Ampel-Regierung: Freie Fahrt für Finanzlobby?

02.12.2021
Die Ampel-Koalition und die Finanzlobby
  • Auch unter der wohl kommenden Ampel-Regierung scheint die Finanzlobby viele ihrer Interessen durchsetzen zu können.
  • Der ausgehandelte Koalitionsvertrag weist zumindest in diese Richtung.
  • Wir werden gemeinsam Druck machen, damit die Finanzlobby nicht weitere Punktsiege einfährt.

Die Ampel steht, der Koalitionsvertrag ist veröffentlicht, Christian Lindner soll neuer Finanzminister werden. Und es scheint für uns zukünftig nicht weniger Arbeit zu geben. Denn in den letzten Tagen konnten wir bereits sehen, dass die Finanzlobby auch bei einer Ampel zu einflussreich ist.

Verbraucherschutz

Einige gute Vorschläge zum Verbraucherschutz lagen auf dem Tisch, die dann in den letzten Stunden noch durch Herrn Lindner und Co. gekippt wurden. So sehen die Ampel-Mitglieder zum Beispiel nun doch davon ab, den provisionsbasierten Finanzvertrieb durch unabhängige Honorarberatung zu ersetzen, nachdem die Sparkassen während der Verhandlungen hier öffentlich nochmal kräftig Druck gemacht hatten. „Der Koalitionsvertrag ist auch ein Erfolg für die Bankenlobby”, kommentierte die Süddeutsche Zeitung treffend. Dabei sind die Probleme für Kundinnen und Kunden offensichtlich. Einen Übergang zur Honorarberatung einzuleiten, wäre dringend erforderlich.

Auch der wirklich klare Schlussstrich unter die Riester-Rente fehlt. Dabei wäre es 20 Jahre nach deren Einführung wirklich an der Zeit, Bürger*innen in Deutschland ein besseres Angebot zur Altersvorsorge zu machen. Prüfaufträge gab es schon genügend. Bleibt es wieder dabei, so droht, dass auch in Zukunft ihr Erspartes teils in den Kosten eines aufgeblähten Finanzvertriebs versickert. Vage Ankündigungen bei Finanzaufsicht, Inkasso und Kontozugang für alle sowie ein guter, überfälliger Punkt bei den problematischen Restschuldversicherungen können das Gesamtbild leider nicht korrigieren: Es scheint, dass die Ampel eher auf der Seite der Finanzbranche als auf der Seite der Verbraucher*innen stehen wird.

Bankenregulierung

Bei der Bankenregulierung sieht es nicht viel anders aus: Die neue Koalition will die Erleichterungen, die den Banken während Covid-19 gegeben wurden, nicht zurücknehmen, sondern „systematisch evaluieren“. Ausgangspunkt für die weitere Regulierung ist also nicht der Zustand vor der Krise, sondern die Begünstigungen der Krisenzeit. Ein schlechtes Omen für die Kraft der Regierung, für harte Regeln bei Banken zu sorgen. In die gleiche Richtung geht die geplante Evaluation der Bankenregulierung, gegen die man natürlich erstmal nichts sagen kann. Die Gefahr besteht allerdings, dass die Bankenlobby hier das Tor aufgestoßen hat, um die Fortschritte der letzten Jahre noch einmal zur Disposition zu stellen. Damit diese Evaluierungen nicht einseitig zugunsten der Banken und gegen das Stabilitätsinteresse von Realwirtschaft und Bürgern ausfallen, wird es ein Gegengewicht zur Finanzlobby brauchen.

Finanzkriminalität 

Gut ist, dass Barzahlungen bei Immobilienverkäufen verboten werden sollen. Das hat Finanzwende lange gefordert. Auch die Ankündigungen zum Zurückholen der CumEx-Gelder klingen erstmal gut. Doch bleibt manches vage bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität.

Nachhaltige Finanzmärkte

Hat die neue Regierung zumindest den klaren Willen, die Finanzmärkte auf Nachhaltigkeit auszurichten? Der Koalitionsvertrag liest sich nach einer Fortführung des halbherzigen Tuns der bisherigen Bundesregierung, die zwar eine Sustainable-Finance-„Strategie“ veröffentlicht hat, aber letztlich blieb das geduldiges Papier – ganz so, wie die Branchenverbände von Sparkassen und Versicherungen es wollen. Immerhin sollen die öffentlichen Kapitalanlagen nachhaltiger ausgerichtet werden.

Steuergerechtigkeit

Auch ungerechtfertigte Privilegien für Superreiche werden nicht abgeschafft. Im Koalitionsvertrag findet sich kein Wort zu den verfassungswidrigen Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer in Höhe von 6 Milliarden Euro jährlich. Ein schlechter Start für einen liberalen Finanzminister, dass er den Verfassungsbruch seiner Vorgänger anscheinend einfach weiterführt. Die Lobby des großen Geldes scheint also auch in der neuen Regierung Freunde zu haben. Auch bleibt es offenbar dabei, dass Unternehmen Kurzarbeitergeld bekommen können und trotzdem Gewinne ausschütten. Wie das mit dem Leistungsprinzip vereinbar sein soll, ist unverständlich. Denn entweder ist das Unternehmen in einer Krise und braucht staatliche Gelder. Oder es ist nicht in einer Krise und kann Gewinne ausschütten, dann verbietet sich staatliche Hilfe. Party im Geldbeutel von Aktionären und Krise im Geldbeutel bei Staat und Beschäftigten – so etwas wohl nicht korrigieren zu wollen, sagt viel über die neue Regierung aus.

Wie es nun weitergeht

So lässt der Koalitionsvertrag einen aus Finanzmarktsicht enttäuscht zurück. Doch am Ende kommt es auf die Taten und nicht die Worte an. So stand auch eine Vielzahl von zentralen Reformen der letzten Jahrzehnte nie in einem Koalitionsvertrag. Deshalb gilt es gemeinsam Druck zu machen, damit es doch noch zu deutlichen Verbesserungen unter der neuen Regierung kommt.