Der Fall Eckart Seith 12.12.2024 Der Wirtschaftsanwalt Eckart Seith hat entscheidend zur Aufklärung des Milliardenraubs CumEx beigetragen, dem größten Steuerraub Deutschlands. Seith wurde von der Züricher Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er Belege für kriminelle CumEx-Geschäfte aus der Schweizer Bank Sarasin erhalten und diese an Behörden weitergegeben hat. Nach einem langen Hin und Her wurde der Prozess Ende 2024 eingestellt. Eckart Seith und seinen Mitangeklagten drohte eine Gefängnisstrafe.Doch anstatt sich mit voller Solidarität hinter den wichtigen CumEx-Whistleblower zu stellen, gab es von relevanten politisch Verantwortlichen nur lautes Schweigen. Wir stehen weiter mit voller Solidarität hinter Eckart Seith! CumEx ist ein Milliardenraub zulasten der deutschen Bevölkerung. CumEx steht für einen Krimi in mehreren Akten. Eine Episode der Kategorie „Das ist so verrückt, das kannst Du Dir nicht ausdenken“ ist der Fall Eckart Seith. Eckart Seith war bereits ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, als 2013 der Drogerieunternehmer Erwin Müller auf ihn zukam. Müller hatte ohne Kenntnisse der genauen Hintergründe in einen Fonds der Bank Sarasin investiert, von wo aus dieses Geld für illegale CumEx-Geschäfte eingesetzt wurde. Als diese Geschäfte ans Licht der Öffentlichkeit kamen, verlor Müller viele Millionen. Seith sollte bei der Bank Sarasin erfragen, wo das Geld geblieben war und ihm die verlorenen Millionen zurückholen. Dies gelang dem Anwalt: Seith wies offensichtliche Fehler in der Beratung der Bank Sarasin nach. Doch nebenbei – und das ist wesentlicher – hat Seith zur Aufklärung dieses unglaublichen Raubs beigetragen. Seiths Arbeit als Anstoß für Aufklärung von CumEx Doch von vorne: Seith arbeitete sich, nachdem ihn Müller engagiert hatte, tief in die Materie der hemmungslosen Bereicherung rund um CumEx ein. Der Anwalt kam dank Hinweisgebende an interne Dokumente der CumEx-Bank Sarasin. Diese gewährten ihm noch detailliertere Einblicke. Er erkannte immer deutlicher, wie eine Finanzelite enorme Gewinne auf Kosten der Steuerzahlenden erzielen konnte. Die Gewinne wurden allein aus unberechtigten Steuerrückerstattungen erzielt, obwohl zuvor nie Steuern abgeführt worden waren. Der Staat wurde durch CumEx systematisch ausgeraubt. Viele hätten sich an dieser Stelle damit begnügt und allein die Interessen ihres Mandanten verfolgt. Doch Seith ging weit über das übliche Engagement eines Anwalts hinaus. Er leitete alle Erkenntnisse inklusive der erhaltenen Dokumente an die zuständigen Behörden in Deutschland und der Schweiz weiter und erstattete Anzeige gegen Banker*innen der Bank Sarasin. Seine umfangreichen Informationen bildeten eine wesentliche Grundlage dafür, dass heute die Geschäfte um CumEx und Co. besser verstanden werden und die Ermittlungen gegen zahlreiche an dem Steuerraub Beteiligte eingeleitet werden konnten. Bevor Seith die Dokumente weiterleitete, waren CumEx-Geschäfte als solche zwar schon bekannt. Nicht bekannt waren aber die konkreten Akteur*innen und deren Zusammenarbeit. Hier sorgte Seith für einen entscheidenden Durchbruch: Seine Unterlagen lieferten konkrete Anhaltspunkte und lösten umfangreiche Ermittlungen gegen viele Beteiligte von CumEx-Geschäften aus. So unter Druck gesetzt, sagten einige an den Geschäften Beteiligte umfangreich aus, um Strafmilderung zu erlangen, und lieferten damit wertvolle Erkenntnisse für die Strafermittlungen. Auch Mitarbeitende der Bank Sarasin legten Geständnisse ab – und lieferten weitere Beweismittel. Auf diese Weise waren Seiths Informationen der Ausgangspunkt für weltweite Ermittlungen auch der Kölner Schwerpunktstaatsanwaltschaft. 