Lobbystrategien der Private-Equity-Branche 22.05.2025 Private-Equity-Firmen sind heute in fast allen Lebensbereichen präsent – von der Mietwohnung über die Arztpraxis bis zum Fußballclub. Eine neue Studie zeigt, wie Private Equity versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Besonders brisant: Einzelne Branchenriesen lobbyieren ohne Eintrag im Lobbyregister des Deutschen Bundestags. Und die Bundesregierung schweigt über ihre Lobby-Kontakte. Unternehmen mit viel fremdem Geld kaufen, sie mit viel Renditedruck umbauen, wenige Jahre später mit Riesengewinn wieder verkaufen – das ist das Geschäftsmodell von Private Equity. Pflegeheime und Arztpraxen, Einzelhändler und Fußballclubs, tausende Mietwohnungen und vieles mehr gehören heute Private-Equity-Konzernen. Sie heißen zum Beispiel Blackstone, Partners Group oder Nordic Capital. Diese Konzerne gelten als „Milliardärsmaschinen“. Indem sie auf vielfältige Weisen Vermögen aus den gekauften Unternehmen extrahieren, machen sie ihre Top-Manager*innen steinreich. Den Preis zahlen nicht selten die Schwächsten der Gesellschaft: Mieter*innen, die sich nach einer Luxussanierung ihre Wohnung nicht mehr leisten können; Patient*innen, bei denen Untersuchungen ausbleiben, weil sie nicht rentabel sind; Menschen, die eine künstlich hochgerechnete Heizkosten-Nachforderung nicht bezahlen können. Finanzwende kritisiert schon länger die Rolle von Private Equity in Bereichen der Daseinsvorsorge. Finanzwende Recherche hat in mehreren Studien untersucht, wie Private Equity zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt, in der Pflege oder im Bereich Gesundheit agiert. Eine neue Analyse von Finanzwende zeigt nun erstmals die Lobby-Strategien der Finanzgiganten. Erkenntnis 1: Private Equity nutzt eine Vielzahl an Lobby-Akteur*innen und Strategien Zur Private-Equity-Lobby gehören einzelne Unternehmen wie KKR aus den USA, Verbände wie der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) mit Sitz im Berliner Regierungsviertel sowie Kanzleien, Agenturen und Unternehmensberatungen, die für Private Equity lobbyieren – eine personell wie strategisch breit aufgestellte Allianz. Die Lobbyist*innen pflegen ihre Drähte in die Politik mit Parteispenden und kleinen Gefälligkeiten, treffen Politiker*innen hinter verschlossenen Türen und nutzen Auftragsstudien, um Kritik am Geschäftsmodell von Private Equity zu diskreditieren. Auch die Unternehmen im Portfolio von Private Equity sind Teil der Lobbystrategie. So lobbyierte 2023/24 nicht unbedingt Private Equity selbst gegen Begrenzungen von Finanzinvestoren in Arztpraxen – investorenbetriebene Praxen und Labore taten es aber schon. Dorthin wurden Politiker*innen zu Stippvisiten eingeladen. Die Botschaft: Wer Private Equity im Gesundheitssektor strenger regulieren will, schadet letztendlich der sympathischen Arztpraxis im eigenen Wahlkreis. Was treibt die Finanzlobby? Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: E-Mail* Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden Erkenntnis 2: Private Equity und die Finanzlobby werden von der Politik privilegiert eingebunden Ein Beispiel: die WIN-Initiative für Wachstums- und Innovationskapital, ein Bündnis aus Politik und Finanzbranche, das die neue Bundesregierung fortsetzen will. Die Initiative war 2024 von Christian Lindner (FDP) initiiert worden, unterstützt von Kanzleramt und Wirtschaftsministerium. Die Idee: Unternehmen wie die Deutsche Bank und Blackrock investieren mehr, im Gegenzug verbessert die Politik die Rahmenbedingungen für ihre Geschäfte. Die entsprechenden Vorschläge kommen zum großen Teil von der Branche selbst, etwa vom Private-Equity-Lobbyverband BVK. Tatsächlich wurde ein Vorschlag der WIN-Initiative schon vom Finanzministerium aufgegriffen – ein Vorschlag, der Steuerschlupflöcher, die Private Equity derzeit nutzt, festschreiben könnte. Er könnte bald Teil einer Gesetzesinitiative werden. Doch darüber reden möchte die Bundesregierung offenbar nicht: Die Steuer-Vorschläge der WIN-Initiative veröffentlichte das Finanzministerium nur stark geschwärzt. „Ein vorzeitiges Bekanntwerden dieser Vorschläge könnte eine öffentliche Diskussion hierüber auslösen”, rechtfertigte das Ministerium die Schwärzungen eines Dokuments, das Finanzwende über eine Informationsfreiheitsanfrage erhalten hatte. Ein von der Öffentlichkeit abgeschottetes Forum, in dem Finanzlobby und Politik unter anderem über die mögliche Fortsetzung von Steuerschlupflöchern für Private Equity diskutieren? Hier wird Finanzwende nicht locker lassen. Wir haben weitere Informationsanfragen zur WIN-Initiative gestellt und Widerspruch zu den geschwärzten Dokumenten eingelegt. Erkenntnis 3: Vom schädlichen Geschäftsmodell wird erfolgreich abgelenkt Es gelingt der Private-Equity-Branche, Kernaspekte ihres Geschäftsmodells zu verschleiern und aus der Debatte herauszuhalten. Dazu zählen die Wert-Abschöpfung, die Überschuldung der gekauften Unternehmen und die Tatsache, dass Private Equity im großen Stil Steueroasen nutzt, um Gewinne am Fiskus vorbei in die eigene Tasche und die seiner Finanzinvestoren zu schleusen. Zudem betont die Branche immer wieder ihre für die ökologische Transformation ach so wichtigen Klimainvestitionen. Dabei investieren viele Private-Equity-Firmen massiv in fossile Energieträger und treiben so die Klimakrise voran. Die Klima-PR der Private-Equity-Branche ist kaum mehr als Greenwashing. Erkenntnis 4: Vor allem im Kanzleramt geht die Private-Equity-Lobby ein und aus Die Ampel-Regierung hat im Zuge von parlamentarischen Anfragen diverse Lobbykontakte mit der Private-Equity-Branche veröffentlicht. Die erste Adresse der Lobby war das Kanzleramt und insbesondere sein Staatssekretär, der spätere Interims-Finanzminister Jörg Kukies (SPD). Was genau besprochen wurde? Auf Nachfrage von Finanzwende teilten die beteiligten Ministerien mit, es gäbe keine Protokolle. Vom Kanzleramt lag vier Monate nach Einreichen der Informationsanfrage noch nicht einmal eine richtige Antwort vor. Erkenntnis 5: Private Equity lobbyiert bisweilen unter dem Radar Im Lobbyregister des Deutschen Bundestags ist mit KKR nur ein einziger regelmäßiger Gesprächspartner der Bundesregierung aus der Private-Equity-Branche aufgeführt. Der Branchenriese Carlyle etwa hatte 15 Kontakte zwischen Februar 2023 und Januar 2025, erscheint dort aber nicht. Finanzwende hat die registerführende Stelle der Bundestagsverwaltung darauf hingewiesen, dass der fehlende Eintrag im Lobbyregister rechtswidrig sein könnte und darum gebeten, gegebenenfalls ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. Die zuständige Stelle geht unseren Hinweisen nach. Zur Studie