Offene Immobilienfonds: Wackelige Fundamente

30.10.2024
Offene Immobilienfonds
  • Banken und Sparkassen vertreiben massenhaft offene Immobilienfonds an oftmals konservative Anleger*innen. Das Versprechen: eine solide Anlage mit stabilen Erträgen.
  • Die jüngsten Abwertungen einiger Fonds zeigen aber: Die Produkte sind keine sichere Geldanlage, sondern kommen mit Risiken daher.
  • Gesunkene Immobilienpreise und abfließende Anlegergelder setzen der Branche zu. Weitere Abwertungen sind nicht auszuschließen, die Kritik an den Produkten wird lauter.

Eine solide Anlage mit attraktiven Renditen – wer wünscht sich das nicht? Mit derartigen Versprechen locken Banken und Sparkassen ihre Kundschaft zum Investment in offene Immobilienfonds. Solche Botschaften funktionierten gerade in der Nullzinsphase besonders gut. Zwischen 2016 und 2022 stieg das verwaltete Vermögen offener Publikumsfonds um fast 50 Prozent auf über 130 Milliarden Euro.

Bloß: Das Versprechen von in Beton gegossener Sicherheit bröckelt. Offene Immobilienfonds machten zuletzt vermehrt negative Schlagzeilen. Einzelne Fondswerte brachen ein, Anleger*innen strömen aus dem Segment, die Kritik an den Produkten wird lauter. Zeit zu schauen, was bei den offenen Immobilienfonds los ist. 

Krisen treffen auch offene Immobilienfonds

Die Anbieter verkaufen die Fonds als längerfristige Anlage auch an risikoscheue Kund*innen, die fürs Alter vorsorgen wollen. Die Produkte sind nämlich laut ihren offiziellen Beipackzetteln zumeist besonders sichere Anlagen mit niedrigen bis sehr niedrigen Risikowerten. Demnach eignen sich die Fonds angeblich für Anleger*innen, die jeden Verlust vermeiden wollen – quasi als Sicherheitsbaustein. Doch hier liegt ein Problem.

Offene Immobilienfonds investieren das Geld ihrer Anleger*innen hauptsächlich in Immobilien, zumeist Gewerbeimmobilien wie Bürogebäude oder Einkaufszentren. Bei dieser Sachwertanlage können Anleger*innen – anders als bei geschlossenen Fonds - normalerweise jederzeit ein- und aussteigen.

Wer Fondsanteile über die Anbieter kauft, unterliegt bestimmten Fristen. In der Regel gelten Mindesthaltefristen von zwei Jahren sowie Kündigungsfristen von einem Jahr. Das bedeutet: Wer im November 2024 Fondsanteile kauft, kann sie frühestens ein Jahr später kündigen und erst im November 2026 aussteigen – und zwar zum dann gültigen Marktpreis.   

Alternativ können Anleger*innen Fondsanteile oftmals sofort über die Börse handeln, allerdings zum dort geltenden Preis, der unter dem Anbieterpreis liegen kann.

Die Renditen der Fonds sollen durch Mieteinnahmen sowie steigenden Immobilienwerte generiert werden. Die Fonds kaufen mit den Anlegergeldern eine Vielzahl von Immobilien an verschiedenen Standorten zusammen – mal national, mal regional oder weltweit. So sollen Risiken gestreut werden.

Die großen Fonds der Branche sind über 10 Milliarden Euro wert, in der Spitze sogar über 18 Milliarden Euro. Die Heimathäfen dieser Dickschiffe sind die Sparkassen, Volksbanken und die Commerzbank. Solche und weitere Anbieter dürften gut an den Produkten verdienen, die zumeist mit beträchtlichen Kosten für die Kund*innen daherkommen.

Offene Immobilienfonds sind keine sichere Anlage. Mieten können ausfallen, Immobilien an Wert verlieren. Über die letzten Jahre drückten Zinsanstieg, Pandemie und Inflation die Immobilienpreise. Insbesondere Gewerbeimmobilien – oftmals ein großer Bestandteil der Fondsportfolios – verloren im Zuge von Homeoffice und Onlineshopping an Wert.

Krisen machen nicht Halt vor offenen Immobilienfonds. Wenn die Immobilienpreise sinken, trifft das irgendwann auch die Fonds. Spätestens wenn ein Anbieter zu einem ungünstigen Zeitpunkt Immobilien verkaufen muss und einen geringeren Preis erzielt als ursprünglich erhofft, reißt das Löcher in die Bücher. Das wiederum drückt die Fondsperformance.

Das Beispiel UniImmo: Wohnen ZBI zeigt, dass Anleger*innen mit offenen Immobilienfonds schlagartig Geld verlieren können. Der Volksbanken-Fonds wertete im Juni 2024 um fast 17 Prozent ab, Anlegergelder in Höhe von 800 Millionen Euro verpufften.