2014 wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft weltweit Geschäfts- und Privaträume durchsucht, auch die der Bank Sarasin in der Schweiz. Mehrere Beteiligte wurden und werden nun schrittweise zur Rückzahlung geraubter Gelder gezwungen, der weitere Abfluss aus der Steuerkasse konnte gestoppt werden. Finanzwende kämpft für Aufklärung bei CumEx und CumCum! Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: E-Mail* Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden Das Agieren der CumEx-Bank Sarasin Statt die Verantwortung für die getätigten CumEx-Geschäfte zu übernehmen, ging die Bank Sarasin jedoch zum Angriff über, erstattete bei der Züricher Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Seith und seine Unterstützer*innen und beantragte ihre Verhaftung. Im März 2019 wurde Seith und weiteren Hinweisgebenden in Zürich der Prozess gemacht. Die Anklage lautete auf Wirtschaftsspionage, Verrat von Geschäftsgeheimnissen und Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Bei Aufdeckung eines Skandals, der ausschließlich auf Betrug und Raub an der Staatskasse abzielte, von Spionage und Verrat von Geschäftsgeheimnissen zu sprechen, ist schockierend. So kamen mit Eckart Seith und den zwei Mitangeklagten als erstes CumEx-Whistleblower vor ein Gericht, nicht CumEx-Täter*innen. Die Bank Sarasin arbeitete auch eifrig der Züricher Staatsanwaltschaft zu, um Seith und Co. zu stoppen. So meldete der Sarasin-Justiziar der Züricher Staatsanwaltschaft sogar den Urlaubsort Seiths, um ihn auf Mallorca verhaften lassen zu können. Der Anwalt musste sicherheitshalber den internationalen Flughafen meiden, um sicher nach Deutschland zurückzukehren. Doch nicht nur die CumEx-Bank Sarasin reagierte massiv auf Seiths Aktivitäten. Schließlich hat er dafür gesorgt, dass einige Betrüger*innen auf Staatskosten eingesackte Gewinne wieder abgeben müssen und die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass sie hinter Gittern landen. Zunächst erhielt er Drohungen. Doch dabei blieb es nicht. In einer Nacht wurde Seiths Auto geknackt, entwendet und komplett zerstört. Fragwürdiges Agieren der Staatsanwaltschaft Zürich Erschreckend ist, dass am Raub Beteiligte durch das fragwürdige Agieren der Staatsanwaltschaft Zürich seit Jahren in gewisser Weise Unterstützung erfahren haben. Auf der einen Seite unternahm die Staatsanwaltschaft Zürich nichts, als Seith in Zürich die Verfehlungen der CumEx-Bank Sarasin offenlegte. Im Gegenteil, seine Anzeige wurde vom zuständigen Staatsanwalt unberechtigterweise an die Bank weitergeleitet, sodass diese zum Gegenschlag ausholen konnte. Dazu sagte Seith später: Das war, als gebe man einem Täter die Tatwaffe zurück, die er am Tatort liegen gelassen hat.Während also Eckart Seiths Anzeige gegen die CumEx-Bank einfach nicht weiterverfolgt wurde, scheint das Interesse auf der anderen Seite umso größer zu sein, einen Aufklärer hinter Gitter zu bringen. Dank Rückendeckung durch das Schweizer Justizministerium durfte in Zürich sogar wegen Wirtschaftsspionage gegen Seith ermittelt werden. Wie haltlos die ganzen Ermittlungen gegen Seith jedoch sind, zeigen Rechtsgutachten von vier hoch anerkannten Schweizer Rechtsprofessor*innen der Universitäten Basel und Bern. Darin kommt zum Ausdruck, dass die CumEx-Bank Sarasin ihrem Kunden Müller gegenüber rechenschaftspflichtig gewesen wäre und sich ihm gegenüber nicht auf Geheimhaltungsansprüche hätte berufen dürfen. Insbesondere ist auch die Übergabe und Weiterleitung der Dokumente zur Unterstützung Deutschlands bei der Aufklärung des CumEx-Raubzugs ist den Professor*innen zufolge in keiner Weise strafbar (das aktuellere der beiden Rechtsgutachten). Die Kehrtwende im Prozess Im April 2019 wurde Eckart Seith von der schwersten Anklage – der Wirtschaftsspionage – freigesprochen, allerdings dennoch zu einer Geldstrafe in sechsstelliger Höhe wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verurteilt. