WestLB Eine Geschichte von Skandalen 11.12.2019 Toxische Immobilienpapiere, Cum-Ex Geschäfte, Lustreisen und eine Milliardenrechnung für die Steuerzahler*innen – die WestLB hat in ihrer 43-jährigen Geschichte kaum einen Skandal ausgelassen. Wie konnte es so weit kommen? Bei ihrer Gründung im Jahr 1969 war die WestLB zunächst als zentrales Institut für die lokalen Sparkassen sowie als Hausbank des Landes Nordrhein-Westfalen gedacht. Dabei hat die Bank nicht nur als Verrechnungsstelle für lokale Sparkassen gedient, sondern auch selbst Bankengeschäfte betrieben. Aber es blieb nicht lange beim regionalen Kreditgeschäft und es folgten schnell die ersten Probleme. Auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten geriet die WestLB in ihren ersten Skandal im Jahr 1973: Devisenspekulationen kosteten die WestLB einen gesamten Jahresgewinn. In den 90er Jahren machte die WestLB schwere Verluste aus nicht abgesicherten Währungsgeschäften während der Krise der russischen Währung (Rubelkrise). In den 1990er Jahren bis in die 2000er machte die WestLB durch Parteienfinanzierung von sich reden. Im Jahr 2000 gab es einen NRW-Untersuchungsausschuss zur sogenannten Flugaffäre – SPD-Spitzenpolitiker*innen hatten sich von der WestLB Flüge finanzieren lassen. Doch die Vorwürfe an die WestLB sind noch viel weitreichender, es war sogar von der „Schaltzentrale der Industrie und Machtinstrument der Sozialdemokratie“ die Rede (vgl. WAZ 2012). Neben den Flügen wurden ein Wahlkampf sowie Immobilien für die Landesregierung finanziert (vgl. Spiegel 2000). Durch Immobiliengeschenke an die Landesbank wurde die WestLB wiederum zu einer der größten Immobilienbesitzerin des Landes. Dies sind nur kleine Ausschnitte von einer Struktur, die der Spiegel im Jahr 2000 eine „Rote[n]-Kassen-Wirtschaft“ nannte (vgl. Spiegel 2000). Ein Schlüsselmoment für die Landesbank war das Jahr 2001. Zum einen musste die WestLB in den darauffolgenden Jahren Rückzahlungen an das Land NRW wegen unerlaubter Beihilfen leisten. Außerdem beendete die EU Kommission damals die explizite Staatsgarantie für Landesbanken und Sparkassen, die sogenannte „Gewährträgerhaftungen“, da diese als unerlaubte Staatshilfe eingestuft wurde. Bis dahin waren alle Verbindlichkeiten der Landesbanken durch den Staat garantiert. Gegenüber anderen Banken brachte dies einen erheblichen Finanzierungsvorteil, der sich in geringeren Zinsen niederschlug (vgl. Puri et al. 2011). Diese Garantie wurde also abgeschafft, allerdings mit einer vierjährigen Übergangsfrist bis zum Jahr 2005. Diese Phase nutzen die Landesbanken, um signifikant mehr Anleihen auszugeben und schnell verfügbare Gelder einzusammeln. Außerdem wurde gleichzeitig ihre Kreditvergabepolitik riskanter, ohne dass sie dafür im Gegenzug höhere Zinsen verlangten (vgl. Fischer et al. 2014, Hellwig 2010). Die in der Übergangsphase angehäuften und schnell verfügbaren Gelder wusste die WestLB zunächst nicht richtig einzusetzen – wie anderen Landesbanken auch hatte die WestLB zwar definierte Aufgaben, es fehlte jedoch ein echtes Geschäftsmodel. Martin Hellwig meint gar, die Landesbanken hätten nie ein profitables Geschäftsmodell gehabt (vgl. Hellwig in TAZ 2018). Laut der heutigen Bremer Professorin Schrooten (2008) haben die Landesbanken zwischen 1994 und 2006 eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 7 Prozent erwirtschaftet, nur halb so viel wie die Sparkassen. Somit waren die Landesbanken auf der Suche nach Anlagestrategien. Sie wurden fündig im Markt für Asset backed commercial paper (ABCP, kurzlaufende Wertpapiere (Schuldverschreibungen), die mit Forderungen beispielsweise aus Autokrediten unterlegt sind) sowie mortgage backed securities (MBS, ebenfalls ein forderungsbesichertes Wertpapier, allerdings ausschließlich mit Immobilienkrediten unterlegt). Diese hochriskanten Finanzprodukte standen wenig später im Zentrum der globalen Finanzkrise von 2008. Gleichzeitig bestand die Finanzierung dieser spekulativen Anlagen fast ausschließlich aus extrem kurzfristigen Krediten, welche bei ersten Anzeichen von Panik sofort eingefroren wurden. Die global eigentlich überschaubaren Landesbanken engagierten sich im US-Immobilienmarkt weit überproportional zu ihrer Größe: Zwischen 2000 und 2006 deckten die elf Landesbanken 8.4% des globalen(!) ABCP Marktes ab (vgl Puri et al. 2011). Kurz um: Die Landesbanken und die WestLB waren zentrale Geldgeber für jene Bankgeschäfte, welche zur größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren beitrugen. Für die WestLB bedeutete ihre tiefe Verstrickung in den MBS-Markt und der Zusammenbruch der Immobilienpreise in den USA schwere Verluste (vgl. RP 2019). 