Kundenorientierte Finanzberatung

Provisionen im Beratungswesen sind ein Anreiz für schlechte Beratung von Kund*innen. Deren Geld wird somit wohlwissentlich durch falsche Anreizsetzung auf Anbieterseite unrentabel angelegt. Dies muss sich ändern!

29.01.2020
2 Anzugtragende geben sich die Hand. Hundeköpfe ersetzen ihre Köpfe und davor der Slogan "Kundenorientierte Beratung"
  • Viele Menschen sind bei der Geldanlage auf gute Beratung angewiesen, weil es zu viele komplizierte, unrentable und hochriskante Produkte gibt.
  • Provisionen, die den Verkauf von Produkten belohnen, setzen falsche Anreize und führen immer wieder dazu, dass Verbraucher*innen nicht die Produkte kaufen, die gut für sie sind, sondern diejenigen, die wegen hoher Provisionen gut für den Vermittelnden sind.
  • Finanzberatung muss zu einer Dienstleistung werden, wie wir sie beispielsweise im Anwaltswesen oder bei der Steuerberatung haben: Der Beratende sollte wirklich unabhängig sein und ausschließlich im Interesse der Kund*innen arbeiten. Nur so wird die Beratung auf ein besseres Qualitätsniveau steigen.

Keine Zinsen mehr auf Sparguthaben, geringere Auszahlungen aus der Lebensversicherung als erwartet, Geldanlagen, die sich in Luft auflösen: Für das Alter vorzusorgen, ist in der Finanzkrise und im Niedrigzinsumfeld schwierig geworden. Dass Menschen, die in einem solch sensiblen Bereich Rat suchen, noch immer auf provisionsgetriebene Verkäufer*innen treffen, die ihnen nicht die besten Produkte für sie empfehlen, ist ein unhaltbarer Zustand. Die Interessen der Anleger*innen müssen in der Anlageberatung endlich das einzige Kriterium sein.

Beratung dient heute zu oft den Interessen der Anbieter*innen und Verkäufer*innen

Vor zehn Jahren war viel von der sogenannten „Lehman-Oma“ zu lesen. Gerade unkundigen und älteren Menschen waren Lehman-Zertifikate verkauft worden – oftmals ohne dass diesen bewusst war, dass eine Pleite der Bank gleichbedeutend mit dem Totalverlust der Anlage sein könnte. In der Finanzbranche sprach man abfällig von AD-Kund*innen („a“ für alt und „d“ für doof). Als es dann zur Pleite der Lehman-Bank kam, waren die hohen Provisionen längst in die Taschen der vertreibenden Banken und Sparkassen geflossen, doch das Geld der Anleger*innen war weg. Im Bundestag war man sich damals fraktionsübergreifend einig: Da ist Vieles schiefgelaufen.

Doch was folgte daraus? Es wurde einiges unternommen, was viel Bürokratie verursachte. Das Grundproblem falscher Vertriebsanreize wurde jedoch nicht angegangen. Heute unterliegen Banken und Versicherer mehr Dokumentations- und Transparenzpflichten. Nicht alles davon ist schlecht, doch nicht zu Unrecht schimpfen Vertriebsmitarbeiter*innen und Kund*innen über Papierberge, die bei einem Verkaufsgespräch anfallen.

Trotz mehr Transparenz haben immer noch viele Menschen den Eindruck, eine Anlageberatung sei kostenfrei. Doch das ist sie nur, wenn es zu keinem Vertragsabschluss kommt. Ansonsten sind die Kosten teilweise immens. So beim Verkauf von Versicherungen sogenannte Abschlussprovisionen, teils auch noch zusätzliche  Anreize. Für den Verkauf eines Produkts erhalten die Vertriebsleute einen festgesetzten Betrag, der im Versicherungspreis enthalten ist und somit von den Kund*innen bezahlt wird. Bei Restschuldversicherungen zum Beispiel machen solche Provisionen häufig mindestens die Hälfte der Beiträge aus.

Bei Lebensversicherungen – wie Riester-Policen – ist es der Politik nicht gelungen, sich gegen die Industrie durchzusetzen und die Provisionen zu senken. Und auch bei zahlreichen Fonds kommen erstmal fünf Prozent dem Vertrieb zu Gute, obwohl es im Markt kostengünstige ETFs („exchange-traded funds“) gibt, die zumindest ähnlich erfolgreich sind. Gerade in der Niedrigzinsphase fressen die Vertriebskosten bei vielen Anlageprodukten die komplette Rendite auf.

Schlechte Beratung geht nicht nur oft mit hohen Provisionen einher, weil die Verkäufer*innen zuerst an ihren Geldbeutel dachten. Allzu oft führt sie auch dazu, dass Menschen nicht in das für sie passende und beste Produkt investieren, was immense Schäden verursacht. So sorgte etwa der Fall um P&R für Aufsehen, wo ein Milliardenschaden mehr als 50.000 Menschen betrifft. Und wieder sind auffällig viele ältere Anleger*innen darunter, die in Schiffscontainern anlegen wollten.

Für eine bessere Anlageberatung: Schluss mit falschen Anreizen!

Es hat sich also seit der Lehman-Pleite nichts entscheidend an der Finanzberatung geändert. Die Produktempfehlungen werden in vielen Fällen immer noch von der Höhe der Provisionen beeinflusst. Viele Finanzunternehmen steuern auf diesem Weg, wie sich der Absatz ihrer jeweiligen Produkte entwickelt. Da soll das Interesse der Kund*inen an erster Stelle stehen?

Die Beratung muss sich allein am Interesse der Kund*innen orientieren. Finanzberatung muss zu einer Dienstleistung werden, wie wir sie beispielsweise bei der Rechts- und Steuerberatung haben: Anwält*innen und Steuerberater*innen dürfen ausschließlich im Interesse ihrer Mandant*innen arbeiten. In einer Zeit, in der die digitalen Angebote zunehmen und es mehr passive sowie kostengünstigere Produkte gibt, muss endlich auch die Qualität der Finanzberatung flächendeckend steigen.

Wir fordern einen Schlussstrich unter den Provisionsverkauf zu ziehen und stattdessen auf eine Beratung zu setzen, welche konsequent die Interessen der Anleger*innen an erste Stelle stellt.