CumCum

Holt endlich das Geld zurück!

04.01.2023
CumCum CumEx Steuerbetrug
  • Während die Aufklärung der CumEx-Geschäfte langsam vorankommt, kann davon bei den verwandten CumCum-Geschäften keine Rede sein. Neue Schätzungen für den Zeitraum 2000 bis 2020 zeigen, allein in Deutschland liegt der Mindestschaden aus CumCum-Geschäften bei 28,5 Milliarden Euro.
  • Die Geschäfte wurden erst ab 2016 erschwert. Zusätzlich verhinderten Finanzminister*innen von Bund und Ländern lange, dass der Staat die illegalen Gewinne von den Banken zurückholt. Seit Juli 2021 gibt es neue Anweisungen des Bundesfinanzministeriums. Damit steht der Rückholung der Steuergelder von den Banken eigentlich nichts mehr im Weg.
  • Doch noch immer wurden bundesweit bis Ende 2021 gerade mal 278 Millionen Euro rechtskräftig zurückgeholt. Nicht mal ein Prozent vom Gesamtschaden! Immerhin befinden sich inzwischen CumCum-Fälle mit einem Volumen von über 6 Milliarden Euro in der Prüfung der Behörden. Die Aufklärung steht noch immer ganz am Anfang.

In der Öffentlichkeit geht es meist um CumEx. Doch CumEx hat noch einen großen Verwandten: die sogenannten CumCum-Geschäfte. Der geschätzte Schaden aus CumCum-Geschäften in Deutschland liegt bei über 28 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so hoch wie bei den CumEx-Geschäften. Verwandt sind die beiden auch in Bezug auf das politische Versagen, gegen die Geschäfte vorzugehen.

Die CumCum-Geschäfte liefen bis mindestens 2016. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits gegen zahlreiche CumEx-Täter ermittelt und die CumCum-Geschäfte wiederum waren höchstrichterlich bereits für illegal erklärt worden. Trotz dieser Umstände verhinderten Finanzminister von Bund und Ländern die vollumfängliche Aufarbeitung der Geschäfte und mögliche Rückforderungen. Auch von Seiten der Staatsanwaltschaften gibt es bisher viel zu wenig Aktivität bei CumCum angesichts der Größenordnung der Gelder und der großen Zahl an betroffenen Banken.

Wie funktionierten die CumCum-Geschäfte?

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Wie funktioniert CumCum?

Bei CumEx-Geschäften ließen sich die beteiligten Banken, Fonds oder sonstige Finanzinstitute eine nur einmal ausgezahlte Steuer mehrfach zurückerstatten (Einzelheiten zu den CumEx-Geschäften).

Bei CumCum ging es dagegen darum, sich eine Steuer zurückzahlen zu lassen, auf die der eigentliche Eigentümer der Aktien grundsätzlich kein Anrecht hatte. Hintergrund ist folgende Konstellation:

  1. Steuerinländer, wie zum Beispiel deutsche Banken, haben ein Anrecht darauf, sich die Kapitalertragsteuer zurückerstatten zu lassen. Steuerausländer, also zum Beispiel Staatsfonds oder ausländische Versicherer, die deutsche Aktien halten, haben dieses Anrecht nicht.
  2. Deshalb übertrugen ausländische Halter deutscher Aktien diese für den Zeitpunkt der Dividendenauszahlung an eine in Deutschland sitzende Bank.
  3. Kurz nach der Ausschüttung wanderten die Aktien wieder zurück an den ursprünglichen Besitzer.
  4. Die erhaltene Steuerrückerstattung wurde unter den Akteuren aufgeteilt.

Dieses Vorgehen ist eine missbräuchliche Steuergestaltung. Denn die Geschäfte wurden nur gemacht, um für das Finanzamt eine andere Eigentümerschaft der Aktien (inländische Bank statt ausländischer Pensionsfonds) vorzutäuschen.