Der beträchtliche Verlust dürfte die Anleger*innen überrascht haben. Die Volksbanken hatten ihnen den Fonds als Anlage mit geringen Risiko verkauft, der ausdrücklich für konservative Anleger*innen geeignet war. Diese Anlegergruppe wollte gemäß Selbstauskunft jedes Risiko weitestgehend ausschließen. Stattdessen hatten sie nun mit dem Fonds viel Geld verloren.

Grund für die Verluste war eine sogenannte Sonderbewertung. Der Fonds brauchte Geld, um aussteigende Anleger*innen auszuzahlen. Dieses Geld wollte der Fonds durch den Verkauf von Immobilien beschaffen.

Das Problem: Die Immobilienpreise waren mittlerweile gefallen. Potenzielle Käufer*innen boten für die Immobilien des Fonds nun weniger, als der sich ursprünglich vorgestellt hatte. Der Anbieter senkte daraufhin die Preise seiner Immobilien im Zuge einer Sonderbewertung, um ins Geschäft zu kommen. Den Schaden trugen die Anleger*innen.

Der Fall UniImmo: Wohnen ZBI beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zufolge hat der Anbieter den Fonds mit zu geringem Risiko ausgewiesen. Nun sollen Gerichte klären, ob das rechtens war. Falls die Verbraucherzentrale am Ende Recht bekommt, könnten betroffene Anleger*innen möglicherweise Schadensersatz durchsetzen.

Das Problem mit der Liquidität

In solchen Momenten offenbart sich ein grundsätzliches Problem der Produkte: Die Immobilienwerte der Fonds sind recht illiquide, die Anteile der Anleger*innen hingegen ziemlich liquide. Wollen viele Anleger gleichzeitig ausgezahlt werden, kann das dem Fonds Probleme bereiten. Er muss zuweilen Immobilien kurzfristig abstoßen, um die aussteigenden Anleger*innen auszuzahlen.

Immobilien verkaufen sich aber nicht wie warme Semmeln. Für schicke Bürotürme oder riesige Einkaufszentren gibt es keine Käuferscharen. Und wer unter Druck verkaufen muss, erzielt nur selten einen guten Preis. Das gilt umso mehr, wenn die Nachfrage am Markt ohnehin gering ist.

In der Vergangenheit hat die Unwucht zwischen schwer verkäuflichen Immobilien und plötzlichen Auszahlungswünschen der Anleger*innen so manchen Fonds in die Knie gezwungen. Die Politik reagierte und führte die Halte- und Verkaufsfristen ein. Wer jetzt aus den Fonds aussteigen will, muss mit einem Jahr Vorlauf kündigen – und das Produkt mindestens zwei Jahre lang halten. Die jetzige Regelung macht es zwar weniger wahrscheinlich, dass ein Fonds von heute auf morgen umkippt. Das Grundproblem – illiquide Sachwerte verbunden mit liquiden Anteilen – bleibt aber bestehen.

Auch schwankende Wechselkurse können zum Risiko werden. Hält ein Fonds Immobilien in den USA, braucht er dafür US-Dollar. Verliert nun die US-Währung gegenüber dem Euro an Wert, kommt bei hiesigen Anleger*innen auch weniger an. Diese und weitere Risiken können schon mal neun Seiten im Verkaufsprospekt eines Fonds füllen. Eine sichere Anlage sieht anders aus. 


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Heißer Herbst bei offenen Immobilienfonds?

Derzeit sieht es für die Branche nicht rosig aus. Seit gut einem Jahr kündigen Anleger*innen mehr Anteile als sie kaufen. Stand August 2024 summierten sich die Mittelabflüsse auf 4,3 Milliarden Euro. Die Kündigungen dürften bei manchen Fonds für Spannungen sorgen.

Analysehäuser erwarteten für das Gesamtjahr im Branchenschnitt zudem negative Renditen. Selbst Rücknahmeaussetzungen – Anleger*innen kommen dann nicht an ihr Geld, zum Schutz der Fondsstabilität – seien nicht ausgeschlossen.

Die Kritik von Verbraucherschützer*innen an den Produkten wird derweil lauter. Einige verweisen beim abgewerteten Volksbanken-Fonds auf mögliche Falschberatung von Anleger*innen. Andere empfehlen schon länger, Investments in offene Immobilienfonds gleich ganz zu überdenken. Selbst die Finanzaufsicht informiert mittlerweile sehr detailliert zu den Produkten.

Ob bei den offenen Immobilienfonds ein heißer Herbst ansteht, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die viel beschworene Sicherheit der Fonds steht mal wieder auf dem Prüfstand. Sollte der Geldabfluss im Segment anhalten oder sogar zunehmen, drohen Anleger*innen weitere Verluste. Allein diese Aussicht dürfte risikoscheuen Anleger*innen mit offenen Immobilienfonds im Portfolio schon reichen, um sich düpiert zu fühlen.