CumEx-Whistleblower Eckart Seith sagt Danke

Finanzwende war für mich da – bitte unterstützen Sie Finanzwende

24.03.2022
Brief von Eckart Seith an Finanzwende

Vor drei Jahren begann für Eckart Seith ein juristischer Alptraum: Eckart Seith hat Informationen über den CumEx-Steuerraub aufgedeckt und wurde in der Schweiz dafür angeklagt. Uns allen bei der Bürgerbewegung Finanzwende war sofort klar: Hier steht der Falsche vor Gericht. Deshalb forderten wir unter anderem die deutsche Politik zu seiner Unterstützung auf. 

Ende 2021 war es dann endlich so weit: Die Schweizer Justiz stellte fest, dass die Verfolgung von Seiths mutigem Handeln und die Haftbefehle gegen seine Informanten von Anfang an Unrecht gewesen sind. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, aber Eckart Seith ist erleichtert.

Lesen Sie hier seinen Brief an die Bürgerbewegung Finanzwende und ihre Unterstützer und Unterstützerinnen. 


Liebe Freundinnen und Freunde der Finanzwende, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

als ich im März 2013 mit Hilfe interner Erkenntnisse aus der Schweizer Bank Sarasin die Aufnahme der umfassenden Cum-Ex-Ermittlungen durch das Bundeszentralamt für Steuern und Staatsanwaltschaft Köln ermöglichte, wurde ich zum Staatsfeind der Schweiz. Die Gleichung der Schweizer Justiz war einfach: Transparenz verdirbt das Geschäft, Schweizer Banken haben mit Cum-Ex gute Geschäfte gemacht und der Schutz unserer Geschäfte ist Staatsaufgabe. Meine Schweizer Gesprächspartner und ich wurden so zu Wirtschaftsspionen und Geheimnisverrätern. Über Jahre hinweg versuchten unsere Verteidiger ergebnislos Schweizer Gerichte – bis hoch zum Schweizer Bundesgericht – davon zu überzeugen, dass die Aufdeckung von Cum-Ex-Straftaten nicht strafbar sein kann – und die Staatsanwalt Zürich die Falschen verfolgt.

Für das offizielle Deutschland war das unsere Privatsache. Meine Informanten und ich hatten ja keinen Auftrag, bei deutschen Finanz- und Strafbehörden Ermittlungen anzustoßen und Beweise zu liefern.

Gerhard Schick, die Finanzwende und 18.000 Unterstützer haben für uns den öffentlichen Rückhalt geschaffen, der nach sechs vergeblichen Anläufen die Züricher Justiz zur Umkehr genötigt hat. Finanzwende orientiert ihr Engagement an der Frage „was nützt der Gesellschaft“ – und was schadet ihr. Über 20 Jahre hinweg haben sich mit Cum-Ex einige Wenige auf Kosten der Allgemeinheit schamlos bereichert. Begünstigt wurden die jährlich wiederkehrenden Raubzüge von uninteressierten Behörden, einem selbstgefälligen Finanzministerium und letztlich auch politisch Verantwortlichen, die lieber heute als morgen den Mantel des Vergessens und Verschweigens über das Versagen ausgebreitet hätten. Mit dem völlig verharmlosenden Abschlussbericht des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages schufen die damaligen Mehrheitsfraktionen dann auch noch die irritierende Überschrift „Aufklärung unerwünscht“.

Was ist das für ein Zeichen für den Zusammenhalt, Funktionsfähigkeit und den Grundkonsens unserer Gesellschaft?

Es ist ein großartiger Verdienst von Finanzwende und ein persönlicher großer Verdienst von Gerhard Schick, dass dieses gefährliche Gerechtigkeitsdefizit heute ausgeglichen wird. Auch die Medien haben dazu wesentlich beigetragen. Aber das Beispiel Cum-Ex verdeutlicht, dass die Grenzen der Finanzsysteme über die Behörden und Medien hinweg mit einer stabilen, fähigen und unabhängigen Organisation im Auge behalten werden müssen. Sonst gerät unsere Gesellschaft in Schieflage.

