Fragen und Antworten zur Kampagne

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Kampagne „Steuerprivilegien kippen!"

10.09.2021
Rückspiel: Steuerprivilegien Kippen!

Hier findet sich eine Übersicht aller Kampagnen-Ereignisse seit Beginn. 

Steuerprivilegien sind für uns Ausnahmen, Sonderregeln und Schlupflöcher, vor allem für wenige Reiche, für die wir alle am Ende mit höheren Steuern auf normale Arbeitseinkommen und Einkäufe aufkommen müssen. In den letzten 30 Jahren gelang es der Lobby des großen Geldes immer wieder, dass ihre Interessen über die Interessen von Bürger*innen gestellt wurden. Im Bereich der Erbschaftsteuer beurteilte das Bundesverfassungsgericht Ausnahmen sogar wiederholt als verfassungswidrig. Doch bis heute haben wir kein verfassungskonformes Gesetz. Derzeit zahlen Menschen mit einem vererbten Vermögen von mehr als 20 Millionen Euro im Schnitt einen deutlich geringeren Zinssatz als Menschen mit einem Erbe zwischen 500.000 Euro und 2,5 Millionen Euro. Manche superreichen Familien zahlen weniger Steuern als ihre Angestellten. Wir fordern, dass sich dies ändert.

Wir haben uns zehn Steuerprivilegien genauer angesehen. Auch wenn es nicht ganz einfach und eindeutig zu berechnen ist, was eine steuerliche Regelung kostet und wer davon am Ende profitiert, kommen wir selbst mit recht vorsichtigen Annahmen auf mindestens 80 Milliarden Euro (mehr Details dazu hier). Dies entspricht 11 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Für die Lücke müssen Durchschnittsverdienende gleich doppelt aufkommen. Auf der einen Seite wurden Sozialbeiträge und Verbrauchssteuern erhöht. Gleichzeitig sparte der Staat bei wichtigen Zukunftsinvestitionen und finanzierte vieles auf Pump.

 

Weil sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Lobby des großen Geldes durchgesetzt hat. So wurde ein Steuerprivileg nach dem anderen geschaffen. Das war das Hinspiel, das wir verloren haben. Nun organisieren #taxmenow, Netzwerk Steuergerechtigkeit und Finanzwende das Rückspiel. Mit Unterstützung vieler Tausender Menschen wollen wir dafür sorgen, dass die Privilegien gekippt werden. Das Rückspiel sollen die Bürger*innen gewinnen.

Los geht es mit dem Netzwerk Steuergerechtigkeit, #taxmenow und der Bürgerbewegung Finanzwende. 

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit arbeitet seit Jahren zu Steuerfragen und der wachsenden Ungleichheit. Die Bürgerbewegung Finanzwende macht auf fundierter Basis politisch Druck und bringt Missstände an die Öffentlichkeit. Und #taxmenow widerlegt als Initiative von Millionär*innen, dass höhere Steuern nur die fordern, die sie nicht zahlen müssen.

Aber das reicht nicht, um den teuren Studien und Kampagnen der Lobbyist*innen entgegenzutreten. Dafür braucht es viele Tausende Bürger*innen, die mit uns bereit sind, in die Auseinandersetzung mit den finanzstärksten Gegner*innen zu gehen, die man sich vorstellen kann. Und das Bündnis muss wachsen, damit wir gemeinsam die Kraft haben, die schädlichen Fehlentwicklungen der letzten 30 Jahre zurückzudrehen.

Die über Jahrzehnte gewachsenen Steuerprivilegien werden nicht von heute auf morgen kippen, egal wer nach der Wahl die Regierung übernimmt. Wir sind vorbereitet auf eine lange und intensive Debatte. Trotzdem waren wir uns einig: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das Thema „Steuerprivilegien kippen“ auf den Tisch zu bringen. Nur so kann es ein wichtiger Tagesordnungspunkt bei den nach der Wahl anstehenden Koalitionsverhandlungen sein, unabhängig in welcher Farbkonstellation verhandelt wird. Angesichts des großen Einflusses der Lobby des großen Geldes gilt es möglichst frühzeitig, eine Weichenstellung von der nächsten Regierung zu fordern. Andernfalls drohen die Interessen der Gesamtgesellschaft erneut unter die Räder zu kommen, während einige wenige profitieren.

Menschen mit viel Geld versuchen auf verschiedenen Wegen und über unterschiedliche Akteur*innen die Politik zu beeinflussen. Im Kontext von Steuerprivilegien machte sich in der Vergangenheit insbesondere der Verband Die Familienunternehmer und die Stiftung Familienunternehmen einen Namen. Das klingt nach kleiner Bäckerei um die Ecke, nach Familienbetrieb, wo alle anpacken. Doch in Wahrheit sind hier die reichsten Unternehmerfamilien organisiert. Aber auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, eine weitere Organisation mit wohlklingendem Namen, zog gerade bei der Reform der Erbschaftsteuer gegen mehr Steuergerechtigkeit ins Feld. So wurden Millionen von der Lobby des großen Geldes aufgewandt, weil es um Milliarden ging. Und immer wieder machte sich der Geldeinsatz bezahlt, da politische Entscheidungen im Sinn der Milliardär*innen und Co. getroffen wurden.

