Falsche Prioritäten? Banken und ihre Boni

Eine Chronik der Millionen- und Milliarden-Aufreger

25.03.2023

Die Finanzbranche nennt sie gerne „variable Vergütung“: Boni sind aus der Bankenwelt nicht wegzudenken – in Millionenhöhe für die Vorstandsetage, aber in etwas geringerer Höhe auch für reguläre Beschäftigte. Bei vielen Banker*innen machen erfolgsabhängige Boni einen Großteil des Einkommens aus, das Versprechen hoher Boni ist Teil der Werbestrategie um neue Mitarbeitende. 

Doch die Praxis zeigt, dass die Bonuszahlungen oft gar nicht so erfolgsabhängig sind – Banken, die jahrelang Verluste in Millionen- und Milliardenhöhe anhäufen, schütten trotzdem immer wieder Boni aus. So war es etwa im Fall der Credit Suisse: Seit 2013 erhielten ihre Mitarbeitenden insgesamt 32 Milliarden Franken (gut 32,3 Milliarden Euro nach heutigem Umrechungskurs) an Boni, während das Kreditinstitut 3,2 Milliarden Franken an Verlusten anhäufte.

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Immerhin: Nach der dramatischen Rettungsaktion für die Bank und viel öffentlicher Aufregung wurde zumindest ein Teil der Bonuszahlungen eingefroren. Doch die Credit Suisse ist nicht das einzige Institut, das bisweilen aberwitzige Boni ausgezahlt hat, wie die folgende (unvollständige) Liste zeigt.

Nicht immer geht es dabei um hohe Verluste – sondern manchmal auch um Banken, die zum Beispiel mit Steuermilliarden gerettet werden mussten oder gerade erst bei kriminellen Tricksereien erwischt worden waren. Und selbst wenn nach solchen Fehlentwicklungen die Boni eingefroren oder gekürzt werden, scheinen die Prioritäten nicht immer richtig gesetzt zu sein, wie das Beispiel der Commerzbank von 2010 zeigt.

Da stellt sich schon die Frage: Sind Banken Selbstbedienungsläden für die Mitarbeitenden, die auch dann hohe Gehälter und Boni bekommen, wenn es gar nichts zu verteilen gibt? Oder sind sie doch Dienstleister*innen, die MItarbeitende an Gewinnen beteiligen, wenn es sie gibt?


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Fall 1: HSH Nordbank (2009)

Drei Milliarden Euro müssen die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein 2009 in die Hand nehmen, um in der Finanzkrise ihre schwer angeschlagene Landesbank HSH Nordbank zu retten. Die verlustreichen Deals der Bank werden später sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und Gerichte beschäftigen – die Vorstandsmitglieder erhalten für das vorangegangene Krisenjahr trotzdem Boni. Allein Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher bekommt 2,9 Millionen Euro. Die öffentliche Kritik daran kommentiert er so:  "Glauben Sie mir, keiner bedauert die Schlagzeilen zu dem Thema mehr als ich."

Fall 2: Goldman Sachs (2009/2010)

Die US-Bank Goldman Sachs, die nach dem Lehman-Crash mit 10 Milliarden US-Dollar (knapp 9,3 Milliarden Euro) gerettet werden musste, verzeichnet wieder ordentlich Gewinn – entsprechend groß sind die sich abzeichnenden Boni. Denn Goldman Sachs plant, fast die Hälfte seines Gewinns in Boni zu verwandeln. Nach verheerender öffentlicher Kritik gibt sich das Management zerknirscht und gelobt Besserung: "Wir sind nicht blind für die wirtschaftliche Situation und den Schmerz und das Leid überall auf der Welt, und wir sind nicht taub gegenüber den Rufen nach Zurückhaltung", sagt Finanzchef David Viniar. Zurückhaltung bedeutet in diesem Fall: immer noch Boni in Höhe von 16,2 Milliarden US-Dollar, im Schnitt knapp 500.000 US-Dollar pro Mitarbeiter*in.

Fall 3: Commerzbank (2010)

In der Finanzkrise ab 2007/2008 geraten auch deutsche Banken ins Straucheln. Der Staat hilft, unter anderem mit stillen Einlagen, knüpft diese aber an Bedingungen. So werden die Vorstandsgehälter gedeckelt, auf 500.000 Euro pro Jahr. Doch schon 2010 versucht Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, die Grenze wieder zu erhöhen, auf 750.000 Euro pro Jahr. Das Finanzministerium lehnt das ab, bemerkenswert ist der Fall aber doch. Erstens, weil die Commerzbank ihre Staatshilfen zu diesem Zeitpunkt nicht zurückgezahlt hat und auch noch keine Zinsen darauf zahlt. Und zweitens, weil Müller nicht nur ihr Aufsichtsratsvorsitzender ist, sondern auch einer Regierungskommission vorsitzt, die eigentlich neue, vernünftige Gehaltsstrukturen für Banken erarbeiten soll.

Fall 4: JPMorgan (2013)

Durch das Versagen des eigenen Risikomanagementsystems hat die US-Großbank JPMorgan Chase Spekulationsverluste in Höhe von 6,2 Milliarden US-Dollar angehäuft. Die britische Aufsichtsbehörde bezeichnete die Vorfälle als “sehr ernst”, da die Schockwellen sich auf andere Märkte ausgeweitet hätten. JPMorgan hat die Tragweite des Desasters dabei lange unterschätzt, räumte aber unter Druck der US-Börsenaufsicht SEC eigenes Fehlverhalten ein. Strafzahlungen in Höhe von 920 Millionen US-Dollar werden fällig – Unternehmenschef Jamie Dimon verzichtet aber trotzdem nicht auf seine Bonuszahlung. Sie wird allerdings im Vergleich zum Vorjahr um gut die Hälfte reduziert. Auf 10 Millionen US-Dollar.

Fall 5: Barclays (2014)

Die britische Bank Barclays zahlt ihren Mitarbeitenden Boni in Höhe von 2,38 Milliarden Pfund (2,7 Milliarden Euro), 10 Prozent mehr als im Vorjahr, muss aber gleichzeitig Stellen abbauen und einen Rückgang des operativen Gewinns um fast ein Drittel verkünden. Erst kurz zuvor hatte die Bank wegen Manipulationen des Referenz-Zinssatzes Libor zudem 290 Millionen Pfund Strafe bezahlen müssen. Barclays-Chef Antony Jenkins kommentierte die Bonuspläne so: "Wir bei Barclays glauben daran, für Leistung zu bezahlen."

Fall 6: Deutsche Bank (2019/2020)

Die 2010er-Jahre sind für die Deutsche Bank schwere Zeiten, ab 2015 verzeichnet die Bank mehrere Jahre in Folge Verluste. Boni für die Mitarbeitenden gibt es trotzdem, der Vorstand übt sich aber in Zurückhaltung: Drei Jahre in Folge gibt es für sie gar keine Boni. 2019 ist es damit aber wieder vorbei. Trotz weiterer (wenn auch sehr kleiner) Nettoverluste erhält die Chefetage 25,8 Millionen Euro an Boni, insgesamt gibt es für alle Mitarbeitenden 1,9 Milliarden. 2020 muss die Bank wieder gewaltige Verluste in Höhe von 5,7 Milliarden Euro melden. Der Vorstand gibt sich zerknirscht und halbiert seine Boni freiwillig, erhält aber noch immer 13 Millionen. Für alle Deutsche-Bank-Mitarbeitenden gibt es insgesamt 1,5 Milliarden Euro.

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