Wie funktionierten die CumEx-Geschäfte?

CumEx einfach erklärt

20.04.2023
Hände halten 100€-Scheine ins Bild. Dabei steht "Wie funktionierten CumEx Geschäfte?"
  • CumEx-Geschäfte sind illegale Aktiendeals, bei denen der Staat um mindestens 10 Milliarden Euro bestohlen wurde.
  • Wegen eines Verwirrspiels mit Aktienpaketen von mehreren Akteur*innen erstattete der Staat eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach.
  • Bei den verwandten CumCum-Geschäften nutzten ausländische Finanzinstitute Steuervorteile in Deutschland aus, auf die sie eigentlich kein Anrecht hatten. Der Schaden liegt sogar noch höher als bei den CumEx-Geschäften – bei mindestens 28 Milliarden Euro.

CumEx – vielen läuft schon bei dem Wort ein Schauer über den Rücken. Schließlich ist es das Stichwort für einen Finanzkrimi mit komplizierten Aktiendeals, in die ein Netz aus Banken, Investor*innen, Börsenmakler*innen und Anwält*innen eingesponnen ist. Dazu gehören auch fadenscheinige Verstrickungen zwischen Banker*innen, Finanzinstituten und ranghohen Politiker*innen – schließlich geht es um einen milliardenschweren Steuerbetrug.

Wie die CumEx-Geschäfte genau funktionierten, bleibt für viele rätselhaft – wir liefern hier eine einfache Erklärung eines möglichen CumEx-Geschäfts.

CumEx und Co.

Elementarer Bestandteil der CumEx-Geschäfte war die vertrauliche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Finanzmarktakteur*innen. Gemeinsam erschlichen sie sich unter dem Vorwand einer „Gesetzeslücke“ mehrfache Steuerrückerstattungen auf eine nur einmal gezahlte Steuer. 

Tatsächlich gibt es nicht nur eine Art von CumEx. Stattdessen überbieten sich die Vorgehensweisen gegenseitig an Komplexität. Gemeinsam haben alle Varianten, dass es um Steuerbetrug geht – damit dieser nicht entdeckt wurde, wurden allerhand Ausweichstrategien und unübersichtliche Handlungsmuster eingesetzt. Die gemeinsame Grundstruktur bleibt dabei trotzdem erhalten.


Finanzwende kämpft für Aufklärung bei CumEx und CumCum! Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben:


Das klassische CumEx-Geschäft

An einem typischen und bis zum Jahr 2008 durchgeführten CumEx-Geschäft waren drei Banken beteiligt, die sich am Ende die Beute der Steuer-„Erstattung“ teilten. 

Diese drei Banken handelten mit Aktien eines DAX-Konzerns, der Dividenden an seine Aktionär*innen ausschüttet. Ein Teil des Gewinns, den das Unternehmen erwirtschaftet hat, gibt es zu einem bestimmten Datum (in der Regel einmal im Jahr) an die Aktieninhaber*innen weiter – in Form einer sogenannten Dividende. Eine Aktie vor der Gewinnausschüttung wird auch Cum-Aktie genannt – also eine Aktie mit Dividendenanspruch. Eine Aktie nach der Gewinnausschüttung ist dementsprechend eine Ex-Aktie – also eine Aktie ohne Dividendenanspruch.

Wer Cum-Aktien am Tag der Hauptversammlung, also dem Auszahlungstag, besitzt, bekommt einen gewissen Geldbetrag pro Aktie als Dividende vom Unternehmen ausgezahlt. Auf Dividendenzahlungen fällt in Deutschland grundsätzlich die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent zuzüglich des Solidaritätszuschlags an. Finanzinstituten wird die Kapitalertragsteuer unter Umständen aber zurückerstattet. Die Steuerrückerstattung der nie gezahlten Steuern ist die Beute der CumEx-Geschäfte. 

So weit, so gut. Doch wie konnten Steuern zurückerstattet werden, die nie gezahlt wurden? 

Vor dem Dividendenstichtag

Unser Betrugsbeispiel involvierte mindestens drei verschiedene Banken. Eine ausländische Bank A verkaufte am Tag der Hauptversammlung des Konzerns formal Cum-Aktien an eine in Deutschland ansässige Bank B. Doch die deutsche Bank kaufte Aktien von Bank A, die Bank A ebenfalls noch nicht besaß. Bei solchen sogenannten Leerverkäufen wird im Kaufvertrag festgelegt, bis wann die Aktien tatsächlich geliefert werden müssen.

Dividendenstichtag

Laut Kaufvertrag wurden Cum-Aktien verkauft. Für den Fall einer verspäteten Lieferung von Ex-Aktien sollte eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende gezahlt werden, also die Dividende bereits abzüglich der gezahlten Steuer.

Am Tag der Hauptversammlung bekamen also weder A noch B Dividenden ausgeschüttet, noch zahlten sie Kapitalertragsteuer – keine der beiden besaßen die in Frage stehenden Aktien zu dem Zeitpunkt.

Nach dem Dividendenstichtag

Am Ex-Tag, also an dem Tag nach der Hauptversammlung, verkaufte eine weitere deutsche Bank (Akteurin C) Ex-Aktien, also Aktien ohne Dividendenanspruch, an die ausländische Bank A. Für die Aktien hatte Bank C die Dividende erhalten und die dazugehörige Steuer abgeführt, weshalb die in Deutschland registrierte Bank C eine Steuerbescheinigung erhielt. 

