Leitlinien für einen digitalen Euro 28.11.2024 Der digitale Euro kann die sicherste Form unseres Geldes – unser Bargeld – auch digital zugänglich machen. Denn die Zukunft des Euros muss bar und digital sein. Mithilfe der Verwendung des digitalen Euros können viele Probleme im Zahlungsverkehr gelöst und Europa unabhängiger gemacht werden. Allerdings kann der digitale Euro nur erfolgreich sein, wenn er im Interesse der Bürger*innen und nicht der Finanzbranche gestaltet wird. Der digitale Euro hat das Potential, Vieles besser zu machen. Er kann Bürger*innen beim Bezahlen zu mehr Datenschutz verhelfen und die Abhängigkeit Europas von großen US-amerikanischen Unternehmen wie Paypal, Mastercard, Apple und Co. schwächen. Die Finanzbranche sieht das aber nicht so. Stattdessen sieht sie im digitalen Euro einen Angriff auf die Vormachtstellung der Banken in unserem Finanzsystem. Die großen Lobbyanstrengungen der Branche spiegeln sich schon heute in den Gesetzesentwürfen für einen digitalen Euro wider. Sie zielen darauf ab, die zentrale Rolle der Geschäftsbanken zu erhalten und den digitalen Euro dadurch zu schwächen. Politik und Zentralbanken müssen sich jetzt dafür stark machen, dass der digitale Euro nicht als Tiger springt und als Bettvorleger landet. Was ist der digitale Euro? Wenn wir in Europa mit Karte oder Smartphone bezahlen, verwenden wir Geschäftsbankengeld, das von den Banken herausgegeben und garantiert wird. Bargeld wird direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben und durch sie garantiert. Bargeld ist damit ungleich sicherer als Geschäftsbankengeld, aber leider nicht digital verfügbar. Der digitale Euro soll das ändern und Bürger*innen über eine digitale Geldbörse Zugang zu digitalem Zentralbankgeld geben, das unabhängig von Geschäftsbanken und anderen privaten Interessen für digitale Zahlungen genutzt werden kann. Mithilfe des digitalen Euros können viele Probleme im europäischen Zahlungsverkehr adressiert werden. Dazu gehört auch der Verlust unseres Zugangs zu Bargeld im digitalen Zeitalter. Bargeld ist anonym, sicher und unabhängig – diese Vorteile dürfen nicht verloren gehen. Und wenn wir digital bezahlen, gibt es keinen echten Ersatz für Bargeld. Wir sind auf private Zahlungsanbieter angewiesen. Diese Abhängigkeit bedroht unsere Privatsphäre und treibt die Kosten, vor allem für Händler*innen, in die Höhe. Zusätzlich wird der Zahlungsverkehr in der EU von US-amerikanischen Konzernen dominiert, was unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit gefährdet. Ein digitaler Euro kann diese Schieflage beenden, Europa unabhängiger machen und die Kontrolle über unsere Daten zurückholen. Denn auch in einer digitalen Welt soll der Euro weiter bar und digital nutzbar sein. Was treibt die Finanzlobby? Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: E-Mail* Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden Leitlinien für einen funktionierenden digitalen Euro Damit der digitale Euro die Probleme im europäischen Zahlungsverkehr angehen kann, muss er für die Nutzer*innen richtig gestaltet werden und nicht den Interessen der Banken entsprechen. Er sollte sich dafür aus Sicht von Finanzwende an den folgenden Leitlinien orientieren: 1 | Der digitale Euro darf das Bargeld nicht ersetzen. Bargeld bleibt ein wichtiges gesetzliches Zahlungsmittel und muss vom Eurosystem geschützt werden. Die Regeln für die Nutzung und Verfügbarkeit von Bargeld müssen genauso streng überwacht werden wie beim digitalen Euro. Bargeld ist in der EU ein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel, was in der Praxis jedoch immer seltener akzeptiert wird – jedes zehnte Unternehmen nimmt es nicht mehr an. Trotz sinkender Nachfrage muss der Zugang zu Bargeld erhalten bleiben. Es ermöglicht sicheres, anonymes Bezahlen, ohne private Interessen. Zentralbanken und Regierungen müssen klare Regeln schaffen, um Bargeld zu schützen und es ins digitale Zeitalter zu integrieren. Übrigens arbeitet die EU-Kommission bereits an einem Gesetzesvorschlag, um den Erhalt des Bargelds zu schützen. 2 | Der digitale Euro muss Bezahlen günstiger machen. Verbraucher*innen sollten den digitalen Euro kostenlos und Händler*innen so kostengünstig wie möglich nutzen können. Für Händler*innen sind Zahlungen ohne Bargeld oft teuer. Im Online-Handel zahlen sie bis zu 3 Prozent der Kaufsumme plus zusätzlicher Gebühren, die durch die Marktmacht großer Firmen bestimmt werden. PayPal allein macht über ein Viertel des Umsatzes im deutschen E-Commerce. Zusammen mit Visa und Mastercard kontrollieren diese Unternehmen fast 40 Prozent des Marktes. Händler*innen haben kaum eine Wahl, da es keine günstige Alternative gibt. Das wettbewerbswidrige Verhalten dieser Unternehmen wurde bereits von britischen und US-amerikanischen Behörden bestätigt. Ein datensparsamer digitaler Euro könnte den Wettbewerb ankurbeln und die Gebühren senken, ohne profitorientierten Marktinteressen zu folgen. 