Drohen uns die nächsten Bankenrettungen?

Schwarz-weiß Portrait von Michael Peters mit hellblauem Hintergrund
20.08.2020
Michael Peters

Michael hat Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Makroökonomie und Finanzpolitik studiert. Danach hat er an der Schnittstelle von Digitalisierung, Transparenz und öffentlichen Finanzen gearbeitet. Bei Finanzwende leitet er den Bereich Finanzsystem und Realwirtschaft. Hier finden Sie ein Pressefoto.

Zwei Bankentürme brechen durch Corona-Viren auseinander.
  • Die Wirtschaftskrise wird zur Gefahr für die Banken
  • Kreditinstitute werden schon jetzt durch die Politik gestützt
  • Die europäische Regulierung ist lückenhaft und nicht krisenerprobt

Der Ursprung der aktuellen Wirtschaftskrise liegt nicht im Finanzsystem, aber die Krise ist eine Gefahr für unseren Bankensektor. Allein die direkten Kosten für die Bankenrettungen im Rahmen der Finanzkrise ab 2008 belaufen sich auf über 70 Milliarden Euro deutscher Steuergelder[1]. Die Lehre damals: Nie wieder sollten solche Unmengen von Steuergeldern in Banken fließen, zunächst einmal sollen die Eigentümer haften und/oder die Banken abgewickelt werden.

Und nun? Müssen wir nach dem Corona-Schock schon wieder Banken retten?

Die Gefahr besteht. Natürlich trifft die aktuelle Wirtschaftskrise nicht alle Unternehmen gleich. So gibt es neben einigen Digitalfirmen, die von der Krise profitieren, auch Branchen wie den Einzelhandel, der auf einen Aufhol-Effekt setzt. Die Einschränkung vieler wirtschaftlicher Aktivitäten schuf allerdings auch zahlreiche dauerhafte “Verlierer” wie Restaurants, Kneipen und Kinos, die hohe Verluste verzeichneten und auch heute noch teils unter Corona wirtschaftlich leiden.

Solchen Unternehmen, die Verluste nicht aufholen können, werden die staatlich ausgelobten KfW-Kredite nur bedingt helfen. Ihre Schuldenlast steigt durch jeden Kredit nur weiter, einige drohen daher pleite zu gehen. Bisher wird das vielfach nur verhindert, weil die Bundesregierung die sogenannte Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 ausgesetzt hat.[2] Doch danach könnte es eine ganze Reihe von Insolvenzen geben – und dann kommt der Bankensektor ins Spiel.

Faule Kredite werden zum Bilanzproblem

Ähnlich wie Unternehmen könnte es auch Privatpersonen ergehen, die auf Grund von Arbeitslosigkeit ihre Kredite für die Immobilie oder das Studium nicht mehr tilgen können. Wenn ein Kreditnehmer seit mehr als 90 Tagen im Zahlungsverzug ist, muss die Bank den Kredit im ersten Schritt als notleidend einstufen. Kann er tatsächlich nicht zurückgezahlt werden, wird die Bilanz korrigiert und der Kredit “abgeschrieben”[3]. Allerdings wurde auch diese Regel in der Krise gelockert. Dadurch bleibt das aktuelle Ausmaß notleidender Kredite unklar.[4]

Solche Kreditausfälle wirken sich negativ auf die ohnehin schwache Profitabilität der Banken aus.[5] Um derartige Ausfälle abfedern zu können, bilden Banken üblicherweise Rücklagen – das so genannte Eigenkapital. Dieses Geld ist die Haftungsmasse für Verluste. Im Umkehrschluss gilt daher: Ist das Eigenkapital einer Bank zu gering, droht eine Insolvenz. Um diese Gefahr abzuwenden, wurden nach der Finanzkrise ab 2008 strengere Regeln für die Verschuldung und das Eigenkapital erlassen (Basel III). Das Ziel: Banken sollen auch in Krisenfällen ihrer Kernaufgabe - der Bereitstellung von Kredit und Liquidität – erfüllen.

