Volksbanken: Back to Bodenständigkeit 30.04.2025 Genossenschaftliche Banken wie etwa Volks- und Raiffeisenbanken pflegen oftmals das Image vom soliden Geldhaus, das die Region stärkt. Die Realität sieht zuweilen anders aus: Zuletzt erschütterte eine ganze Reihe von Skandalen die genossenschaftliche Finanzgruppe, die 2024 fast 500 Millionen Euro für wackelnde Banken bereitstellen musste. Diese Problemfälle zeigen: Einige Genossenschaftsbanken betreiben eher spekulative Geschäftsmodelle statt regionalem Banking. Das sollte die Bankengruppe zügig ändern. Volks- und Raiffeisenbanken, das klingt grundsolide. Genossenschaftlich organisiert, in die Region investiert, mit Blick für Menschen und nicht nur fürs Geschäftsergebnis. Fast überall findet sich ein lokales Institut, in manchem Städtchen sogar fünf verschiedene. Die Filiale am Marktplatz scheint weit weg von der Welt der Finanzjongleure. Doch dieser Schein trügt. Das Bild der guten Genoss*innen bröckelt. Eine Reihe von Skandalen erschütterte zuletzt die Finanzgruppe: Drei Banken mussten 2024 unter den verbundeigenen Rettungsschirm, die Finanzaufsicht horchte auf, der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kündigte Reformen an. Zeit, einmal genauer auf Volksbanken & Co. zu schauen. Wilde Geschäfte im beschaulichen Schmalkalden Genossenschaftliche Banken bilden neben privaten und öffentlich-rechtlichen Banken die dritte Säule in der deutschen Bankenlandschaft. Ihr Universum umfasst unter anderem knapp 700 eigenständige Banken, die Zentralbank DZ Bank sowie die Bausparkasse Schwäbisch Hall, R+V Versicherungen oder die Fondsgesellschaft Union Investment. So bieder das Image sein mag, auch Genossenschaftsbanken betreiben mitunter wilde Finanzgeschäfte. So etwa die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden. Kredite für Fußballgeschäfte in Höhe von rund 60 Millionen Euro? Kein Problem, schließlich leistete sich die Bank Stefan Effenberg als Experten für Fußballkredite. Weitere ungewöhnliche Beteiligungen der Bank umfassten Bordell-Immobilien in Oberhausen, eine Wasserquelle am Mönchsberg Athos in Griechenland oder einen stattlichen, aber wohl unrentablen Landmaschinen-Fuhrpark. Derartige abenteuerliche Investitionen sind alles andere als bodenständiges Banking in der Region. Doch genau diesen Ansatz schreiben sich Volks- und Raiffeisenbanken auf die Fahnen. Vergangenes Jahr war es dann soweit. Die Sicherungseinrichtung des BVR musste mit 280 Millionen Euro beim Geldhaus einspringen. Die Skandalbank hatte zuvor schon länger im Clinch mit dem BVR und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gelegen. Die BaFin sorgte 2023 sogar dafür, dass Aufsicht und Vorstand der Bank gehen mussten. Natürlich sind die Schmalkaldener Zustände nicht die Norm bei Volksbanken & Co. Allerdings zeigt der Fall klar: Nicht nur Großbanker*innen neigen zu wilden Finanzgeschäften. Finanzwende kritisiert ungerechte Spielregeln an den Finanzmärkten! Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: E-Mail* Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden Auch Genossenschaftsbanken gehen zuweilen ins Risiko Mit geliehenem Geld spekulieren, dafür sind vor allem Hedgefonds bekannt. Oder eben die Volksbank Dortmund-Nordwest. Ihre Spekulationen hatten fatale Folgen. Die Bank steckte in den letzten Jahren immer mehr Geld in Immobilienfonds. Mit satten 280 Millionen Euro war sie Ende 2022 investiert. Doch die Rechnung ging nicht auf. Die Immobilienpreise sanken und die Bank steuerte mit den Fonds auf Verluste zu, die ihr Eigenkapital weit überstiegen. Die Folge: Der BVR-Stützungsfonds musste wieder einspringen, diesmal mit 134 Millionen Euro. Normalerweise investieren Banken, um ihre Kundeneinlagen renditeträchtig anzulegen. Nicht so die Dortmunder. Sie betrieben ihre Immobilienspekulation auf Pump, finanziert durch die DZ Bank. Die Geschäftsstrategie führte dazu, dass die Volksbank immer weniger Kredite vergeben konnte. Zeitweise stoppte sie die Kreditvergabe sogar ganz, weil sie ihr Geld für die spekulativen Immobiliengeschäfte brauchte. Für Häuslebauer*innen oder Unternehmen in der Region blieb nichts übrig. Unterm Strich: Die Volksbank Dortmund-Nordwest hat wie ein Hedgefonds agiert und riskante Investments über die genossenschaftlichen Ideale gestellt – und