Bundesfinanzministerium ist Sprachrohr der Bankenlobby in Brüssel 18.04.2023 Sehr geehrte Damen und Herren, In der heiklen Frage einer Liberalisierung des Verbriefungsmarkts vertritt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Brüssel die Position der Bankenlobby – mit teilweise wörtlicher Übernahme von Lobby-Argumenten. Das geht aus bisher nicht-öffentlichen Dokumenten hervor, die der Bürgerbewegung Finanzwende vorliegen. “Christian Lindner sieht seine Aufgabe offenbar vor allem darin, in Brüssel Sprachrohr deutscher Großbanken zu sein”, sagt Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick. “Das ist besonders problematisch, wenn es um Produkte wie Verbriefungen geht, die uns ja schon einmal in eine schwere Finanzkrise geführt haben.” Konkret liegen Finanzwende zwei Schreiben vor, die sich mit einer möglichen Liberalisierung des Verbriefungsmarkts beschäftigen. Das erste Schreiben ist ein gemeinsamer Brief der Bankenverbände aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden an den Parlamentarischen Staatssekretär im Finanzministerium, Florian Toncar (FDP), vom 4. Mai 2022. “Wir müssen den europäischen Verbriefungsmarkt fördern, indem wir den zu konservativen und generell zu komplexen Regulierungsrahmen neu kalibrieren”, heißt es darin. Das zweite Schreiben stammt vom Januar 2023, es ist ein gemeinsames Papier des deutschen Finanzministeriums und des französischen Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen, gerichtet an die EU-Kommission. Die Forderung darin: eine “umfassende Überprüfung” der EU-Regeln für Verbriefungen. Denn diese seien “konservativ” und “zu komplex” und müssten “rekalibriert” werden. Die beiden Ministerien wenden sich damit ausdrücklich gegen die Position der EU-Kommission und der europäischen Finanz-Aufsichtsbehörden. Diese hatten den Rechtsrahmen für Verbriefungen erst kurz vorher überprüft und für gut befunden. In beiden Schreiben finden sich ähnliche konkrete Vorschläge dazu, wie die “Rekalibrierung” aussehen könnte – darunter weniger Transparenz und eine weitere Reduzierung der ohnehin geringen Eigenkapitalanforderungen. “Nicht einmal 15 Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers kämpft die Bankenlobby für die Lockerung von Regeln, die eine neue Krise verhindern sollen”, sagt Gerhard Schick. “Wenn sich ein deutscher Finanzminister in einer so heiklen Frage vor den Karren der Finanzlobby spannen lässt, wirft das grundsätzliche Fragen nach seinem Amtsverständnis auf. Arbeitet er für uns oder arbeitet er für die Bankenlobby?” Weitere Details zu den Dokumenten (inkl. Download-Links) finden Sie hier. Hintergrund zu Verbriefungen Das Instrument der Verbriefung erlaubt es Banken, ihre Risiken an andere Investoren zu verkaufen. Dazu werden Kredite – für Autos, den privaten Hausbau, Unternehmen – zu Bündeln geschnürt und in Form von Wertpapieren an den Kapitalmärkten verkauft. Der Vorteil für die Bank: Die Kredite verschwinden aus der Bilanz. Das Eigenkapital, das sie für den Fall zurücklegen muss, dass Kredite nicht zurückgezahlt werden können, wird reduziert. Im Vorfeld der Finanzkrise 2008/2009 wurden die Risiken vieler US-Immobilienkredite durch solche Neu-Verpackungen verschleiert und überall im Finanzsystem verteilt – bis hin zu den deutschen Landesbanken. Als die Blase am US-Immobilienmarkt platzte, wurden die als sicher angepriesenen Investments wertlos und rissen die Bankbilanzen mit in den Keller. Es war der Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Über Finanzwende Finanzwende ist ein überparteilicher Verein mit über 7.500 Mitgliedern. Zehntausende beziehen den Newsletter. Die Organisation wurde im Jahr 2018 anlässlich des zehnten Jahrestages der Lehman Brothers-Pleite gegründet. Finanzwende versteht sich als eine unabhängige Interessenvertretung von und für Bürgerinnen und Bürger. Sie bildet ein Gegengewicht zur Finanzlobby. Durch Kampagnen und kritische Recherchen kämpft sie für ein gemeinsames Ziel: die Finanzwende – damit die Finanzwirtschaft den Menschen dient. https://www.finanzwende.de/ueber-uns/wer-wir-sind Tobias Hanraths Pressesprecher +49 160 929 81 855 presse@finanzwende.de