Da sich rund zwei Drittel der im DAX notierten Aktien im Besitz von ausländischen Aktionären befinden, ist der Steuerschaden aus CumCum-Geschäften immens hoch. Und bis zum heutigen Tag sind Abwandlungen der CumCum-Geschäfte möglich.

 „Bankenrettung, mal anders“

Spätestens seit 2016 sollten die Finanzverwaltungen der Länder eigentlich mit voller Energie daran arbeiten, die CumCum-Gelder zurückzufordern. Zahlreiche Staatsanwaltschaften sollten Ermittlungen dazu aufnehmen. Schließlich haben sich hier Menschen auf Kosten der Allgemeinheit Milliarden von Euro erschlichen.

Doch weder die Finanzverwaltungen noch die Staatsanwaltschaften scheinen das Thema entschieden anzugehen. Der große Skandal dahinter: Dies schien lange politisch genau so gewollt.

Im November 2016 schickte das Bundesfinanzministerium (BMF) ein Schreiben an die Bundesländer, in dem der Großteil der CumCum-Geschäfte quasi reingewaschen wurde. Das Schreiben wurde Berichten zufolge auch unter Druck einzelner Landesregierungen verfasst, die ihre involvierten Landesbanken vor hohen Rückforderungen schützen wollten, allen voran: Hessen.


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Die Sonderrolle der hessischen Landesregierung

Der hessischen Landesregierung fällt bei der Aufarbeitung der CumCum-Geschäfte eigentlich eine besondere Verantwortung zu: Der Bankenstandort Frankfurt am Main liegt in ihrer Zuständigkeit und somit wohl auch ein Großteil des zurückzuholenden Geldes.

Doch kurz nach Aussenden des BMF-Schreibens im November 2016 wies die Landesregierung ihre Finanzverwaltungen an, Prüfungen der CumCum-Geschäfte einzustellen. Das Handelsblatt beschrieb den Vorgang damals als eine „Bankenrettung, mal anders“. Der ehemalige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) bezeichnete den Vorgang im selben Artikel als eine „skrupellose Kumpanei mit den Banken“.

Eine Intervention des NRW-Finanzministeriums holte das Thema zwar zurück auf die Tagesordnung, allerdings schrieb das darauffolgende BMF-Schreiben aus 2017 nur ein weiteres Kapitel in dem Skandal. Anstatt den Fehler aus 2016 zu korrigieren, setzte die Verordnung eine unnötige zeitliche Grenze im Jahr 2013 für die rückwirkende Aufarbeitung. Prof. Spengel der Universität Mannheim und Experte auf dem Gebiet nannte die beiden BMF-Schreiben „einen Offenbarungseid“.

Die Konsequenz des Vorgehens der Finanzminister von Bund und Länder lässt sich in einer traurigen Zahl, aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im Bundestag, ablesen: Bis Ende 2020 wurden bundesweit gerade mal 135 Millionen Euro zurückgeholtDas ist weniger als ein halbes Prozent des geschätzten Gesamtschadens! 

Die Zeit wird knapp

Im Juli 2021 verschickte das Ministerium dann unangekündigt zwei Neufassungen der Schreiben, die die Fehler aus 2016 und 2017 korrigierten. Der Aufarbeitung der Geschäfte steht nun verwaltungstechnisch nichts mehr im Wege. Bis Ende 2021 erhöhte sich das Volumen der rechtskräftig zurückgeholten Gelder allerdings gerade mal auf 237 Millionen Euro. Inzwischen befinden sich 237 CumCum-Fälle in Bearbeitung, mit einem Volumen von über 6 Milliarden Euro. Allerdings ist auch das nur ein Bruchteil des Gesamtschadens und es gibt weiterhin Zeitdruck. Denn wie bei den CumEx-Geschäften drohen auch bei den CumCum-Geschäften Rückforderungen zu verjähren! Mehr zum Hintergrund der BMF-Schreiben.

28,5 Mrd. € Schaden durch CumCum und erst 0,135 Mrd. € (0,5 %) zurückgeholt

Wir machen Druck!

