Standpunkt: Der Finanzminister der Finanzlobby

07.11.2024
Dr. Gerhard Schick

Gerhard Schick ist promovierter Volkswirt und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Für die Arbeit im Verein legte er sein Bundestagsmandat nieder.

Christian Lindner hat als Finanzminister Politik für Finanzunternehmen und Superreiche gemacht – und für niemanden sonst. Seine Entlassung ist kein Verlust.

Die Entlassung von Christian Lindner ist ein trauriger Tag für die Lobby des großen Geldes: Sie verliert damit einen guten Freund im Finanzministerium. Für alle anderen ist Lindners Abgang kein Verlust. Ohne ihn steigt die Chance auf eine Finanzpolitik, die nicht nur den Reichsten der Reichen dient.

Wohlgemerkt: Lindner war längst nicht der erste Finanzminister, den man als guten Freund der Finanzlobby bezeichnen kann. Auch seine direkten Vorgänger Scholz (SPD), Schäuble (CDU) und Steinbrück (wieder SPD) hatten stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche von Banken oder Co. – besonders dann, wenn es um die robuste Vertretung ihrer Interessen in Brüssel geht.

Christian Lindner hat diese gefährliche Nähe von Finanzministerium und Finanzlobby allerdings noch auf die Spitze getrieben.

Christian Lindner hat diese gefährliche Nähe von Finanzministerium und Finanzlobby allerdings noch auf die Spitze getrieben, etwa als oberster Lobbyist der Banken in Brüssel bei der Deregulierung von Verbriefungen und beim Kampf der Finanzindustrie gegen ein Provisionsverbot. Bei diesen Fragen stand er zuverlässig auf Seiten der Finanzbranche und nicht auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger. 

Längst nicht alle Finanzminister haben so konsequent Politik betrieben, die nur den reichsten 0,1 Prozent der Gesellschaft dient – und allen anderen schadet. Reform der verfassungswidrigen Erbschaftsteuer? Lieber nicht. Konsequenter Kampf gegen Finanzkriminalität, Rückholung der dringend benötigten Milliardenbeute aus CumEx und CumCum? Kein Interesse. Eine echte Steuerreform mit Abschaffung von Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten, wie man das von einem liberalen Finanzminister erwartet hätte? Fehlanzeige. 

Längst nicht alle Finanzminister haben so konsequent Politik betrieben, die nur den reichsten 0,1 Prozent der Gesellschaft dient – und allen anderen schadet.

Der Dienst an der Bankenlobby ist Lindner offenbar so wichtig, dass dahinter sogar der Kampf gegen die Staatsschulden zurückstehen musste – zu beobachten am Streit um die 2,3 Milliarden Euro im sogenannten Restrukturierungsfonds. Juristisch sicher und politisch richtig wäre es gewesen, die zum Abbau der Schulden aus der Finanzkrise einzusetzen. Doch Christian Lindner, der sich sonst gerne als Gralshüter der schwarzen Null inszeniert, wollte sie lieber an die Banken verschenken. Verhindert wurde das nur, weil Finanzwende rechtzeitig Alarm geschlagen hat und dadurch doch noch ein vernünftiges Gesetz vorangebracht wurde.

Allerdings: Dieses Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Es könnte nun dem vorzeitigen Ende der Ampelregierung zum Opfer fallen. Dann hätte sich Christian Lindner trotz seiner Entlassung noch durchgesetzt. Es ist jetzt an seinem Nachfolger und an den Abgeordneten im Bundestag, das zu verhindern. Das wäre dann noch ein trauriger Tag für das große Geld – und ein guter für uns alle.

Keine Geschenke für Banken, Herr Lindner!

Offenbar gab es Überlegungen, Banken 2,3 Milliarden Euro aus einem deutschen Bankenrettungsfonds zu schenken. Zwar plante die Bundesregierung, unserem Rat zu folgen und die Gelder zur Tilgung der Schulden aus der Finanzkrise zu nutzen. Doch leider wird das entsprechende Gesetz durch die vorgezogene Neuwahl wohl nicht mehr verabschiedet. Für uns bedeutet das: dranbleiben!
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