falls Sie die disziplinierende Wirkung von Versicherungssparen sowie mögliche Steuervorteile schätzen, kommen provisionsfreie Netto-Policen in Frage. Und über allem steht: Scheinbar kostenlose Beratung ist besonders teuer. Denn wer Sie kostenlos berät ist ein Verkäufer, der nicht Ihre Interessen, sondern die des Produkteanbieters vertritt. Seien Sie kein LeO (Leicht erreichbares Opfer).