Standpunkt: Spekulation mit Lebensmitteln eindämmen

31.05.2022
Michael Peters

Michael Peters leitet bei Finanzwende den Bereich Finanzsystem und Realwirtschaft. Er hat Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Makroökonomie und Finanzpolitik studiert. Danach hat er an der Schnittstelle von Digitalisierung, Transparenz und öffentlichen Finanzen gearbeitet.  

Der Spekulation mit Lebensmitteln muss Einhalt geboten werden.

Der Preis für Weizen klettert aktuell von Rekordwert zu Rekordwert. Insbesondere im Globalen Süden wächst so auch die Angst vor weiteren Hungersnöten.

Die Gründe für den Preisanstieg scheinen auf der Hand zu liegen: In der Ukraine, eine der größten Getreideexporteur*innen, herrscht Krieg. Doch auch Energie und Dünger, für die Produktion besonders wichtig, waren schon vor dem Krieg deutlich teurer geworden. Ernteausfälle und Exportstopps in anderen Teilen der Welt verstärken die Knappheit noch. Doch der Preis wird darüber hinaus durch Spekulation an den Finanzmärkten getrieben. Einer Studie zufolge sind allein in der ersten Märzwoche 2022 4,5 Milliarden Dollar in Fonds geflossen, die mit Agrarrohstoffen handeln. Es braucht dringend strengere Regeln, damit die Börsen nicht zusätzlich die Preise in die Höhe treiben.

Es braucht dringend strengere Regeln, damit die Börsen nicht zusätzlich die Preise in die Höhe treiben.

Die Idee von Weizen und Co. an den Finanzmärkten ist nicht grundsätzlich schlecht. Landwirt*innen können ihre Ausgaben wie Saatgut über den vorgezogenen Verkauf ihrer Ernte finanzieren. Für sie erhöht das Ganze die Planungssicherheit: Preis und Liefertermin der Ernte stehen fest. Die Einkäufer*innen spekulieren währenddessen auf steigende Preise – dann könnten sie den Vertrag oder die Ware später gewinnbringend weiterverkaufen.

Die traditionelle Absicherung der Ernte ist allerdings längst zur Nebensache geworden. Kamen 1996 an der Chicagoer Rohstoffbörse noch fast neun Produzenten auf einen Spekulanten, machten Weizen-Spekulanten im März 2022 40 bis 70 Prozent der Börsenteilnehmer aus.

Lebensmittelspekulation: Es wurde 2019 Mit 5 MRD. Tonnen Weizen spekuliert dabei gab es auf der Welt nur 731 Mio. Tonnen Weizen! Wie kann das sein?

Sind Spekulant*innen also in der Überzahl? Tatsächlich steht die Anzahl der gehandelten Agrarrohstoffe in keinem Verhältnis zur realen Produktion. 2019 wurden in den USA und Europa Futures über fünf Milliarden Tonnen Weizen abgeschlossen – während die globale Jahresernte nur 731 Millionen Tonnen betrug. Spekuliert wurde also mit dem 6,8-Fachen der Ernte! Das kann zu enormen Preisschwankungen führen. Je mehr die Preise schwanken, desto teurer wird die Absicherung für die Produzent*innen – und desto teurer in der Regel die Preise für Lebensmittel.

Es muss Schluss sein damit, dass mit einem Vielfachen der Jahresernte spekuliert werden kann. Deshalb braucht es dringend strenge Positionslimits und deutlich mehr Transparenz. Und hinter dem Thema steht einmal mehr die Grundsatzfrage, wie tief Finanzmarktlogik unsere kritische Daseinsvorsorge durchdringen soll.