Der Fall Eckart Seith

23.03.2023
Ein gezeichnetes Portrait von Eckart Seith. Daneben steht "Der Fall Eckart Seith" und "CumEx Steuerraub"
  • Der Wirtschaftsanwalt Eckart Seith trägt entscheidend zur Aufklärung des Milliardenraubs CumEx bei, dem größten Steuerraub Deutschlands.
  • Seith steht in der Schweiz vor Gericht. Nachdem der zuständige Richter einen Staatsanwalt für befangen erklärt hat, wurde der Prozess Anfang 2022 erst einmal abgebrochen. Weil das ursprüngliche Berufungsverfahren doch fortgesetzt wird, droht Eckart Seith und seinen Mitangeklagten noch immer eine Gefängnisstrafe.
  • Anstatt sich mit voller Solidarität hinter den wichtigen CumEx-Whistleblower zu stellen, gab es von relevanten politisch Verantwortlichen wie Olaf Scholz oder Winfried Kretschmann nur lautes Schweigen. Wir stehen weiterhin mit voller Solidarität hinter Eckart Seith!

CumEx ist ein Milliardenraub zulasten der deutschen Bevölkerung, der demokratiegefährdend ist. CumEx steht für einen Krimi in mehreren Akten. Eine Episode der Kategorie „Das ist so verrückt, das kannst Du Dir nicht ausdenken“ ist der Fall Eckart Seith. 

Eckart Seith war bereits ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, als 2013 der Drogerieunternehmer Erwin Müller auf ihn zukam. Müller hatte anscheinend ohne Kenntnisse der genauen Hintergründe Gelder in CumEx-Geschäfte gesteckt, indem er über die Bank Sarasin in einen „Schmarotzer-Fonds“ investierte. Als diese Geschäfte ans Licht der Öffentlichkeit kamen und die Renditen ausblieben, verlor Müller viele Millionen. 

Seith sollte ihm diese unter zwielichtigen Umständen verlorenen Millionen zurückholen. Dies gelang dem Anwalt: Seith wies offensichtliche Fehler in der Beratung der Bank Sarasin nach. Doch nebenbei – und das ist wesentlicher – hat Seith zur Aufklärung dieses unglaublichen Raubs beigetragen.

Seiths Arbeit als Anstoß für Aufklärung von CumEx

Doch von vorne: Seith arbeitete sich, nachdem ihn Müller engagiert hatte, tief in die Materie der hemmungslosen Bereicherung rund um CumEx ein. Der Anwalt kam dank Hinweisgebende an interne Dokumente der CumEx-Bank Sarasin. Diese gewährten ihm noch detailliertere Einblicke. Er erkannte immer deutlicher, wie eine Finanzelite enorme Gewinne auf Kosten der Steuerzahlenden erzielen konnte. Die Gewinne wurden allein auf Grundlage von Steuerrückerstattungen auf Steuern erzielt, die nie abgeführt worden waren. Der Staat wurde systematisch ausgeraubt. 

Viele hätten sich an dieser Stelle damit begnügt und allein die Interessen ihres Mandanten verfolgt. Doch Seith ging weit über das übliche Engagement eines Anwalts hinaus. Er leitete alle Erkenntnisse inklusive der erhaltenen Dokumente an die zuständigen Behörden in Deutschland und der Schweiz weiter und erstattete Anzeige gegen Banker*innen der Bank Sarasin. 

Seine umfangreichen Informationen wurden die wesentliche Grundlage dafür, dass heute die Geschäfte um CumEx und Co. besser verstanden werden und die Ermittlungen gegen zahlreiche an dem Raub Beteiligte eingeleitet werden konnten. Bevor Seith die Dokumente weiterleitete, war zwar schon klar, dass es die Geschäfte insgesamt gab. Weil aber die konkrete Verbindung zwischen den einzelnen Aktivitäten der verschiedenen Beteiligten nicht nachgewiesen werden konnte, schien es unmöglich, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. 

Hier sorgte Seith für einen entscheidenden Durchbruch: Endlich gab es gerichtsfeste Beweise, mit denen die beteiligten Banker*innen und Berater*innen konfrontiert werden konnten. So unter Druck gesetzt, sagten einige umfangreich aus, um Strafmilderung zu erlangen, und vervollständigten so die Argumentation der Staatsanwaltschaft. Auch Mitarbeitende der Bank Sarasin legten Geständnisse ab – und lieferten weitere Beweismittel. 

Auf diese Weise waren Seiths Informationen der Ausgangspunkt für weltweite Ermittlungen auch der Kölner Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die inzwischen gegen über 1.500 Beschuldigte ermittelt. 2014 wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft weltweit Geschäfts- und Privaträume durchsucht, auch die der Bank Sarasin in der Schweiz. Mehrere Beteiligte wurden und werden nun schrittweise zur Rückzahlung geraubter Gelder gezwungen, der weitere Abfluss aus der Steuerkasse konnte gestoppt werden. Insgesamt konnte schon eine Milliardensumme gerettet werden. 
 


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Das Agieren der CumEx-Bank Sarasin

Statt die Verantwortung für die getätigten CumEx-Geschäfte zu übernehmen, ging die Bank Sarasin jedoch zum Angriff über, erstattete bei der Züricher Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Seith und seine Unterstützer*innen und beantragte ihre Verhaftung.