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Bank Sarasin erhielt eine Gefängnisstrafe. Seith legte sofort Berufung gegen das Urteil ein, die Staatsanwaltschaft allerdings ebenfalls. Am 8. Dezember 2021 begann der Berufungsprozess und es kam zu einer positiven Kehrtwende: Das Obergericht Zürich erklärte einen anfangs mit dem Fall befassten Züricher Staatsanwalt für befangen, der Prozess wurde damit erst mal abgebrochen. Leider sollte es dabei nicht bleiben. Trotz der erheblichen Belastungen für die Angeklagten – einer musste sogar Zeit in Untersuchungshaft verbringen – nimmt der Prozess kein Ende. Im September 2022 folgte die Schreckensbotschaft: Der Prozess wird doch weitergeführt. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich legte Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne ein. Es hob den Beschluss des Obergerichts auf, der die Befangenheit festgestellt hatte. Somit wurde das ursprüngliche Berufungsverfahren fortgeführt. Es drohten noch immer Gefängnisstrafen. Ende 2024 kam dann die gute Nachricht: Das Verfahren wird eingestellt. Der zuerst ermittelnde Staatsanwalt sei nicht unvoreingenommen gewesen, entschieden die Richter in Zürich. Dass Eckart Seith angeklagt wurde, ist bitter – dass er am Ende nicht bestraft wird, ist eine Riesenerleichterung. Über die Jahre hat Finanzwende Eckart Seith begleitet und immer wieder auf seinen Prozess aufmerksam gemacht. 2021: Aktion vor der Schweizerischen Botschaft in Berlin Mit einer Solidaritätsaktion für CumEx-Whistleblower Eckart Seith, unter dem Motto „Der Falsche steht vor Gericht“, hat die Bürgerbewegung Finanzwende im Dezember 2021 auf den Prozess gegen Eckart Seith aufmerksam gemacht und den Freispruch für ihn gefordert. Hinweis: Falls Sie die Aktionsbilder nutzen möchten, wenden Sie sich für weitere Formate in hoher Auflösung bitte an unsere Pressestelle 2024: Protestaktionen in Zürich und Berlin Am 9. Dezember 2024, auf den Tag fast genau drei Jahre nach dem vorübergehenden Abbruch, wurde der Berufungsprozess vor dem Obergericht Zürich fortgeführt. Gemeinsam mit Transparency International Deutschland und weiteren Unterstützer*innen haben wir vor dem Gericht für Solidarität mit Seith demonstriert und einen Freispruch für den Whistleblower gefordert. Wenige Tage später machten wir vor der Schweizerischen Botschaft erneut auf unsere Forderungen aufmerksam. Erstmals mit dabei war auch Finanzwende-Geschäftsführerin Anne Brorhilker, die zuvor als Oberstaatsanwältin in Köln in zahlreichen CumEx-Fällen ermittelt und Täter vor Gericht gebracht hatte – Ermittlungen, die ohne Seiths Enthüllungen so nicht möglich gewesen wären. „Eckart Seith hat sich an alle Regeln gehalten und Zivilcourage bewiesen“, sagte Brorhilker. Dass er vor Gericht stehe sei „eine absurde Ungerechtigkeit“. Hinweis: Falls Sie die Aktionsbilder nutzen möchten, wenden Sie sich für weitere Formate in hoher Auflösung bitte an unsere Pressestelle Solidarität mit Eckart Seith Nicht rechtschaffene Bürger*innen, sondern Kriminelle gehören ins Gefängnis. Viel zu lang sind bei CumEx nur Hinweisgebende hinter Gittern gewesen, gleichzeitig aber kaum Täter*innen! Verkehrte Welt! Wir sagen: Es darf doch nicht strafrechtlich gefährlicher sein, Straftaten aufzudecken, als sie zu begehen. Das gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat. Nicht der Einsatz für unsere Gesellschaft ist ein Verbrechen, sondern betrügerische Geschäfte an den Finanzmärkten zulasten der Allgemeinheit!