geriet deswegen in Schieflage. Immer wieder hapert‘s beim Risikomanagement Auch den bayerischen Genossenschaftsbanken droht Ungemach, genauer gesagt mindestens 100 Millionen Euro Verlust. Schuld ist ihre Beteiligung am bayerischen Agrarkonzern BayWa. In dessen Sparte für erneuerbare Energien klafft ein riesiges Finanzloch. Der schuldenfinanzierte, aggressive Wachstumskurs war mit den gestiegenen Zinsen so nicht mehr umsetzbar. Der Fall BayWa offenbart eine genossenschaftliche Spezialität: Enge personelle und organisatorische Verflechtungen. Bei der BayWa saßen teils dieselben Personen in verschiedenen wichtigen Entscheidungspositionen. Sie ließen die Dinge offenbar eher laufen – bis es eben schieflief. Andere Probleme hat die eigentlich unscheinbare Volksbank Düsseldorf Neuss. Die Bank überwies letztes Jahr 100 Millionen Euro vom Geschäftskonto eines französischen Modelabels in die Türkei, wo das Geld dann verschwand. Offenbar handelte es sich um einen Finanzbetrug. Nichtsdestotrotz fordert das Modelabel das Geld von der Bank zurück, da diese die Überweisungsvorgänge angeblich nicht sorgfältig genug geprüft habe. Damit die Volksbank nicht ins Straucheln geriet, sprang wieder die BVR-Sicherung mit Garantien ein. Die Bank kann also weitermachen. Dennoch wirft der Fall die Frage auf, ob bei den genossenschaftlichen Kontrollinstanzen alles so läuft, wie es sollte. Schlechte Regeln führen zu falschen Anreizen Insgesamt musste der BVR-Stützungsfonds in 2024 mit rund 500 Millionen Euro den Banken in Bad Salzungen Schmalkalden, Dortmund-Nordwest und Düsseldorf Neuss unter die Arme greifen. Das konnte der Verbund zwar problemlos leisten, Geld ist genug da. Allerdings verursachten vergleichsweise kleine Institute diesen beachtlichen Schaden. Sollte mal eins der großen Geldhäuser im Verbund wackeln, sähe die Lage wohl angespannter aus. BaFin-Chef Mark Branson übte entsprechend klare Kritik. Manche Banken seien „nicht gut geführt worden“ oder hätten „kein gutes Risikomanagement“. Sein Fazit: „Genossenschaftliche Strukturen schützen nicht vor Misswirtschaft.“ Eine der Ursachen für mögliche Fehlentwicklungen könnte in der Struktur des Genossenschaftsverbunds liegen. So springt etwa der BVR-Stützungsfonds immer ein, bevor es bei einer Volksbank wirklich brenzlig wird. Einzelne Institute fühlen sich dadurch offenbar von Haftungsfragen befreit – und gehen mehr ins Risiko. Außerdem ist da noch die Rolle der DZ Bank. Das genossenschaftliche Spitzeninstitut ist die zweitgrößte Bank Deutschlands und finanzierte die fehlgeleiteten Spekulationen der Genossenschaftsbanken Bad Salzungen Schmalkalden und Dortmund-Nordwest noch bis kurz vor dem Zusammenbruch. Hier hätten die Warnglocken eindeutig früher läuten müssen. Letztlich ist das verbundeigene Prüfungssystem wohl nicht streng genug. Genossenschaftsbanken müssen sich per Gesetz von einem genossenschaftlichen Prüfungsverband in die Bücher schauen lassen. Doch manche Prüfungsverbände kontrollieren offenbar laxer als andere. Das legt die Häufung der Problembanken bei bestimmten Verbänden nahe. Die Genossen sollten die Reformen zügig angehen Die genossenschaftlichen Banken umfassen knapp 700 Institute, viele von ihnen wirtschaften solide in ihren Regionen. Da ist es besonders bitter, wenn manche zwar die genossenschaftliche Fahne hochhalten, dabei aber wie spekulative Hedgefonds agieren. Das sollte sich zügig ändern. Der BVR hat mittlerweile einen gewissen Handlungsbedarf erkannt. Verbandschefin Marija Kolak kündigte zuletzt Reformen an. Das Risikobewusstsein solle geschärft, Probleme früher identifiziert und Informationen besser geteilt werden. Aus Sicht von Finanzwende ist klar, dass Volksbanken & Co. sich vor allem auf ihr Kerngeschäft konzentrieren sollten. Heißt: Kredite für Unternehmen und Häuslebauer*innen in der Region, statt wilden Abenteuern mit Immobilien oder Wasserquellen. Zudem sollte das Prüfungssystem riskante Geschäftsmodelle verlässlicher aufdecken. Es sollte nicht möglich sein, dass manche Prüfungsverbände gegebenenfalls laxer prüfen als andere. Externe zusätzliche Prüfungen könnten Abhilfe schaffen. Volksbanken & Co. pflegen ein verlässliches Image. Das ist eine gute Zielvorgabe. Denn langweiliges und skandalfreies Banking ist genau das, worum es den Genoss*innenen gehen sollte.