Die zehn wichtigsten Steuerprivilegien und die 80 Milliarden Euro

Hintergrund

18.08.2023
Rückspiel: Steuerprivilegien Kippen!

In den letzten drei Jahrzehnten wurden neue Steuerprivilegien geschaffen oder trotz veränderter Bedingungen und Reformen beibehalten. Bei den wichtigen Steuern – auf Erbschaften, Vermögen, Kapitalerträge, Unternehmensgewinne und hohe Einkommen – wurden in diesem Zeitraum nicht nur die Steuersätze gesenkt, sondern teilweise absurde und verfassungswidrige Ausnahmen eingebaut.

Trotz Finanzkrise und mehreren Anläufen gibt es noch immer keine umfassende Finanztransaktionssteuer. Obwohl Mieteinnahmen und Kaufpreise von Immobilien deutschlandweit explodieren, sind Wertzuwächse weiterhin steuerfrei und Immobiliengesellschaften profitieren noch immer von der 1935 eingeführten Ausnahme von Mieteinnahmen von der Gewerbesteuer. Und nicht zuletzt fehlt nach wie vor der nötige Aufklärungswille und das entsprechende Personal, um komplexe Steuerhinterziehung à la CumEx und CumCum wirksam zu bekämpfen.

80 Milliarden Euro Steuerprivilegien pro Jahr

Die finanziellen Auswirkungen von Steuerreformen genau zu beziffern, ist unmöglich. Neben der oft einigermaßen gut nachvollziehbaren Entwicklung des Steuersatzes spielen weniger klar zu beziffernde Regelungen zur Bemessungsgrundlage, Anpassungseffekte und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle.

Ein Beispiel: Die Senkung der Körperschaftsteuer sollte zumindest teilweise finanziert werden durch strengere Abschreibungsregeln und Maßnahmen gegen Gewinnverschiebung. Verlässliche Zahlen dazu, wie gut das funktioniert hat, gibt es nicht.

Unsere Kostenschätzung von 80 Milliarden Euro beruft sich auf die vom Bundesfinanzministerium zu jedem Gesetzesentwurf vorgelegten Schätzungen der Mehr- und Mindereinnahmen, die Steuerstatistik und Expertenschätzungen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit stellt eine komplette Liste und weitere Details zu den einzelnen Steuerlücken zur Verfügung.

Wie hoch die tatsächlich durch Steuerreformen erzielbaren Mehreinnahmen am Ende sind, hängt wiederum von Ausweichreaktionen und Wechselwirkungen ab. Hier kommt es auf einen ausgewogenen und gesunden Mix der Maßnahmen an.

Die zehn wichtigsten Steuerprivilegien

Steuerprivileg In Mrd € Quelle/Erläuterung
Erbschaftsteuer-Ausnahmen

5,1

Quelle: 28. Subventionsbericht der Bundesregierung (S.410)

Umfasst Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen, Land- und Forstwirtschaft und Anteile und die Verschonungsbedarfsprüfung für alle Unternehmensgrößen (§ 13a-c, § 28a ErbStG)
CumEx- und CumCum-Steuerraub ? Expert*innen schätzten den Schaden durch CumEx auf mindestens 10 Milliarden Euro. Davon sind bisher etwa 1,4 Milliarden Euro zurückgezahlt. Der geschätzte Schaden durch CumCum beträgt bisher 28 Milliarden Euro.

Kapitalerträge
– anonym und pauschal besteuert

? Bei der Einführung der Abgeltungsteuer schätzte die Bundesregierung die Mindereinnahmen auf 1 bis 1,5  Milliarden Euro (2009 – 2012). Seitdem sind die dafür zum Teil verantwortlichen Zinsen deutlich gesunken. Der monetäre Effekt der Anonymität lässt sich nicht schätzen. Würde man den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer erhöhen, müsste der Steuersatz der Abgeltungsteuer auch steigen.

