Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors intransparent und unzureichend

30.06.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

drei Jahre nach dem Start bleibt die sogenannte Klima-Selbstverpflichtung mehrerer deutscher Banken weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Das zeigt eine Auswertung der Bürgerbewegung Finanzwende. Expert*innen des Vereins haben dafür die im Rahmen der Selbstverpflichtung bisher veröffentlichten Fortschritte und Ziele analysiert. Das Ergebnis: Die Umsetzung der Selbstverpflichtung erfüllt nicht den eigenen Anspruch, das Geschäft der beteiligten Banken an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. „Die Selbstverpflichtung ist in dieser Form nur ein grünes Lippenbekenntnis, das sich nicht überprüfen lässt”, sagt Finanzwende-Expertin Magdalena Senn. „Verbindliche gemeinsame Ziele und deren ausreichende und transparente Umsetzung sucht man darin vergebens.”

Kernproblem der Selbstverpflichtung ist nach Angaben von Finanzwende, dass die beteiligten Banken ihren Fortschritt selbst und nach eigenen Maßstäben bewerten. So hätten die Unterzeichner*innen der Selbstverpflichtung zwar inzwischen erklärt, mit welchen Methoden sie den CO2-Fußabdruck ihrer Portfolios in bestimmten Sektoren messen wollen – die Auswahl der Sektoren und die Methoden seien jedoch von Bank zu Bank unterschiedlich und somit nicht vergleichbar. Ähnliche Probleme gebe es bei den selbst gesteckten Zielen zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks, so Finanzwende weiter: Eine gegenseitige oder gar unabhängige Kontrolle findet nicht statt, das verwendete Ampelsystem lässt viel Interpretationsspielraum.

Außerdem gibt es den Angaben nach kein einheitliches Verständnis darüber, ob die gesteckten Ziele der einzelnen Banken dem kollektiven Anspruch von Netto-Null-Emissionen 2050 genügen. „Wir wissen nicht, wie belastbar die Auskünfte sind”, sagt Magdalena Senn. „Und wir wissen nicht, was eigentlich passiert, wenn eine Bank die selbst gesteckten Ziele nicht einhält.” Klar sei allerdings, dass 2050 als Ziel eigentlich zu spät ist – Deutschland habe sich schließlich zu einer CO2-Neutralität bis 2045 verpflichtet.

Auf einem guten Weg bei der Anpassung des Geschäfts an das Pariser Klimaabkommen sind nach Ansicht von Finanzwende vor allem kleine, spezialisierte Banken und kirchliche Institute, die ohnehin systematisch nachhaltig ausgerichtet sind. Große Institute dagegen hätten bisher weniger Fortschritte gemacht. „Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben 2022 noch Unternehmen finanziert, die ihr fossiles Geschäft weiter ausbauen”, sagt Senn. „Das ist mit dem Pariser Abkommen nicht zu vereinbaren – und es zeigt sehr deutlich, wie Versprechen und Realität bei der Klima-Selbstverpflichtung auseinanderklaffen.”

Für eine glaubwürdige Selbstverpflichtung müssen die teilnehmenden Institute verbindliche gemeinsame Ziele festlegen, sagt Magdalena Senn. „Die Ziele in der Selbstverpflichtung müssen dem Pariser Klimaabkommen gerecht werden und ihre Einhaltung muss überwacht und unabhängig überprüft werden.” Daneben seien die europäischen Institutionen gefragt, Regeln und Gesetze zu schaffen, die eine Ausrichtung aller Banken am 1,5-Grad-Ziel sicherstellen. „Freiwilliges Handeln ist willkommen, aber Selbstverpflichtungen reichen nicht aus. Die Bundesregierung muss den Weg zur Klimaneutralität für alle Sektoren festlegen und klimaschädliches Wirtschaften endlich unrentabel machen.”

Die vollständige Auswertung der Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors finden Sie hier: https://www.finanzwende.de/themen/oekologische-finanzwende/banken-selbstverpflichtung-fuer-das-klima-freiwillig-reicht-nicht/

Zum Hintergrund

Am 30. Juni 2020 hatten 16 Akteur*innen des deutschen Finanzsektors versprochen, ihre Kredit- und Investmentportfolios in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Um das zu erreichen, sollten die Akteur*innen Methoden für die Messung des CO2-Fußabdrucks ihrer Portfolios entwickeln und sektorspezifische Ziele zu seiner Senkung veröffentlichen – beides ist nach Abschluss einer Vorbereitungsphase im November 2022 auch geschehen. Zu den Erstunterzeichner*innen der Selbstverpflichtung gehören neben mehreren kleinen Banken auch Branchenriesen wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank. Insgesamt haben inzwischen 20 Banken die Selbstverpflichtung unterzeichnet.

Über Finanzwende

Finanzwende ist ein überparteilicher Verein mit über 7.500 Mitgliedern. Die unabhängige Interessenvertretung von und für Bürgerinnen und Bürger wurde im Jahr 2018 anlässlich des zehnten Jahrestages der Lehman Brothers-Pleite gegründet. Als Gegengewicht zur Finanzlobby drängt sie auf stabilere, faire und nachhaltige Finanzmärkte. Durch Kampagnen und kritische Recherchen kämpft sie für ein gemeinsames Ziel: die Finanzwende – damit die Finanzwirtschaft den Menschen dient. https://www.finanzwende.de/ueber-uns/wer-wir-sind