Olaf Scholz, Peter Tschentscher und die Warburg Bank

07.09.2023

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  • Die Hamburger Finanzbehörden verzichteten im Jahr 2016 darauf, knapp 50 Millionen Euro an CumEx-Geldern zurückzufordern.
  • Inzwischen wissen wir, der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz traf sich zeitlich passend mit den Warburg Eigentümern und verwies an seinen damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher.
  • Tschentscher durchbrach dann die Brandmauer zwischen Politik und Steuerverwaltung. Die Gelder wurden nicht zurückgefordert. Der heutige Hamburger Bürgermeister muss endlich seinen Hut nehmen.

Die Geschehnisse in Hamburg zeigen, dass es bei CumEx nicht nur um Finanzkriminalität an sich geht, sondern auch um die gefährliche Nähe der Bankenszene zur Politik. Ein Untersuchungsausschuss in der Hamburgischen Bürgerschaft hat im November 2020 die Arbeit aufgenommen, um die Verstrickungen zwischen der Warburg Bank und dem Hamburger Senat aufzudecken.

Was bisher bekannt ist, ist bereits erschreckend genug. Die örtlich ansässige Privatbank Warburg pflegte enge Kontakte zum Rathaus und konnte offenbar Millionen von CumEx-Geldern dank ihrer Verbindungen zunächst behalten. Der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher ist nun Erster Bürgermeister in Hamburg. Sein Agieren in 2016 macht ihn in seiner jetzigen Funktion nicht mehr tragbar.

 

Das Millionengeschenk

Im Jahr 2009 ließ sich die Warburg Bank 48 Millionen Euro Steuern vom Staat zurückerstatten. Fast 47 Millionen davon durch illegale CumEx-Geschäfte. Anfang 2016 ermittelte die Staatsanwaltschaft Köln dazu und durchsuchte Bürogebäude der Warburg Bank und dessen Vorsitzenden, Christian Olearius. Kölner Beamt*innen übersandten Hinweise an Hamburg, dass sich die Warburg Bank zwischen 2006 und 2011 bis zu 170 Millionen Euro zu Unrecht durch CumEx-Geschäfte an Steuern zurückerstatten ließ. Hamburg war also bestens über die Geschäfte der Warburg-Bank informiert.

Im Oktober 2016 reagiert das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen und informierte die Warburg Bank, die bis dahin noch nicht verjährten 90 Millionen Euro aus den Jahren 2009 und 2010 müssten zurückgezahlt werden. In 2016 ging es dabei um die Steuererstattungen aus 2009, knapp 50 Millionen Euro. Die Finanzbehörde, das Hamburger Finanzministerium, prüfte die Rückforderung und bestätigte, es gebe keine rechtlichen Einwände.

Innerhalb weniger Wochen kommt es aber zu einer Kehrtwende. Hamburg lässt die Rückforderung der gestohlenen Steuergelder verjähren. Zu diesem Zeitpunkt berichtete bereits die Presse ausgiebig über CumEx und es liefen Ermittlungen gegen Herrn Olearius. Zusätzlich hatten bereits Finanzgerichte die Geschäfte als illegal eingestuft und andere Banken Gelder aus CumEx-Geschäften zurückgezahlt. Doch in Hamburg entschied man, auf die knapp 50 Millionen illegal erstandenen Gelder zu verzichten. Am 01. Januar 2017 verjährte nämlich die Möglichkeit für das Finanzamt, die Gelder aus 2009 zurückzuholen.


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Was geschah in diesen Wochen?

Nachdem die Eigentümer der Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, von der bevorstehenden Rückforderung hörten, wurden sie aktiv. Sie trafen sich mit Olaf Scholz und überreichten ihm eine Verteidigungsschrift, die sie auch dem zuständigen Finanzamt zugeschickt hatten. Olaf Scholz stimmte der Zusammenkunft zu, obwohl zu dieser Zeit bereits Ermittlungen gegen Christian Olearius liefen. Kurz darauf rief Scholz bei Olearius an, er solle die Verteidigungsschrift auch an Finanzsenator Tschentscher schicken, was dieser auch prompt tat.