3 | Der digitale Euro muss die Privatsphäre schützen. Der digitale Euro sollte genau wie Bargeld anonyme Zahlungen ermöglichen. Gleichzeitig müssen Regeln gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingehalten werden. Wer digital bezahlt, gibt oft mehr persönliche Daten preis, als er möchte. Zahlungsanbieter wie PayPal, Visa oder Mastercard sammeln diese Daten und nutzen sie, um Werbung zu personalisieren und Gewinne zu steigern. Auch Technologiekonzerne wie Apple, Google und Amazon profitieren davon. Verbraucher*innen haben keine echte Wahl und können ihre Daten nicht kontrollieren. Das gefährdet ihre Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung. Ein digitaler Euro muss als datensparsame Alternative agieren und als positives Beispiel vorangehen. Die EZB muss garantieren, dass sie keine Nutzerdaten verwendet. 4 | Der digitale Euro muss ein sicheres Zahlungsmittel sein. Digitale Bezahlsysteme gehören zur kritischen Infrastruktur und müssen unabhängig von Ereignissen außerhalb Europas funktionieren. Der digitale Euro soll daher auf einer rein europäischen Infrastruktur basieren, um die Unabhängigkeit und Souveränität der EU zu sichern. Der digitale Euro stärkt die Unabhängigkeit der EU. Besonders nach der Wahl von Donald Trump hat die Unabhängigkeit kritischer Infrastrukturen von anderen Ländern an Relevanz gewonnen. Auch Thierry Breton, ehemaliger EU-Binnenmarktkommissar, betont, dass Europa diese Art von Abhängigkeiten nicht aufrechterhalten darf, da sie als politische Waffe eingesetzt werden können. Der Zahlungsverkehr in der EU wird von US-amerikanischen Firmen wie PayPal, Visa und Mastercard sowie den Big-Tech-Unternehmen Apple und Google dominiert. Etwa 70 Prozent der Kartenzahlungen in Europa erfolgen über nicht-europäische Anbieter. Auch der chinesische Zahlungsanbieter Alipay (AntGroup) hat zuletzt aggressiv auf den Markt gedrängt. Zahlungen sind das Fundament der Wirtschaft. Wenn der digitale Euro auf europäischer Infrastruktur basiert, könnte Europa die Hoheit über diese wichtige Infrastruktur zurückgewinnen. 5 | Der digitale Euro sollte als öffentliches Gut konzipiert werden und überall verfügbar sowie akzeptiert sein. Als gesetzliches Zahlungsmittel wäre er an allen Orten nutzbar, an denen digitale Zahlungen möglich sind. Banken und Zahlungsdienste in der Eurozone sollten ihn einfach und für alle zugänglich bereitstellen. Das digitale Bezahlen ist oft kompliziert. Jeder Online-Shop bietet andere Zahlungsmethoden an, und Händler*innen müssen mit vielen Zahlungsunternehmen Verträge abschließen. Das kostet Zeit, Geld und Aufwand. Außerdem setzt die Nutzung digitaler Zahlungsdienste für Kund*innen oft digitale Kompetenzen voraus, die nicht alle besitzen. Besonders ältere oder weniger technikaffine Menschen stoßen hier auf Hürden. Der digitale Euro muss diese Barrieren abbauen und verständlich und einfach nutzbar sein. Mit der richtigen Ausgestaltung könnte er dem Flickenteppich im europäischen Zahlungsverkehr eine einfache und einheitliche Lösung entgegensetzen. Was plant die EZB zum digitalen Euro? Seit November 2023 arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) an einem digitalen Euro. In den nächsten zwei Jahren will sie die Regeln und die technische Grundlage festlegen. Im Juli 2023 legte die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vor, um den digitalen Euro einzuführen. Wenn alles nach Plan läuft, könnten erste Zahlungen ab 2028 möglich sein. Viele Details sind noch unklar. Doch einige Aspekte stehen bereits fest: Der digitale Euro wird für Verbraucher*innen und Händler*innen gleichermaßen zugänglich sein, also eine „Retail“-Variante. Nutzer*innen werden ihr Geld nicht direkt bei der Zentralbank halten, sondern auf Extrakonten oder digitalen Brieftaschen bei Banken oder Zahlungsanbietern. Es wird ein Limit für das Guthaben auf diesen Konten geben, wahrscheinlich bis zu 3.000 Euro pro Person. Wenn die digitale Brieftasche nicht genug Guthaben hat, wird der Rest automatisch vom Bankkonto abgebucht („Wasserfall-Funktion“). Vollständige Anonymität wird es nach heutigem Stand nicht geben. Allerdings soll eine Offline-Variante einen Datenschutz bieten, der ähnlich hoch wie Bargeld ist und auch gegenüber der EZB gilt. In diesem Kontext betont die EZB wiederholt, dass sie auch darüber hinaus keinerlei Interesse an einer Nutzung der Nutzerdaten hat. Mehr zum Thema? Die Studie „Mehr Macht, mehr Geld: Big-Techs im Finanzwesen“ unserer Tochtergesellschaft Finanzwende Recherche untersucht den Einstieg der US-amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten in den europäischen Finanzsektor und Zahlungsverkehr sowie die Risiken, die damit verbunden sind. Noch ist das Finanzangebot dieser Unternehmen in der EU begrenzt, doch das kann sich schnell ändern, wie man in anderen Teilen der Welt sieht. Die Finanzkraft der Tech-Riesen, ihre riesigen Datenschätze und die große Kundenzahl machen das möglich.
Was ist der digitale Euro? Wenn wir in Europa mit Karte oder Smartphone bezahlen, verwenden wir Geschäftsbankengeld, das von den Banken herausgegeben und garantiert wird. Bargeld wird direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben und durch sie garantiert. Bargeld ist damit ungleich sicherer als Geschäftsbankengeld, aber leider nicht digital verfügbar. Der digitale Euro soll das ändern und Bürger*innen über eine digitale Geldbörse Zugang zu digitalem Zentralbankgeld geben, das unabhängig von Geschäftsbanken und anderen privaten Interessen für digitale Zahlungen genutzt werden kann.