Im März 2019 wurde Seith und weiteren Hinweisgebenden in Zürich der Prozess gemacht. Die Anklage lautete auf Wirtschaftsspionage, Verrat von Geschäftsgeheimnissen und Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Bei Aufdeckung eines Skandals, der ausschließlich auf Betrug und Raub an der Staatskasse abzielte, von Spionage und Verrat von Geschäftsgeheimnissen zu sprechen, ist schockierend. So kamen mit Eckart Seith und den zwei Mitangeklagten als erstes CumEx-Whistleblower vor ein Gericht, nicht CumEx-Täter*innen.

Die Bank Sarasin arbeitete auch eifrig der Züricher Staatsanwaltschaft zu, um Seith und Co. zu stoppen. So meldete der Sarasin-Justiziar der Züricher Staatsanwaltschaft sogar den Urlaubsort Seiths, um ihn auf Mallorca verhaften lassen zu können. Der Anwalt musste sicherheitshalber den internationalen Flughafen meiden, um sicher nach Deutschland zurückzukehren.

Doch nicht nur die CumEx-Bank Sarasin reagierte massiv auf Seiths Aktivitäten. Schließlich hat er dafür gesorgt, dass einige Betrüger*innen auf Staatskosten eingesackte Gewinne wieder abgeben müssen und die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass sie hinter Gittern landen. Zunächst erhielt er Drohungen. Doch dabei blieb es nicht. In einer Nacht wurde Seiths Auto geknackt, entwendet und komplett zerstört. 

Fragwürdiges Agieren der Staatsanwaltschaft Zürich

Erschreckend ist, dass am Raub Beteiligte durch das fragwürdige Agieren der Staatsanwaltschaft Zürich seit Jahren in gewisser Weise Unterstützung erfahren haben. Auf der einen Seite unternahm die Staatsanwaltschaft nichts, als Seith in Zürich die Verfehlungen der CumEx-Bank Sarasin offenlegte. Im Gegenteil, seine Anzeige wurde vom zuständigen Staatsanwalt unberechtigterweise an die Bank weitergeleitet, sodass diese zum Gegenschlag ausholen konnte. Dazu sagte Seith später: 

Das war, als gebe man einem Täter die Tatwaffe zurück, die er am Tatort liegen gelassen hat.

Während also Eckart Seiths Anzeige gegen die CumEx-Bank einfach nicht weiterverfolgt wurde, scheint das Interesse auf der anderen Seite umso größer zu sein, einen Aufklärer hinter Gitter zu bringen. Dank Rückendeckung durch das Schweizer Justizministerium durfte sogar wegen Wirtschaftsspionage gegen Seith ermittelt werden. 

Wie haltlos die ganzen Ermittlungen gegen Seith jedoch sind, zeigen Rechtsgutachten von vier hoch anerkannten Schweizer Rechtsprofessor*innen der Universitäten Basel und Bern. Darin kommt zum Ausdruck, dass die CumEx-Bank Sarasin rechenschaftspflichtig gewesen wäre und sich nicht auf Geheimhaltungsansprüche hätte berufen dürfen. Die Übergabe und Weiterleitung der Dokumente unter anderem zur wichtigen Unterstützung Deutschlands bei der Aufklärung des CumEx-Raubzugs ist den Professor*innen zufolge in keiner Weise strafbar (das aktuellere der beiden Rechtsgutachten).

Die Kehrtwende im Prozess

Im April 2019 wurde Eckart Seith von der schwersten Anklage - der Wirtschaftsspionage - freigesprochen, allerdings dennoch zu einer Geldstrafe in sechsstelliger Höhe verurteilt. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Bank Sarasin erhielt eine Gefängnisstrafe. Seith legte sofort Berufung gegen das Urteil ein, die Staatsanwaltschaft allerdings ebenfalls. 

Am 8. Dezember 2021 begann der Berufungsprozess und es kam zu einer positiven Kehrtwende: Das Obergericht Zürich erklärte einen anfangs mit dem Fall befassten Staatsanwalt für befangen, der Prozess wurde damit erst mal abgebrochen. Fünf Mal waren Seith und die Mitangeklagten zuvor damit gescheitert, die Befangenheit des Staatsanwalts von einem Gericht anzuerkennen. 

Leider sollte es dabei nicht bleiben. Trotz der erheblichen Belastungen für die Angeklagten, einer musste sogar Zeit in Untersuchungshaft verbringen, nimmt der Schauerprozess kein Ende. Im September 2022 folgte die Schreckensbotschaft: Der Prozess wird doch weitergeführt. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich legte Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne ein. Es hob den Beschluss des Obergerichts auf, der die Befangenheit festgestellt hatte. Somit wird das ursprüngliche Berufungsverfahren fortgeführt. Noch immer drohen Gefängnisstrafen.

Wir fordern Solidarität mit Eckart Seith

Nicht rechtschaffene Bürger*innen, sondern Kriminelle gehören ins Gefängnis. Viel zu lang sind bei CumEx nur Hinweisgebende hinter Gitter gewesen, gleichzeitig aber kaum Täter*innen! Verkehrte Welt!

Wir meinen: Es darf doch nicht strafrechtlich gefährlicher sein, Straftaten aufzudecken, als sie zu begehen. Das gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat. Nicht der Einsatz für unsere Gesellschaft ist ein Verbrechen, sondern betrügerische Geschäfte an den Finanzmärkten zulasten der Allgemeinheit! Wir lassen Eckart Seith weiterhin nicht allein, bis das Ganze endlich ein Ende findet!