Bei aller internationaler Erfahrung als Wirtschaftsjurist hatte ich es doch nicht für möglich gehalten, dass sich die Schweizer Justiz bei der Aufdeckung des Cum-Ex-Systems ganz offen und zielgerichtet auf die Seite der organisierten Wirtschaftskriminalität schlagen würde. Nach außen präsentiert sich die Schweiz als scheinbar untadeliger Rechtsstaat.

Im März 2013 hatte ich neben den deutschen Behörden auch die Zürcher Staatsanwaltschaft informiert. Die drehte den Spieß aber um, erwirkte Haftbefehle und verhaftete meine Schweizer Gesprächspartner. Vor 3 Jahren sprach uns das Bezirksgericht Zürich teilweise frei – aus formalen Gründen – um den drei Angeklagten trotzdem eine Menge Dreck hinterherzuwerfen. Illoyalität meines angeblichen Informanten gegenüber dem Arbeitgeber Sarasin, Verletzung von anwaltlichen Pflichten und Verstoß gegen wirtschaftliche Kerninteressen der Schweiz.

Die Züricher Staatsanwaltschaft wollte uns weiterhin im Gefängnis sehen. Sie legte Berufung ein und beantragte langjährige Haftstrafen, insgesamt mehr als 10 Jahre. Auch wir Angeklagten gingen in Berufung.

In den 3 Jahren bis zur Berufungsverhandlung im Dezember 2021 nahm auch dank Finanzwende der Druck auf die Schweizer Justiz zu. Nach langem Zögern und internen Widerständen hatte Nordrhein-Westfalen die Cum-Ex-Ermittlungsgruppe um die Oberstaatsanwältin Brorhilker verstärkt. Aus dem mit meiner Anzeige angestoßenen Ermittlungsverfahren war ein erstes Cum-Ex-Strafurteil des Landgerichts Bonn hervorgegangen. Im Sommer 2021 bestätigte der Bundesgerichtshof die Schuldsprüche. Cum-Ex-Geschäfte sind sehr schwere Straftaten.

Jetzt wagten sich in das deutsche Justizministerium und das Auswärtigen Amt ganz vorsichtig aus der Deckung und ordneten für unser Berufungsverfahren vor dem Zürcher Obergericht eine diplomatische Prozessbeobachtung durch die deutsche Botschaft an. Das Obergericht machte die Kehrtwende. Während die erste Instanz die ermittelnden Staatsanwälte noch als vorbildliche „Maßfiguren“ der Schweizer Justiz geehrt hatte, verwarf das Obergericht jetzt die Anklage. Die Staatsanwaltschaft sei befangen gewesen und habe in die falsche Richtung ermittelt. Die Verfolgung, die Haftbefehle und die Untersuchungshaft meiner Mitstreiter waren von Anfang an Unrecht. Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft Beschwerde zum schweizerischen Bundesgericht eingelegt hat; aber der Pflock ist jetzt eingeschlagen.

​​​​​​​Das ist mein Fazit:

Ohne bürgerschaftliches Engagement wäre Cum-Ex nie ganz ans Licht gekommen. Die unvorstellbare kriminelle Energie einzelner Banken und Finanzmarktteilnehmer und ihrer Berater wäre verwischt geblieben – und der Finanzmarkt hätte mit seinen Grenzüberschreitungen die Allgemeinheit Jahr für Jahr weiter in Milliardenhöhe geschädigt. Trotz bester Anwälte hätte ich mich nicht gegen die Schweizer Justiz behaupten können. Wir wären für unseren Beitrag zur Eindämmung der organisierten Wirtschaftskriminalität sang- und klanglos zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Herzlichen Dank für Euer aller Unterstützung.

Mit freundlichem Gruß

Eckart Seith

Brief im Original als PDF


Über Eckart Seith

Der Wirtschaftsanwalt Eckart Seith trug entscheidend zur Aufklärung des Milliardenraubs CumEx bei, dem größten Steuerraub Deutschlands. Er hat Informationen über den CumEx-Steuerraub aufgedeckt und neben deutschen auch Schweizer Behörden über die illegalen Machenschaften informiert. Die Schweizer aber klagten nicht etwa die wahren Verbrecher, sondern ihn an. Damit begann eine drei Jahre andauernder Alptraum für Eckart Seith, der vorerst im Dezember 2021 endete. 


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