Positionspapier: Derivat-Geschäfte in Hessen Milliardenverluste machen weitere Aufklärung notwendig 04.11.2021 Die Fraktionen von SPD, FDP und DIE LINKE erneuern im Rahmen eines Pressegesprächs von Finanzwende ihre Kritik an riskanten Derivat-Geschäften des Landes Hessen und stellen gemeinsam fest: Die in den Jahren 2010 bis 2011 erfolgte massive Ausweitung des Einsatzes von Derivaten in der Schuldenverwaltung des Landes Hessen durch das Hessische Ministerium der Finanzen war ein Fehler mit erheblichen Folgen. Die damalige Annahme des Ministeriums, es solle sich ein „historisch niedriges Zinsniveau“ gesichert werden, hat sich als grundlegend falsch erwiesen und zu einem erheblichen finanziellen Verlust für das Land Hessen geführt. Insbesondere der Abschluss von Forward-Vereinbarungen, die letzten Geschäfte, die 2010/2011 vereinbart worden sind, sind erst 2020 angelaufen, und die Vereinbarung von extrem lange Laufzeiten bis zu 50 Jahre haben erhebliche zusätzliche Risiken geschaffen. Das Land Hessen hat durch diese Geschäfte vom tatsächlich historisch niedrigen Zinsniveau der letzten Dekade überhaupt nicht profitieren können. Allein durch den Einsatz von Forward-Geschäften ist dem Land ein Schaden von 4,2 Milliarden Euro entstanden. Dieser Verlust ist bereits eingetreten und kann auch im Verlauf der Geschäfte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Hessische Ministerium der Finanzen ist beim Einsatz der Geschäfte durch die Hessische Landesbank (HeLaBa) beraten worden. Gleichzeitig wurden mit der HeLaBa auch Derivat-Geschäfte abgeschlossen. Der Bericht des Hessischen Rechnungshofs nach §99 (LHO) zur „Evaluation des Derivateeinsatzes im Land Hessen“ hat einen wichtigen Beitrag zur weiteren Aufklärung der Derivat-Geschäfte geleistet. Er kann aber nicht das Ende der Aufklärung bedeuten. Die Streichung der Ermächtigung für neue Derivate im Haushaltsgesetz durch den Hessischen Landtag war ein folgerichtiger Schritt. Dieser ersetzt aber nicht die Aufklärung der Versäumnisse der Vergangenheit. Außerdem ist die Möglichkeit des Derivateeinsatzes zum Ausschluss von Währungsrisiken oder Risiken aus einer Negativverzinsung weiterhin im Haushaltsgesetz enthalten. Die Fraktionen von SPD, FDP und DIE LINKE halten weitere Aufklärung für dringend geboten. Dazu gehören insbesondere folgende Fragen: „Swap-Optionen“: Durch den Einsatz von Derivaten mit einseitiger Kündigungsoption seitens der Banken hat sich das Risiko einiger Geschäfte noch erhöht. Bei dem Einsatz von „Swap-Optionen“ stellt sich die Frage, welcher weitere finanzielle Schaden durch diese Geschäfte entstanden ist bzw. entstehen kann und ob diese Geschäfte überhaupt zulässig waren? Beratungsmandat der HeLaBa: Der Einsatz von Forward-Geschäften ist im Rahmen der Verträge mit der HeLaBa erörtert worden. Es bleibt zu klären, welche Rolle die HeLaBa bei der Vereinbarung der Derivat-Geschäfte gespielt hat? In Folge der Derivat-Geschäfte hinterlegt Hessen hohe Milliardenbeträge als Sicherheit bei den beteiligten Banken („Barwerte“). Welche Risiken bergen externe Ereignisse, wie etwa der Brexit, für bestehende Derivat-Geschäfte? Auch wenn es bei den Fraktionen von SPD, FDP und DIE LINKE unterschiedliche Sichtweisen gibt, ob der Einsatz von Derivat-Geschäften bei der Schuldenverwaltung eines Landes überhaupt in Erwägung gezogen werden sollte, sind sie sich einig darin, dass das Ausmaß des entstandenen Schadens eine weitere Aufklärung dringend notwendig macht. Dazu sind alle parlamentarischen Mittel zu erwägen. Marius Weiß (SPD-Fraktion), Marion Schardt-Sauer (FDP-Fraktion) & Jan Schalauske (Fraktion DIE LINKE)