Standpunkt: Künftige Bundesregierung muss Kahlschlag europäischer Nachhaltigkeitsregeln verhindern!

01.04.2025
Magdalena Senn

Magdalena Senn ist bei Finanzwende für das Thema Sustainable Finance zuständig. Sie hat in Tübingen, Berlin und Paris Volkswirtschaft und politische Ökonomie studiert. Danach hat sie im Europaparlament die Arbeit eines Abgeordneten im Wirtschafts- und Währungsausschuss begleitet.

Die künftige Bundesregierung sollte sich in den Koalitionsverhandlungen gegen den Abbau von europäischen Nachhaltigkeitsregeln positionieren.

Die künftige Bundesregierung sollte sich in den Koalitionsverhandlungen gegen den Abbau von europäischen Nachhaltigkeitsregeln positionieren, statt wie von der CDU in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen, die Deregulierung von Nachhaltigkeitsregeln voranzutreiben. Denn die entsprechenden Vorschläge der Kommission untergraben die Transformation und stürzen Unternehmen in Unsicherheit. 

In der vergangenen Legislaturperiode hat die Europäische Union Regeln für die Transparenz und Verantwortung großer Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit geschaffen. Dazu gehören die Regeln für Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen (CSRD), die Klassifizierung nachhaltiger Investitionen (Taxonomie) und das EU-Lieferkettengesetz mit Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt (CSDDD). 

Mit dem aktuellen „Omnibus“-Vorschlag will die Kommission europäische Nachhaltigkeitsregeln unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus radikal zurückschrauben. Die CDU treibt dieses Anliegen auch in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD voran. Die Folgen für den nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft wären verheerend. Denn Investor*innen und Banken brauchen Daten über die Umweltwirkung von Unternehmen, um deren Risiken zu bewerten und Investitionen in zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu finanzieren. Für Anleger*innen ist Transparenz unerlässlich, damit sie nicht Greenwashing auf den Leim gehen. 

Eine Vereinfachung und Verbesserung der Regeln wäre sinnvoll und wünschenswert. Doch während die EU-Kommission genau das verspricht, implizieren ihre Vorschläge tatsächlich einen radikalen Kahlschlag. Da die meisten der Regeln erst seit kurzem oder noch gar nicht angewendet werden, untergraben die Vorschläge die Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen, die sich bereits darauf eingestellt haben. Verschiedene Investorengruppen und große Unternehmen wie beispielsweise Nestlé oder Ikea haben sich gegen die Vorschläge ausgesprochen.

Deutschlands Stimme hat in Europa großes Gewicht. Wenn die Koalitionär*innen wirklich hinter den Klimazielen stehen, wie sie gerne beteuern, müssen sie sich in Brüssel gegen den Kahlschlag der Nachhaltigkeitsregeln stellen. Eine geordnete Transformation ist nur mit verlässlichen Nachhaltigkeitsdaten, Transparenz und verantwortlichen Unternehmen möglich. Bürokratieabbau darf nicht bedeuten, dass Klima, Umwelt und Menschenrechte zur Disposition stehen.

Gleichzeitig sollten die Koalitionär*innen die Gelegenheit nutzen, um sich für die Rücknahme der ungerechtfertigten Ausnahme der Finanzbranche aus dem EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Diese Ausnahme könnte mit dem Omnibus-Gesetz zementiert werden, obwohl sie nur durch ein aggressives Vorgehen mächtiger Finanzlobbys und gegen eine Mehrheit von EU-Mitgliedstaaten und Parlamentarier*innen überhaupt zustande gekommen ist.