Als Tschentscher das Schreiben erhält, notiert er darauf „Bitte um Informationen zum Sachstand“ und schickt es weiter an die Chefin der Steuerverwaltung. Das Finanzamt hatte bereits das gleiche Schreiben vorliegen. Wieso also das Schreiben in seiner Behörde noch weitersenden, mit klarer Interessenbekundung, dass er über die nächsten Schritte informiert werden möchte? Zu diesem Zeitpunkt durchbricht Tschentscher die Brandmauer zwischen Politik und Finanzverwaltung. Seinen Beamt*innen ist nun klar, es gibt eine politische Dimension, auf die zu achten ist. Man kann davon ausgehen, dass Scholz aus diesem Grund nicht selbst das Schreiben weiterleiten wollte, da ein von ihm abgezeichnetes Dokument Raum für Interpretationen lässt.

Politische Einflussnahme auf eine solche Entscheidung kann sehr subtil passieren. Tschentscher muss sich dessen bewusst sein, was sein Einmischen zur Folge haben wird. Als er später über den Verzicht auf die Rückforderung informiert wird, hat er keinen Einwand. Wieso auch? Die Entscheidung fiel offenbar ganz in seinem Interesse aus.

Der Bund verhindert zweites Steuergeschenk an Warburg

Im Jahr 2017 erreichen Hamburg erneut Hinweise. Die BaFin leitete eine Sonderprüfung der Warburg Bank ein. Die Wirtschaftsprüfer*innen von Deloitte stellten auf über 1000 Seiten dar, wie die Warburg Bank zwischen 2006 und 2011 in illegale CumEx-Geschäfte verwickelt war. Kurz darauf folgen weitere Berichte aus München und Köln. Erneut geht es um die Warburg Bank. Darunter befinden sich Berichten zufolge Zeugenaussagen, die die Bank direkt beschuldigen und weitere Hinweise auf die Machenschaften der Privatbank.

Doch all das scheint die Verantwortlichen in Hamburg nicht eines Besseren zu belehren. Berichten zufolge befürwortete Tschentscher erneut, die Rückforderungen verjähren zu lassen. Entsprechend droht Ende des Jahres 2017, dass auch noch mögliche Rückerstattungen aus 2010 verjähren.

Glücklicherweise schreitet diesmal das Bundesfinanzministerium ein und gibt eine unmissverständliche Weisung an die Hamburger Behörde, die Gelder zurückzufordern. Die Finanzbehörde schickt daraufhin einen Steuerbescheid für das Jahr 2010 von über 56,4 Millionen Euro an die Warburg Bank. Nachdem über Jahre hinweg das Bundesfinanzministerium im CumEx-Skandal versagte und das Problem in die Länge zog, war der Eingriff in Hamburg der absolut richtige.

Peter Tschentscher ist in seiner Rolle nicht mehr tragbar

Klar ist: Olaf Scholz schuldet der Öffentlichkeit endlich Antworten auf seinen Umgang mit der Warburg Bank in 2016. Sein Verweis auf Erinnerungslücken führt die Bürger*innen vor.

Peter Tschentscher allerdings schuldet der Öffentlichkeit einen Rücktritt. Gegen ihn liegen harte Fakten vor. Er hat die Brandmauer zwischen Politik und Finanzverwaltung eingerissen. Einer Bank und ihren Eigentümern wurden somit kriminell erstandene Gelder von fast 50 Millionen Euro überlassen. Das darf nicht ohne Folgen bleiben.

Peter Tschentscher ist in seiner Rolle als Erster Bürgermeister Hamburgs nicht mehr tragbar. Wer als Politiker*in wie ein CumEx-Pate auftritt und Banken vor hohen Rückforderungen schont, agiert nicht im Interesse der Allgemeinheit. Tritt Tschentscher nicht freiwillig ab, müssen seine Koalitionspartner*innen von den Grünen ihm endlich die Zusammenarbeit aufkündigen.

Der CumEx-Pate: Aktion vor der Hamburger Bürgerschaft

Im Mai 2022 sagte Peter Tschentscher vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aus. Mit einer Aktion in Hamburg haben wir deutlich gemacht, dass CumEx-Pate Peter Tschentscher als Bürgermeister von Hamburg nicht mehr haltbar ist. Wir haben ein übergroßes Filmplakat des Filmklassikers „Der Pate“ enthüllt – mit Peter Tschentscher in der Hauptrolle anstelle von Marlon Brando.