Erste Finanzspritzen laufen bereits

Ob die neuen Eigenkapitalregeln aktuell ausreichen, darf aber bezweifelt werden. Zuletzt wurde der Bankensektor nämlich indirekt gepäppelt. So stützte beispielsweise die Europäische Zentralbank die Banken, indem sie ihre Refinanzierungsgeschäfte neugestaltete. Durch Zinssenkungen und gelockerte Bedingungen für Sicherheiten erhalten Kreditinstitute bis zu 1 Prozent Zinsen geschenkt, wenn sie genau so viel Kreditvolumen ausgeben wie im Vorjahr. Ende Juni 2020 hatten sich europäische Banken bereits 1,3 Billionen Euro an Liquidität gesichert.[6]

Die Maßnahme zielt darauf ab, die Kreditvergabe durch die Banken am Laufen zu halten. Die Europäische Zentralbank (EZB) befürchtete, dass die Institute wegen der Wirtschaftskrise weniger Kredite vergeben könnten. Ähnlich sieht es das EU-Parlament in Brüssel und erleichterte die Eigenkapitalanforderungen für Banken.[7] Zusätzlich profitieren deutsche Banken (indirekt) von Hilfen der Bundesregierung. Sie umfassen etwa KfW-Hilfskredite, die über Hausbanken ausgegeben werden. Das Ausfallrisiko dieser Schnellkredite sichert der Bund bis zu 100 Prozent. Folglich handelt es sich für Banken um nahezu risikolose Geschäfte, für die sie eine Stückpauschale von 1000 Euro zuzüglich 0,2 Prozent der Kreditsumme jährlich erhalten.[8]

Erst ab September schlägt die Stunde der Wahrheit

Experten beschäftigt nun die Frage: Was passiert, falls im September viele Firmen insolvent werden und in der Folge die erste Bank ins Wanken gerät? Eigentlich wurde für solche Fälle nach der Finanzkrise ein europäischer Bankenabwicklungsmechanismus eingeführt. Die Idee dahinter: Bevor es zu einer erneuten Bankenrettung mit Steuergeldern kommt (Bail-out), werden erst einmal die Anteilseigner der Bank zu Kasse gebeten (Bail-in) – also beispielsweise die Aktionäre oder Inhaber von nachrangigen Anleihen.

Der Plan klingt gut, die Bankeigentümer vorrangig in die Haftung zu nehmen. Dumm ist nur, dass die Regelungen der EU in diesen Punkt zahlreiche Schlupflöcher lassen. Sollte eine Bank wackeln, greift der neue Mechanismus nicht sofort. Im ersten Schritt entscheiden stattdessen zunächst die nationalen Aufsichtsbehörden – in Deutschland also die Finanzaufsichtsbehörde BaFin. Erst danach kommt es zur Abwicklung via EU-Mechanismus.

In der Praxis funktionierte das Verfahren bisher eher mittelprächtig: So wurden beispielsweise die deutsche Nord/LB und die italienischen Monte dei Paschi -  auf nationaler Ebene durch die Hintertür gerettet. Nur ein einziges Mal trat der Abwicklungsmechanismus seit 2015 tatsächlich in Kraft: im Fall der spanischen Banco Popular.[9]

Was bedeutet das für die aktuelle Krise?

Im Lager der Wissenschaft mehren sich mittlerweile skeptische Stimmen zum Abwicklungsmechanismus. Einige fragen sich, ob er für systemische Krisen wie den Corona-Schock überhaupt geeignet ist – insbesondere wegen der Verflechtung von Banken mit anderen Finanzinstituten. So argumentiert etwa eine Studie der Ökonomen Thorsten Beck und Isabel Schnabel.[10] Das Szenario dahinter: Sollte eine Bank abgewickelt werden, könnte dies zu einem Domino-Effekt und weiteren taumendeln Finanzinstitutionen führen.

