Libra 2.0: Digitales Geld ohne Garantien?

Mit neuen Plänen zu seiner digitalen Weltwährung Libra will Facebook seine schärfsten Kritiker beruhigen - und geht auf Politiker und Notenbanken zu. Nur: Die Risiken für Millionen Verbraucher bleiben.

30.06.2020
Britta Langenberg

Britta ist gelernte Wirtschafts­journalistin. Sie hat lange für renommierte Magazine gearbeitet, etwa für Finanztest (Stiftung Warentest) und Capital. Im Frühjahr 2019 wechselte die Versicherungsexpertin zu Finanzwende. Dort betreut sie den Bereich Verbraucherschutz sowie Versicherungs- und Vorsorgethemen.  Hier finden Sie ein Pressefoto.

Update steht über dem Slogan "No Libra! facebooks Währung stoppen"

Im Schatten der Corona-Pandemie verfolgt Facebook sein Ziel einer digitalen Weltwährung beharrlich weiter: die Libra. Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit aktualisierte der Tech-Gigant im April seine Pläne – allen voran um die zahlreichen Kritiker in Regierungen und bei den Regulierern milde zu stimmen.

Nach dem ersten Sturm von Kritik hat sich das Projekt Libra von der Revolution in eine leise Evolution verwandelt; sie ist deshalb jedoch nicht weniger machtvoll. Vergangenes Jahr hatte Facebook erstmals seine Pläne für eine weltweite Digitalwährung namens Libra vorgestellt – technisch, organisatorisch und finanziell ein Megaprojekt.

Worum geht es? Der Facebook-Konzern will künftig digital neben Nachrichten auch Geld rund um den Globus verschicken – über ein eigenes System und mit einer eigenen Rechnungseinheit. Erklärtes Ziel: 1,7 Milliarden Menschen sollen über die neue Libra einen Zugang zu Banken bekommen und alle weltweit günstig Geld versenden können. Daran arbeitet die Libra Association mit Sitz in der Schweiz, ein exklusiver Gründungsclub um Facebook.

Trotz negativer Publicity sind die Startbedingungen nicht schlecht: Facebook bringt in das Projekt fast 2,5 Milliarden Nutzer und damit potenzielle Libra-Kunden ein sowie eine der wohl größten Datenbanken der Welt. Die Lobbyarbeit in Washington und Brüssel läuft auf Hochtouren, eine Lizenz als Zahlungssystem ist bei der Schweizer Aufsicht beantragt. Ende 2020 soll das Projekt an den Start gehen.

Weil weltweit viele Regierungen und Aufsichtsbehörden skeptisch auf die Pläne blicken, hat Tech-Gigant Facebook jedoch seine Strategie gewechselt. Die neue lautet: Umarme deine Kritiker! Den Sorgen der Zentralbanken um die Finanz- und Währungsstabilität tritt Facebook mit dem neuen Libra 2.0 entgegen: Geldwäsche und kriminelle Aktivitäten will man nun besser als ursprünglich geplant in den Griff bekommen. Außerdem soll es neben dem Libra-Coin, der auf einem Währungskorb basiert, nun für große Währungen zusätzlich einen eigenen Euro- und Dollar-Libra geben. Und natürlich, so verspricht es der Konzern,  soll die neue Digitalwährung für Nutzer sicher sein.

Selbst nach den neuen Plänen sollte man dieses Versprechen allerdings nicht allzu ernst nehmen. Schon im vergangenen Sommer hatte Finanzwende in einer Kampagne gefordert: „No Libra! Facebooks Währung stoppen“ – und dafür bis heute rund 83.000 Unterstützer gewonnen. Bei dieser Forderung bleibt Finanzwende.

In Wirklichkeit hat sich mit dem Libra-Update 2.0 für Verbraucher und Verbraucherinnen nichts zum Besseren gewendet. Die Kernprobleme bleiben auch in der neuen Version bestehen. So ist die Machtfülle von Tech-Giganten wie Facebook schon heute enorm – und darf jetzt nicht auch noch auf den Finanzmarkt übergreifen.  

Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Thema Datenschutz. Zwar sagt die Libra Association zu, dass sie Interessenkonflikten beim Datenschutz durch eine organisatorisch getrennte Tochtergesellschaft namens Novi vorbeugen will. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass Zweifel angebracht sind. Im Fall von WhatsApp gab Facebook ein ähnliches Versprechen – und verknüpfte dann doch die  Daten beider Firmen miteinander, um exaktere und lukrativere Werbeprofile zu erhalten. Von der üblichen Datenrafferei ganz zu schweigen.

Noch eklatanter sind die Gefahren beim digitalen Bezahlen mit Libra aber in einem Punkt, den viele Verbraucher bislang kaum im Blick haben: Die Libra Association will ihre Haftung von vorneherein beschränken. Sie will auch nach den aktualisierten Plänen Kunden nicht garantieren, dass diese ihr Libra-Geld wieder 1:1 in gesetzliche Zahlungsmittel wie Euro oder Dollar zurücktauschen können. Kurzum: Die Libra Association drückt sich vor der Verantwortung für ihr Geschäft, das Risiko läge beim Verbraucher.  

Finanzwende meint: Als absoluter Mindestschutz für Verbraucher muss der Nennwert von Stable Coins wie Libra beim Rückumtausch garantiert sein. Wenn ein Euro also einem Euro-Libra entspricht, muss der Kunde beim Rücktausch für jeden Euro-Libra auch wieder einen Euro bekommen – und nicht eventuell nur noch 98 Cent. Wenn es mal wieder zu Turbulenzen am Finanzmarkt kommt, ist es möglicherweise noch weniger. 

Es kann nicht sein, dass ein privates digitales Zahlungsmittel weltweit unter die Menschen gebracht wird, deren Guthaben ungeschützt sind – und sie letztlich von Wohl, Wehe und Interessen einer privaten Organisation abhängen. Ein Euro muss ein Euro bleiben – auch im Netz.

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