Pauschale Aussagen zu „die Politik“ sind hier nicht hilfreich. Natürlich unterscheiden sich die Wahlprogramme hinsichtlich der Steuerpolitik. Doch die Vergangenheit ist eine Mahnung. Denn in den letzten Jahrzehnten haben sehr unterschiedlichen Regierungskoalitionen Privilegien für Vermögende auf Druck der Lobby des großen Geldes geschaffen. Das galt für die rot-grüne (SPD/Grüne) Koalition genauso wie für die schwarz-gelbe (CDU/CSU/FDP) Regierung. Das zeigt, dass nur gesellschaftlicher Druck „die Politik“ zum Handeln für Gerechtigkeit bringen kann.  Deswegen starten wir diese Kampagne auch jetzt, schon vor der Wahl.

Das behauptet die Lobby des großen Geldes. Aber für einen Zusammenhang zwischen niedrigen Steuern auf der einen und Wachstum, Innovation, Arbeitsplätzen und Investitionen auf der anderen Seite gibt es keine belastbaren wissenschaftlichen Belege. Immer wieder erscheinen Immobilienerb*innen oder Unternehmenseigentümer*innen in der Zeitung und erzählen persönliche Horrorgeschichten über die Erbschaft- und Vermögensteuer. Oder die Lobby des großen Geldes beauftragt Studien, die hohe wirtschaftliche Verluste oder Fluchtbewegungen prognostizieren.

Was sie meistens verschweigen: Schon jetzt wird nur ein Teil der großen Vermögen produktiv investiert. Viel Geld fließt in Finanzanlagen, oft ohne gesellschaftlichen Nutzen. Durch die Steuern wird das Kapital neu verteilt. Als zusätzliche Steuereinnahmen kann das Geld zum Beispiel für gezielte staatliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Klimaschutz genutzt werden. Im besten Fall ist das Ergebnis sogar: mehr sinnvolle Investition und nachhaltigere Arbeitsplätze.

Eine pünktlich zum Wahlkampf veröffentlichte Studie des wirtschaftsnahen ifo-Instituts (2021) kommt zu dem scheinbar eindeutigen Ergebnis: „Niedrigere Steuern für Unternehmen bringen höhere Löhne und mehr Beschäftigung“ und Umsatzsteuererhöhungen sind besser für Wachstum und Beschäftigung als eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Schaut man sich die Ergebnisse genauer an, zeigt sich, dass selbst mit den gewählten Modellannahmen die Wachstums- und Beschäftigungseffekte einer Steuersatzsenkung sehr gering sind und erst eine zusätzliche Verkürzung der Abschreibungsdauer das gewünschte Ergebnis bringt.

Im Gegensatz zu den ifo-Ergebnissen kommt eine Meta-Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler Stiftung (2021) zu dem Ergebnis, dass sich der Wachstumseffekt niedrigerer Steuern nicht belegen lässt und gerade in jüngeren Studien komplett fehlt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Meta-Analyse der London School of Economics (2020). Auch diese Studie stellt fest: Steuersenkungen bringen weder Wachstum noch zusätzliche Arbeitsplätze. Steuersenkungen für die Reichen bleiben demnach bei den Reichen und kommen anders als behauptet nicht bei uns allen an: senkt man die Steuern für die Reichen um 1 Prozent, steigt ihr Anteil am gesellschaftlichen Reichtum um 0,8 Prozent.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zu Ausnahmen für Betriebsvermögen von der Erbschaftsteuer (2012) kommt schließlich zu dem Ergebnis: „Eine gravierende Bedrohung der Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen durch die Erbschaftsteuer […] wird empirisch nicht bestätigt.“ und „Anstatt Arbeitsplätze zu erhalten, kann die praktizierte Begünstigung sogar Arbeitsplatzverluste mit sich bringen“, weil sie die Entscheidung über Geschäftsstruktur und Geschäftsführung verzerren.

Wegen der Erbschaftsteuer muss niemand sein*ihr Familienunternehmen verkaufen. Um Liquiditätsprobleme zu vermeiden, kann die Steuerbelastung in der Regel über fünf Jahre für Privatvermögen und zehn Jahre für Betriebsvermögen verteilt werden. Stundungen sollen ebenfalls möglich sein. Durch die langen Zahlungszeiträume besteht bei profitablen Unternehmen somit keine Gefahr für die Unternehmensstabilität. Zudem sind Ansätze denkbar, dass der Staat sich im Notfall als stiller Teilhaber beteiligt, sodass ein Verkauf an Dritte verhindert wird.

Hier geht es zu unserer Petition