In der EZB diskutiert man derweil angeblich schon über die Schaffung einer sogenannten Bad Bank.[11] Das sind Spezialbanken die nur eine Aufgabe haben: Sie sollen notleidende Kredite von anderen Banken aufnehmen und diese so entlasten. Diese Vorgehensweise wurde bereits im Zuge der letzten Krise genutzt, um notleidende Kredite aus den Büchern der Banken zu bekommen. Je nach Ausgestaltung würden hier womöglich erneut Bankverluste sozialisiert, da schließlich irgendjemand das notwendige Kapital für eine Bad Bank bereitstellen muss.

Alternativ schlägt der Bonner Makroökonom Moritz Schularick vor, doch gleich alle Banken der Eurozone vorsorglich mit ausreichend Kapital zu versorgen.[12] Allerdings bleibt unklar, zu welchen Konditionen die Banken entsprechendes Kapital vom Staat bekommen würden – und der Fall der Commerzbank hat klar gemacht, dass genau in diesem Punkt die Krux liegt.  

Fazit

Der Corona-Schock stellt die Krisenfestigkeit des Bankensektors erneut auf die Probe. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen lässt sich noch nicht voraussagen, aber Expertinnen zweifeln schon jetzt an der Wirksamkeit bestehender Regulierungen. Europäische Institutionen und die Bundesregierung haben längst damit begonnen, den Bankensektor zu unterstützen, weil sie eine Kreditklemme in der Realwirtschaft verhindern wollen. Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es gewesen wäre, die Rettungsmaßnahmen 2008 bereits mit einem klaren Plan zum Aufbau von ausreichenden Risikopuffern bei den Banken zu verbinden und die Verflechtung zwischen den Banken abzubauen. Denn eine konsequente Schuldenbremse – mindestens 10 Prozent der Bilanzsumme als Eigenkapital – könnte das System stabilisieren.[13] Außerdem sollten Kreditinstitute in Krisenzeiten weder Aktienrückkäufe vornehmen, noch Dividenden auszahlen oder Management-Boni ausschütten.

Bei aller Komplexität über die genaue Vorgehensweise - letztlich lässt sich die Diskussion auf die einfache Frage runterbrechen: Wer zahlt für die Bankenrettungen: Die Bankeigentümer oder die Steuerzahlerinnen? 

Am Text wurden am 31.08.2020 leichte Veränderungen vorgenommen.


[1]Davon ein Großteil für die Landesbanken: https://www.finanzwende.de/themen/banken/landesbanken/?L=0  

[2] https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/Insolvenzantrag/Corona_Insolvenzantrag_node.html

[3] https://www.bankingsupervision.europa.eu/about/ssmexplained/html/npl.de.html

[4] https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Pressemitteilung/2020/pm_200324_corona-krise_aufsichtliche_anforderungen.html

[5] https://www.delorscentre.eu/de/publikationen/detail/publication/eu-banks-vulnerabilities-capital-conservation-key-to-withstanding-corona-crisis

[6] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/ezb-geldsalve-banken-sichern-sich-bei-notenbank-rekordsumme-von-1-3-billionen-euro/25928300.html?ticket=ST-7303808-guZvm6JKBgLfboAvdbUN-ap1

[7] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20200615IPR81234/covid-19-easing-rules-to-encourage-banks-to-lend-to-companies-and-households

[8] https://finanz-szene.de/banking/banken-erhalten-bis-zu-2600-euro-je-kfw-schnellkredit/

[9] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bankenkrise-abgewendet-101.html

[10] https://voxeu.org/article/bank-resolution-frameworks-systemic-crises

[11] https://de.reuters.com/article/ezb-deguindos-banken-idDEKBN23H2CW

[12] https://cepr.org/active/publications/discussion_papers/dp.php?dpno=14927#

[13] https://www.finanzwende.de/themen/banken/schuldenbremse-fuer-banken/?L=0