Immobiliengewinne

– steuerfrei
6

Quelle: DIW, 2021

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schätzte die Bundesregierung 2012 die jährlichen Kosten grob auf 1,5  Milliarden Euro. Mittlerweile dürfte der Wert jedoch deutlich höher liegen. Das DIW schätzt in einer aktuellen Studie den Steuerschaden aus der fehlenden Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auf jährlich 6  Milliarden Euro.
Unternehmensgewinne in Steueroasen 17 Je nach Methodik beträgt der geschätzte Schaden der Gewinnverschiebung in Deutschland 5,7  Milliarden Euro (ifo), 17  Milliarden Euro (ictd, S. 49) oder bis zu 29,1  Milliarden Euro (EUTO). Ein Teil der deutschen Gewinne aus Steueroasen dürfte 2018/2019 als Folge des TCJA in die USA verlagert sein. Der indirekte Schaden durch Steuersatzsenkungen (1998, 2001 und 2008) beträgt laut Schätzung der Bundesregierung 31  Milliarden Euro (Summe der jeweils letzten Schätzung ohne Fortschreibung). Eine weitere Senkung der Körperschaftsteuer würde 17,2  Milliarden Euro kosten und zu 90 Prozent den 10 Prozent profitabelsten Unternehmen zugutekommen.
Spitzensteuersatz auf Talfahrt 14,5 Quelle: Stefan Bach, 2021 (nicht veröffentlicht, Mehreinnahmen durch Spitzensteuersatz von 53 Prozent, ohne Anpassungseffekte)

Gewinne horten in Familienholdings

– steuerfrei
6 Allein für Immobilienholdings schätzt Bach (2021) die jährlichen Verluste auf 3,5  Milliarden Euro. Im Steuersenkungsgesetz schätzte die Bundesregierung die Kosten der Steuersenkung für einbehaltene Gewinne auf 6  Milliarden Euro.
Ausgesetzte Vermögensteuer 9,5

Quelle: Wirtschaftsdienst, 2021

Eine Vermögensteuer von 1 Prozent bringt Einnahmen von 9,5  Milliarden Euro bei einem Freibetrag von 20 Millionen Euro (Superreichen-Steuer) und bis zu 24 Milliarden Euro bei einem Freibetrag von 2 Millionen Euro. Vor der Aussetzung betrug der Steuersatz 1 Prozent  (0,6 Prozent für juristische Personen) und die geschätzten Einnahmeverluste 4,5  Milliarden Euro.

Finanzmarktspekulation und Hochfrequenzhandel

– unbesteuert
17

Quelle: ver.di, 2021 (Download)

Die Schätzung bezieht sich auf eine Finanztransaktionsteuer, die nicht nur Börsenumsätze sondern zum Beispiel auch den Derivatehandel umfasst

Mieteinnahmen

– gewerbesteuerfrei
1,5 Quelle: DIW, 2021

Warum deutsche Milliardär*innen niedriger besteuert werden als ihre Mitarbeitenden

Eine Analyse der öffentlich verfügbaren Informationen zu Unternehmensbeteiligungen deutscher Milliardär*innen zeigt, dass, ähnlich wie in den USA, auch in Deutschland die Unternehmenseigner*innen und Milliardär*innen oft niedrigere Steuern und Abgaben zahlen als ihre Angestellten. Das Ergebnis kommt zustande, obwohl wegen Steuergeheimnis, fehlender staatlicher Analysen von Steuerlücken und intransparenten Immobilienmärkten ein wesentlicher Teil des Vermögens sowie der Umfang von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung unbekannt bleiben.

Besonders auffällig ist die Steuergestaltung bis hin zur Steuerflucht rund um die Weitergabe großer Vermögen an die nächste Generation. Das führt dazu, dass Schenkungen von Betriebsvermögen über 20 Millionen Euro mit weniger als einem Prozent besteuert werden und dass mehrere „deutsche“ Milliardär*innen mittlerweile fast keine Steuern mehr in Deutschland zahlen.

Sehr weit verbreitet ist das Horten großer Vermögen in Familienholdings – teilweise in innerdeutschen Steueroasen wie Grünwald bei München. Durch die Reform der Unternehmensbesteuerung aus dem Jahr 2000 können Gewinne aus den produktiven Unternehmen entnommen und für spekulative Investments weltweit eingesetzt werden. Sie werden bis zur Entnahme für den Privatverbrauch trotzdem nur mit der Unternehmensteuer von 25 bis 30 Prozent besteuert.

Internationale Studien zeigen schließlich für die skandinavischen Länder genauso wie für die USA, dass Reiche im Schnitt einen deutlich größeren Teil Steuern hinterziehen als die Normalbevölkerung. Wie das Beispiel CumEx zeigt, bleibt ein Großteil der Steuerkriminalität lange unentdeckt und ist selbst nach der Entdeckung nur sehr schwer zu ahnden. Auch einige deutsche Milliardär*innen nutzen immer wieder komplexe Gestaltungsmodelle an der Grenze zur Steuerhinterziehung.

Hier geht es zu unserer Petition

Eine gemeinsame Kampagne von