Standpunkt: Finanzlobby in die Schranken weisen

11.11.2022
Michael Peters

Michael Peters leitet bei Finanzwende den Bereich Finanzsystem und Realwirtschaft. Er hat Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Makroökonomie und Finanzpolitik studiert. Danach hat er an der Schnittstelle von Digitalisierung, Transparenz und öffentlichen Finanzen gearbeitet.  

Bei Kapitalvorschriften für Banken darf es keinen erneuten Schulterschluss zwischen Finanzlobby und Politik geben – gegen die Finanzaufsicht und die Interessen von uns Bürgerinnen und Bürgern.

Strengere Kapitalauflagen sind notwendig, um Banken krisenfest zu machen. Das müsste spätestens seit der Finanzkrise eigentlich jedem klar sein. Doch seit Jahren versucht die europäische Finanzlobby, striktere Vorgaben zu verwässern – bisher mit Erfolg.

Doch von vorne: Auf europäischer Ebene steht derzeit die Einführung neuer Kapitalvorschriften an. Schon 2010 hatte sich das globale Gremium für die Bankenregulierung, der Baseler Ausschuss, auf internationale Standards geeinigt. Während die USA die sogenannten Basel III-Regeln bereits 2014 rigoros umsetzten, hinkt die EU immer noch hinterher. Dies will die EU-Kommission nun endlich ändern.

Das Problem ist, dass die Finanzlobby bereits erfolgreich Einfluss genommen hat. So unterschreitet der Vorschlag, der von der EU-Kommission ausgearbeitet und von den EU-Finanzminister*innen jüngst bewilligt wurde, internationale Standards deutlich.

Stimmt auch das EU-Parlament den Plänen zu, hätten Banken im Krisenfall weniger Kapitalpuffer, als Finanzaufseher*innen fordern. Im Fall von Verlusten drohen damit schnellere Pleiten – und damit erneut milliardenschwere Bankenrettungen auf Staatskosten.

Empörend an der aktuellen Situation ist vor allem eines: Selbst bei strenger Umsetzung der Standards wären die Kapitalpuffer viel zu gering. Die Finanzlobby schwächt also ohnehin schon laxe Auflagen weiter ab. Während Industrieunternehmen in der Regel mit Eigenkapitalquoten von 20 bis 30 Prozent arbeiten, liegen diese Quoten bei Banken oft im unteren einstelligen Bereich.

Trotzdem ist es der Bankenlobby über komplexe Detaildiskussionen gelungen, die geplanten Vorgaben weiter zu untergraben. Ursprünglich war laut europäischer Bankenaufsicht vorgesehen, dass sich die Eigenkapitalvorschriften mit der finalen Umsetzung von Basel III im Schnitt um rund 20 Prozent erhöhen. Der aufgeweichte Vorschlag der EU-Kommission führt jedoch nur zu einem Anstieg um knapp 4 Prozent bis 2030 (bis 2033 sind es dann 7 Prozent). Von der schädlichen Verwässerung profitieren im Übrigen besonders große und deutsche Banken – was vermutlich erklärt, warum sich deutsche Politiker dafür starkgemacht haben.

Setzt sich die Finanzlobby hier durch, wäre das ein katastrophales Signal für unsere Gesellschaft. Die Einzelinteressen von Großbanken werden – mal wieder – über gesellschaftliche Bedürfnisse gestellt.

Nachdem die Verschleppungs- und Vernebelungstaktik der Banken lange funktioniert hat, ist es nun höchste Zeit, dass die EU Basel III sauber umsetzt. Das fordert übrigens nicht nur Finanzwende, das fordern auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bankenaufsicht (EBA). Das Europaparlament muss die Finanzlobby jetzt in die Schranken weisen, im Interesse der Bürger*innen.