Wir werden deswegen weiterhin Druck machen, dass die beiden Neufassungen der BMF-Schreiben auch zu tatsächlichen Rückforderungen der illegal erstandenen Gelder führen.

Große Teile der Politik und viele Behörden haben bei CumEx und CumCum über Jahre wiederholt versagt. Hier nun endlich für Gerechtigkeit zu sorgen, ist auch ein wichtiges Element, um weiteren Schaden von unserer Gesellschaft abzuwehren. Was sollen Bürger*innen denken, die immer brav ihre Steuern zahlen, wenn an dieser Stelle bei einem Milliardenskandal nicht alles getan wird, um das Geld zurückzuholen?

Wir erwarten deshalb:

  • Dass die jeweiligen Landesregierungen hier aktiv vorgehen und jetzt die benötigten Ressourcen zur Verfügung stellen.
  • Finanzminister*innen müssen ihre Finanzverwaltungen jetzt klar anweisen, keinen Fall liegen zu lassen.
  • Gleichzeitig sollten sie, ähnlich wie in NRW zur strafrechtlichen Aufarbeitung der CumEx-Fälle, Kontakt mit den jeweiligen Justizminister*innen und Innenminister*innen aufnehmen, um mittels Ermittlungskommissionen ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen.

Hessen muss hier Vorreiter werden!

Wir erwarten vor allem von der hessischen Landesregierung, insbesondere dem hessischen Finanzminister Michael Boddenberg, dass er ein klares Zeichen setzt, dass Hessen die Fehler der Vergangenheit korrigiert!

Eine parlamentarische Anfrage im Bundestag aus August 2019 ergab, dass hessische Finanzinstitute insgesamt über 150 Millionen Euro zurückgelegt haben, falls mögliche Rückforderungen kommen. Ein Vielfaches im Vergleich zu anderen Bundesländern, allerdings nur ein Bruchteil von dem, was Hessen tatsächlich zurückfordern könnte.

Doch bisher hatten sie wenig zu befürchten. Deswegen haben wir am 07.10.2021 einen offenen Brief an Finanzminister Boddenberg geschickt. In seiner Antwort bekundet Finanzminister Boddenberg, Hessen nehme die Aufarbeitung ernst und dass es keine Verjährungen geben werde. Das ist angesichts der Tatsache, dass CumCum über sehr viele Jahre lief und schon viele der früheren Fälle verjährt sind, natürlich wenig glaubwürdig.

Zusätzlich ist eine für die Aufarbeitung eingesetzte Ermittlungsgruppe mit nur zehn Personen besetzt, die sich nicht mal ausschließlich mit CumCum-Geschäften beschäftigen. In NRW stehen der Staatsanwaltschaft Köln über 100 zuarbeitende Stellen der Steuerfahndung und Polizei zur Verfügung – allein für die strafrechtliche Aufarbeitung der CumEx- und CumCum-Geschäfte. Das Personal zur Aufklärung der CumEx-Geschäfte wurde nach unserem öffentlichen Druck auf die nordrhein-westfälische Landesregierung deutlich erhöht.

Wie illegale CumCum-Gewinne zurückgeholt werden können

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Gerhard Schick vor der Vertretung der hessischen Landesregierung

Während die Wichtigkeit der Aufarbeitung angekommen zu sein scheint, ist offenkundig noch nicht angekommen, welcher Kraftakt für die Aufarbeitung der CumCum-Geschäfte benötigt wird. Wir werden auch hier weiterhin Druck machen, dass Finanzminister Boddenberg sich auch wirklich aktiv einbringt, die Gelder zurückzuholen. Unser Brief und die Antwort von Finanzminister Boddenberg zum Nachlesen. 

Schaut man sich die Rückforderung von knapp 50 Millionen Euro an, auf die das Land Hamburg von der Warburg Bank skandalöser weise verzichtete, wiederholen Hessen und anderen Bundesländer jährlich den Skandal nur in einem deutlich größeren Umfang.

Es ist Zeit, die Gelder endlich zurückzuholen!