Schuldnerberatung: Wer Hilfe braucht, muss sie bekommen 19.12.2022 Schätzungsweise sechs Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet, nicht einmal zehn Prozent von ihnen erhalten Hilfe in einer Schuldnerberatung. Viele Betroffene müssen für die Beratung bezahlen. Erwerbstätige, Studierende oder Rentner*innen bleiben immer wieder außen vor. Die aktuelle Krise zeigt: Wir brauchen ein Recht auf kostenlose Schuldnerberatung für alle! Zum Positionspapier Immer mehr Menschen stehen aktuell vor finanziellen Problemen. Die Inflation ist hoch, beim Einkaufen gibt es weniger Waren fürs Geld. Viele befürchten, dass die notwendigen Ausgaben schon bald ihr Erspartes übersteigen. Banken rechnen mit mehr Privatinsolvenzen. Klar ist: Die Gefahren, in eine Überschuldung zu rutschen, wachsen rasant, insbesondere für Menschen mit geringeren Einkommen. Als überschuldet gelten – vereinfacht gesagt – Personen, deren offene Rechnungen etwa für Strom oder Kredite dauerhaft höher sind als Einkommen und Vermögen. Überschuldung in Deutschland Schätzungsweise sechs Millionen Menschen in Deutschland sind bereits überschuldet, knapp jeder zwölfte Erwachsene hierzulande. Auslöser sind oftmals Arbeitslosigkeit, Krankheit oder geringe Einkommen. Für Betroffene bedeutet das neben finanziellen immer wieder auch soziale oder gesundheitliche Probleme. Aktuell scheint die Lage auf den ersten Blick besser als erwartet. Die Anzahl überschuldeter Menschen sank gerade etwas. Allerdings dürfte sich das bald ändern: Hochrechnungen zufolge könnte rund 15,6 Millionen Personen das Geld fehlen, wenn die Rechnungen für Wasser oder Energie kommen. Wem die Schulden dann über den Kopf wachsen, der braucht Beratung. In Deutschland ist die Schuldnerberatung eine Sache der Kommunen. In den rund 1.400 Schuldnerberatungen – betrieben etwa von Verbraucher- oder Wohlfahrtsverbänden – herrscht dadurch ein wahres Wirrwarr an unterschiedlichen Regeln. Ob jemand Anspruch auf Beratung hat, hängt in Hamburg an Einkommensgrenzen. In Bayern wiederum kann jeder kommen. Häufig haben Angestellte, Selbstständige oder Rentner*innen allerdings keinen Anspruch auf Beratung. Wegen knapper Beratungsplätze gibt es oftmals lange Wartezeiten. Und das, obwohl für Schuldner*innen mitunter existenzielle Grundbedürfnisse wie das Wohnen auf dem Spiel steht. Nicht einmal zehn Prozent der Überschuldeten werden im Rahmen von Beratungen betreut. Erschwerter Zugang, Regel-Wirrwarr und das knappe Angebot dürften dazu beitragen. Dabei hilft eine frühzeitige Beratung oft, eine Stromsperre oder die Privatinsolvenz zu verhindern. Und der Bedarf für Beratung ist groß, Schulden gehören zum Alltag. Normale Schulden, problematische Praktiken Schulden sind wirtschaftlich gewollt – solange sie bedient werden. Für Verbraucher*innen sind Kredite wichtig, etwa beim Hauskauf oder wenn für drängende Ausgaben das notwendige Kleingeld fehlt. Auf der anderen Seite profitieren die Unternehmen, Kredite kurbeln den Absatz an. Doch wer seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, rutscht in die Überschuldung. Dabei spielt auch der Finanzmarkt eine Rolle. Viele Banken verlangen überhöhte Dispozinsen. Unseriöse Inkasso-Unternehmen belasten Menschen über Gebühr. Manche Kreditgebende vertreiben absurd teure Kredite gerade an jene, die woanders kein Geld mehr bekommen. Solche Geschäftspraktiken belasten die Schuldner*innen zusätzlich und führen mit dazu, dass Menschen in die Überschuldung rutschen. Betroffene sollten diesem gnadenlosen Geschäft mit den Schulden nicht hilflos ausgeliefert sein. Recht auf kostenlose Schuldnerberatung für alle! Finanzwende fordert ein Recht auf kostenlose Schuldnerberatung für alle! Gerade derzeit drohen viele Menschen unverschuldet in finanzielle Not zu geraten. Es sollte nicht sein, dass Betroffene dann kaum Zugang zu guter Beratung haben. Zusammen mit dem institut für finanzdienstleistungen und der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung haben wir dazu ein Positionspapier veröffentlicht. Das Bündnis aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Praxis setzt sich für ein Ziel ein: Wer Hilfe mit seinen Schulden braucht, muss sie bekommen. Zum Positionspapier Bündnis