Bank C hatte nun also eine Steuerbescheinigung für eine einmal gezahlte Steuer. Dabei blieb es aber nicht.

Die ausländische Bank A lieferte die von Bank C erhaltenen Ex-Aktien an die deutsche Bank B weiter. Das sind die Aktien, die Bank B anfangs gekauft hatte. Diese wurden nun geliefert, allerdings als Ex-Aktien, ohne Dividendenanspruch. Zusätzlich erhielt sie von der ausländischen Bank A die vereinbarte Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende, also in Höhe der Dividende minus der Kapitalertragsteuer. Denn der ursprüngliche Kaufvertrag bezog sich auf Cum-Aktien, also welche mit Dividendenanspruch. 

Ein wichtiger Teil des Betrugs: Die ausländische Bank A hätte auf die Kompensationszahlung für Bank B ebenfalls Kapitalertragsteuer zahlen müssen, tat dies aber nicht. Im Gesetzestext wurden explizit nur die inländischen Kreditinstitute dazu verpflichtet. Viele interpretierten das so, dass dies nicht für ausländische Kreditinstitute gelte, was falsch ist.

Die inländische Bank B konnte sich anschließend eine Steuerbescheinigung für eine gezahlte Kapitalertragsteuer ausstellen, obwohl Bank A die Steuer nie gezahlt hatte. Bank B konnte darlegen, dass sie Cum-Aktien erworben hatte (über den Leerverkauf) und eine Nettodividende erhielt – die Steuer sei daher bereits abgeführt. Doch die im Ausland sitzende Verkäuferbank A, die sich erst nach dem Dividendenstichtag mit Ex-Aktien eindeckte, hatte die Kapitalertragsteuer eben nicht an ein deutsches Finanzamt abgeführt. Da dies alles zwischen den Parteien so abgesprochen war, handelt es sich hierbei um Betrug.

Um die Handelsstruktur zu verschleiern, wurde die Aktie über Umwege zurück an die inländische Bank C gegeben, der sie ursprünglich gehörte. C und B konnten sich mit ihren Steuerbescheinigungen jeweils die Steuer zurückerstatten lassen, die sie dann mit A teilten.

Bilanz nach dem CumEx-Geschäft

Der Staat hatte die Steuer, die er an B zurückerstattete, also nie erhalten – und machte so einen satten Verlust. Denn es wurden nicht nur einzelne Aktien gehandelt, sondern milliardenschwere Aktienpakete. Bei den Geschäften handelt es sich um einen Gestaltungsmissbrauch, da den Geschäften kein wirtschaftlicher Zweck zugrunde lag. Der Profit wurde rein aus der mehrfachen Steuererstattung generiert. Solche Geschäfte sind illegaler Steuerbetrug.

Diese komplexe Konstruktion mit ausländischen Leerverkäufer*innen, inländischen Erwerber*innen und Dritten führte dazu, dass auch bei einer Steuerprüfung der deutschen Bank B zunächst kein Verdacht entstand. Schließlich waren jeweils unterschiedliche ausländische Banken am An- und Weiterverkauf der Aktien beteiligt – ein Zusammenhang war damit kaum erkennbar.

CumEx vs. CumCum – Was ist eigentlich der Unterschied?

In der Öffentlichkeit geht es – wenn überhaupt – meist um CumEx. Doch CumEx hat noch einen großen Bruder: die sogenannten CumCum-Geschäfte. Während bei CumEx das Schadenvolumen mindestens 10 Milliarden Euro beträgt, sind es bei CumCum Schätzungen zufolge über 28 Milliarden Euro.

Bei CumCum-Geschäften ging es nicht um die Mehrfacherstattung einer Steuer. Stattdessen haben Finanzinstitute illegale Steuervorteile für im Ausland sitzende Inhaber*innen deutscher Aktien generiert. 


Finanzwende kämpft für Aufklärung bei CumEx und CumCum! Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben:


CumCum - immenser Steuerschaden unter dem Radar

Bei den CumCum-Geschäften wollten sich zum Beispiel US-Fonds die Steuer auf Dividenden sparen. Die Aktien wurden deshalb kurzfristig, nur für den Zeitpunkt der Auszahlung der Dividende, an ein Institut übertragen, das die Kapitalertragsteuer zurückerstattet bekommt. Das konnte zum Beispiel eine in Deutschland sitzende Bank sein. Kurz nach der Ausschüttung wanderten die Aktien wieder zurück an den*die ursprüngliche*n Besitzer*in. 

Die gesparte Steuer wurde anschließend unter den Instituten aufgeteilt. Rund zwei Drittel der im DAX notierten Aktien befinden sich im Besitz von ausländischen Aktionär*innen – der Steuerschaden aus CumCum-Geschäften konnte auch deswegen so hoch ausfallen.

Während CumEx-Geschäfte im Jahr 2012 beendet wurden, konnten kriminelle CumCum-Geschäfte noch bis 2015 weiterlaufen.

CumCum CumEx Steuerbetrug

CumCum

Im Schatten von CumEx wurde lange verhindert, dass CumCum-Geschäfte aufgeklärt und illegale Gewinne von Banken zurückgeholt wurden. Inzwischen steht der Rückholung von Steuergeldern nichts mehr im Weg: Doch die Aufklärung steht noch immer ganz am Anfang.
Mehr erfahren