2012 wird die WestLB nach gescheiterter Investorensuche auf Druck der EU-Kommission im Jahr 2012 endgültig zerschlagen. 2013 kommt in NRW erneut ein Untersuchungsausschuss zusammen. Die Themen: „Gratis-Lustreisen“ der WestLB für Amtsträger*innen, das Russlandengagement und der Erwerb einer amerikanischen Flugzeug-Leasinggesellschaft (vgl. Handelsblatt 2013). Und schließlich reihte sich ein weiterer Skandal ein: 2015 werden Vorwürfe laut, die WestLB sei bei den Cum-Ex Steuerskandalen beteiligt gewesen. Der zu dem Zeitpunkt bereits abgewickelten Bank wird vorgeworfen, 2007 bei Aktiendeals den Steuervorteil im Blick gehabt zu haben. Problematisch waren auch die Zins-Swap-Geschäfte mit zahlreichen Kommunen. Das sind komplexe Wettgeschäfte, die die Zinslasten verschuldeter Kommunen senken sollte, tatsächlich aber für viele Kommunen zu hohen Verlusten führten. Kritiker*innen sahen sie als einen üblen Versuch von Banken an, die Kund*innen (neben Kommunen auch mittelständische Unternehmen) über den Tisch zu ziehen, was gerade bei öffentlichen Banken besonders problematisch sei. Erst 2018 gelang der Abwicklungsanstalt der WestLB, auf die das entsprechende Portfolio 2012 übertragen worden war, nach zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, das Thema mit Vergleichen mit 52 Kommunen abzuschließen. Diese Vergleiche sehen leider Vertraulichkeit vor, so dass die Öffentlichkeit weder das gesamte Ausmaß dieser Geschäfte erfahren wird noch, wer dafür verantwortlich war. Die Geschichte der Skandale scheint kein Ende zu nehmen. Die Kosten für die Steuerzahler*innen? Über acht Milliarden Euro stehen als Verlust fest, aufgrund der noch ausstehenden Risiken kann der Verlust aber noch auf bis zu 18 Milliarden Euro steigen (vgl. Hellwig 2017). Referenzen Fischer, Markus; Hainz, Christa; Rocholl, Jörg; Steffen, Sascha (2014): Government Guarantees and Bank Risk Taking Incentives; CESifo Working Paper Series 4706, CESifo Group Munich Handelsblatt (2013): Landtag untersucht „Lustreisen“ der WestLB, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/duesseldorfer-skandal-bank-landtag-untersucht-lustreisen-der-westlb/7642792.html?ticket=ST-26787018-FQauzrlYGhVTOHnCdodr-ap2 , Handelsblatt 16.01.2013, Zugriff 07/10/2019 Handelsblatt (2015): „Natürlich haben wir Cum-Ex-Geschäfte gemacht“, https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/cum-ex/dubiose-steuertricks-der-westlb-die-anweisung-kam-von-oben-/12602710-2.html?ticket=ST-31366416-pEyFpgdvOcHPJVfOEIVL-ap5 , 18.11.2015, Zugriff 07/10/2019 Hellwig, Martin (2010): Finanzkrise und Reformbedarf, Gutachten für den 68. Deutschen Jursitentag, Onlinezugang https://www.coll.mpg.de/53621/2010_19online.pdf , Zugriff 07/10/2019 Hellwig, Martin (2017): Deutschland und die Finanzkrise(n); Wirtschaftsdienst 97 (9), 606-607. Puri, Manju; Rocholl, Jörg; Steffen, Sascha (2011): Global Retail Lending in the Aftermath of the US Financial Crisis: Distinguishing between Demand and Supply Effects; Journal of Financial Economics 100 (3) Schrooten, Mechthild (2008): Finanzkrise: Landesbanken im Wanken; Wirtschaftsdienst 88 (11), 746-748. Spiegel (2000): Die rote Kasse der Genossen, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15680633.html, 14.02.2000, Zugriff 07/10/2019 TAZ 2018: https://taz.de/Oekonom-ueber-zehn-Jahre-Finanzkrise/!5533578/ , 15.09.2018, Zugriff 07/10/2019 WAZ (2012): Das Ende der Ära WestLB – ein Nachruf, https://www.waz.de/wirtschaft/das-ende-der-aera-westlb-ein-nachruf-id6824045.html, 29.06.2012, Zugriff 07/10/2019 Kein weiteres Steuergeld zur Bankenrettung! Mit der Rettung der Landesbank steigt die Summe für die Rettung der Landesbanken seit Ausbruch der Finanzkrise auf über 40 Milliarden Euro. Wir haben in einer Aktion vor dem Landtag in Hannover ein klares Zeichen gegen diese erneute Geldverbrennung gesetzt. Mehr erfahren
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